Zehnte

1. Da ist mein Zehnter, sagte der Dieb zum Pfaffen, da sollte er das zehnte mal ins Loch, wo er schon neunmal gesteckt.


2. Ein jeglicher Zehent seinem Gut.Graf, 122, 319.

Der Zehent gehört nebst Fronen und Zinsen zu den Reallasten, ist die vornehmste Art derselben und ruht auf dem Gute.


3. Ich bringe den Zehnten, sagte der Bauer zum Pfaffen, der von allen Dingen den Zehnten haben wollte, und übergab ihm das zehnte Kind, das ihm seine Frau geboren hatte.

»Ein Bawr ward allezeit im zehntgeben von seinem Priester hart angestrengt, derentwegen all sein Fraw des zehenden Kindes in das Kindesbeth war kommen, waren sie zwey der Sachen eins, dass sie das Kindt, weil es das zehend war vnnd der Pfaff von allen dingen den zehenden haben wolt, jhm das wolten zu hauss schicken, welches sie dann thäten. Der Pfaff wolt das keinerley weg annemen. Wäre es der zehende gulden von dem, das der Bawr vermocht, gewesen; er solt davor erschrocken seyn, gleich eim Hundt vor einer Bratwurst oder seiten Speck.« (Zinkgref, IV, 185.)


4. Wer den Zehnt nach rechter Gewohnheit gibt, der hat ihn recht gegeben.Graf, 123, 341.

Dies Sprichwort sagt, dass es keineswegs genügte, den Zehnt nach seiner rechtmässigen Grösse und Beschaffenheit zu verabreichen, es musste auch unter den üblichen Förmlichkeiten geschehen.

Mhd.: Swer den zehenden nach rehter gewonheit gibt, der hat in wol gegeben. (Sachsenspiegel, II, 48, 10.)


5. Wer den Zehnten austheilt, muss den Frauen zuerst geben.


[517] 6. Wer den Zehnten nicht bezahlt, dem sollen auch die neun Theile genommen werden. Graf, 123, 339.

Dies aus den Gesetzen der Angelsachsen (vgl. R. Schmid, I, 68, 69) entlehnte Sprichwort schildert die Strenge, mit der bisweilen der Zehnt eingefordert wurde, und die so weit ging, dass sie den Verlust des zehntpflichtigen Gutes zur Folge haben konnte.


7. Wer den Zehnten nicht gibt, dem nimmt man den Fünften.

*8. Den Zehnten von Stroh geben.

Sehr peinlich in Erfüllung religiöser Satzungen sein, zur Bezeichnung von Frömmlern, Heuchlern, Pharisäern. Jüdisch-deutsch in Warschau: Ejssev git Maasser vün Stroj, d.i. Esau gibt Zehnten von Stroh. Nach der Sage soll nämlich Esau seinen Vater, um ihm eine hohe Vorstellung von seiner Frömmigkeit beizubringen, gefragt haben, ob man auch von leerem, ausgedroschenem Stroh den Armen Zehnten geben müsse. (Vgl. Tendlau, 8.)

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 5. Leipzig 1880, Sp. 517-518.
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