1. Eigen Gewere macht Herren. – Graf, 93, 143.
Von der Wichtigkeit, welche der Grundbesitz für die bürgerliche Stellung hat.
Altfries.: Ayn wera maket Hera. (Sprenger I, 21.)
Holl.: Eigen grond maakt eenen heer. (Harrebomée, I, 260.)
2. Gewer ohne Belehnung hat keine Kraft. – Graf, 557, 31.
Mhd.: Gewer ane lenunge hat deheine craft. (von Lassberg, Schwäb. Lehnrecht, Tübingen 1840, 57.)
3. Gewere ohne Lehen ist unrecht. – Graf, 557, 30.
Der blosse Besitz eines Gutes als Lehen ohne wirkliche Belehnung kann im Ersitzungswege keinen Rechtsbestand erlangen. (S. ⇒ Lehnrecht.)
Mhd.: Gewer an lehenunge ist unrecht. (Ficker, 171, 167.)
4. Keine Gewer taugt ohne guten Glauben. – Graf, 94, 175.
Bei der Uebernahme eines Besitzthums waren gewisse Förmlichkeiten zu erfüllen, ohne welche die Gewer keine rechte war. Ausser der Erfüllung derselben wurde aber auch – und das ist der Sinn des Sprichworts – erfordert, dass der Erwerber des Grundstücks die Ueberzeugung besass, die Uebertragung sei eine rechtsbeständige gewesen.
5. Man darf niemand aus seiner Gewer weisen als von Gerichts halben. – Graf, 94, 160.
Mhd.: Man sal nieman uz siner gewer wisen wan gerichtes halber. (Senckenberg, 164.)
6. Seine Gewer zu räumen ist niemand schuldig. – Graf, 94, 159.
Nämlich nicht infolge blosser Behauptungen, sondern nur, wenn durch richterliches Urtheil die Unrechtmässigkeit desselben erwiesen ist.
Mhd.: Keyn man ist phlichtig sine gewer zeu rumen. (Ortloff, XVIII, 7.)
7. Was einer nicht in rechter Gewer hat, dafür soll er antworten. – Graf, 94, 161.
Mhd.: Swaz der man in rehter gewer nit enhat, da sal er umbe antwurten. (Senckenberg, 248.)
8. Wer auf der Gewere sitzt, der hat das Recht dazu. – Graf, 93, 150.
So lange nämlich, bis jemand durch ein rechtskräftiges Urtheil das Gegentheil dargethan hat.
Mhd.: Der uffe der gewere siczt, der had recht dorczu. (Ortloff, II, 3, 64.)
9. Wer die Gewere hat, der hat das bessere Recht. – Graf, 93, 149.
Die Gesetze sind dem, der bereits im Besitz ist, günstiger als dem, der ihn erst durch Verdrängung eines andern erstreiten soll. Ein Schriftsteller hat nicht weniger als zweiundsiebzig Vortheile aufgezählt, die der, welcher im Besitz ist (die Gewere hat), vor dem voraushat, der sie erst erkämpfen soll. (S. ⇒ Glücklich und Selig.)
10. Wer die Gewere hat, der soll das Gut nützen. – Graf, 93, 145.
Wer im Besitze einer Sache ist, dem steht auch die Benutzung derselben zu, und er kann jede Störung abwehren; nach dem Holländischen Sachsenspiegel (Frankfurt 1763) sogar mit Gewalt; »denn«, heisst es dort, »es ist besser, dass ein Mann Leib und Gut verwehrt, d.h. mit eigener Faust vertheidigt, als dass er danach klage«.
11. Wer eine Gewere hat Jahr und Tag, der hat rechte Gewere. – Graf, 94, 177.
War trotz des guten Glaubens des Erwerbers ein Mangel vorhanden, der demselben unbekannt, den [1652] Uebergang der rechten Gewere hemmte, so sollte dieser durch Ablauf der rechten Gewerezeit von Jahr und Tag, d.i. ein Jahr, sechs Wochen und drei Tage, gehoben und die mangelhafte Gewere in eine vollständige rechte umgewandelt werden.
12. Wer sein Gewere nicht behält, der muss den Ring an der Thür lassen. – Graf, 99; Grimm, Rechtsalt., 175.
Wer den rechtmässigen Besitz nicht beweisen kann, der muss aus Haus und Hof weichen.
13. Zu einer rechten Gewere gehört guter Glaube. (S. 4.) – Graf, 94, 174.