Winde [2]

[253] Winde, 1) (Garnwinde), ein der Weife od. dem Haspel (s.d. 2) ganz ähnliches, aber nicht mit einer Zählvorrichtung versehenes Werkzeug zum Aufwickeln von Garn u. dgl., bes. aber zum Abwickeln desselben auf Spulen od. Knäuel. 2) Eine Maschine zum Heben von Lasten, zum Emporbewegen derselben auf einer geneigten Ebene, od. auch zum Fortschaffen derselben mittelst Walzen auf einer horizontalen Ebene. An diesen Maschinen ist eine meist durch Menschen- od. Thierkraft mittelst Hebeln, zum Theil auch mit Räderübersetzung, umgedrehte, stehende od. liegende Welle vorhanden, auf welche sich ein Seil aufwickelt, woran die zu bewegende Last befestigt ist. Je nach ihrer besondern Einrichtung od. Anwendung gibt man der W. den Namen Erdwinde, Schiffswinde, Gangspill, Haspel, Göpel (s.d. a.), ja selbst die Rollen u. der Flaschenzug lassen sich hierher rechnen. Bei der Gegenwinde (Licht od. Differentialhaspel) hängt die Last an einer losen Rolle, u. die Enden des Seils, welches diese Rolle trägt, sind in entgegengesetzten Richtungen um eine Welle geschlungen, welche an den beiden Aufwickelungsstellen verschiedenen Durchmesser hat; beim Umdrehen der Welle wickelt sich das Seil auf den stärkern Wellentheil auf u. zugleich vom schwächern ab, das herabhängende Seil verkürzt sich also bei jeder Umdrehung um die Differenz der beiden verschiedenen Wellenumfänge u. die Last steigt demgemäß. 3) Maschine, womit man große Lasten auf kleinere Höhen hebt, z.B. schwere Maschinen- u. Baustücke (dann Bauwinde), od. belastete Wagen (dann Wagenwinde, s.d.), bes. beim Schmieren der Achsen, beim Einsinken des Wagens in Morast u. dgl. Die Winde hat ein hölzernes, stark mit Eisen beschlagenes od. auch ganz eisernes Gehäuse von länglich-parallelepipedischer Form, dessen Wände durch durchgesteckte eiserne Splinte (Schlusen) zusammen gehalten werden. In diesem Gehäuse steckt bei den gewöhnlichen Bau- u. Wagenwinden eine starke eiserne Stange, welche an einer Seite gezahnt ist u. oben einen halbmondförmigen Ansatz (Kabel) od. unten am Fuße einen Haken hat u. damit die Last erfaßt. In die Zähne dieser Stange greift ein Getriebe, welches, entweder unmittelbar od. unter Vermittelung noch einiger Räder u. Getriebe, durch eine auf die Achse des einen Getriebes aufgesteckte Kurbel umgedreht wird u. dadurch die Zahnstange u. die darauf ruhende Last in die Höhe bewegt. Alle Zapfen der Getriebe u. Räder liegen in einer Büchse von starkem Eisenblech, welche in das Gehäuse eingelassen ist. Um das Zurückgehen der belasteten Zahnstange zu verhindern, ist noch eine Sperrklinke angebracht, welche entweder in die Zähne der Stange od. in ein besonderes, auf der Kurbelwelle sitzendes Sperrrädchen eingreift. Bei den stärkeren W-n neuerer Construction (Englische W. od. Schraubenwinde) ist die Zahnstange durch eine Schraubenspindel u. die einfache Kurbel durch eine Schraube ohne Ende ersetzt, od. auch die Mutter der Schraubenspindel mit einem Kronrade versehen, in welches ein durch eine Doppelkurbel umgedrehtes Getriebe eingreift; in beiden Fällen kann sich die Mutter nicht in ihrer Längsrichtung verschieben, sondern nur drehen u. veranlaßt daher eine Längsbewegung der Spindel, welche sich nicht drehen kann. Bei Dunns Perspectivwinde sind zwei Schraubenspindeln von verschiedener Ganghöhe vorhanden; die äußere ist hohl u. dient zugleich als Mutter für die innere; dreht man blos eine Spindel, so wirkt die W. als einfache Schraubenwinde; dreht man beide zugleich, aber entgegengesetzt, so wirkt sie als Differentialschraubenwinde; vgl. Schraube 1 ) C). Die W-n werden von den Windenmachern od. in Fabriken verfertigt. Eine Klauenwinde ist eine solche, deren Stange oben mit einem doppelten Haken versehen ist; sie dient, um etwas von der Seite in die Höhe zu drücken, u. wird bes. von den Schiffszimmerleuten gebraucht, um die Seitenbohlen eines Kahnes beim Annageln fest anzupressen. Die Bodenwinde von Neukranz zum Aufwinden der Getreidesäcke wird an einem Balken des Daches angehängt u. bringt in dem Augenblick, wo der Arbeiter zu winden aufhört, durch eine dann eingreifende Bremse die Last zum Stillstehen. Hydraulische W-n stimmen in ihrer wesentlichen Einrichtung mit der hydraulischen (Bramahschen) Presse überein; bei ihnen wird der Kraft- od. Pumpenkolben, je nach ihrer Größe, durch Menschen-, Dampf- od. Wasserkraft bewegt, während der Preßkolben mit seinem obern Ende die Last erfaßt u. emporhebt. Die größten hydraulischen W-n wurden beim Erbauen von Röhrenbrücken, z.B. der Britanniabrücke angewendet, um die von Pfeiler zu Pfeiler reichenden Röhrenstücke von 460 Fuß Länge u. 1726 Tonnen Gewicht auf die Pfeiler zu heben; an der Britanniabrücke hatte man eine hydraulische W. von 20 Zoll u. zwei von 18 Zoll lichtem Durchmesser u. zu deren Betrieb zwei Dampfmaschinen von je 40 Pferdekräften. 4) (Schlosser), die Angel eines Fischbandes; 5) (Bohr [253] winde, Bohrdraube, Draufbohrer, Faustleier), der kurbelförmige Theil der Brustbohrer, in welchen die Bohrer eingesetzt werden; vgl. Bohrer A); 6) Werkzeug, große Fässer damit aus dem Keller zu ziehen, besteht aus einem Gestelle, in welchem eine Walze befestigt ist, um die mittelst eines Hebels ein starkes Seil gewunden werden kann, welches um das in die Höhe zu ziehende Faß geschlagen wird.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 253-254.
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