Regen

[650] Regen (der) gehört zu den wässerigen Lufterscheinungen oder Hydrometeoren und besteht im Herabfallen von tropfbarflüssigem Wasser aus den höhern Luftgegenden, welches ebenfalls den Namen von Regen bekommt. Nach gewissen nähern Umständen bei diesem Vorgange unterscheidet man Landregen, welche einen oder mehre Tage anhalten und[650] sich über große Landstriche verbreiten, und Strichregen, die aus einzelnem Gewölk niederfallen und weder lange anhalten noch einen ansehnlichen Raum treffen. Staubregen heißt das Niederfallen des Wassers in so seinen Tropfen, daß es sich dem Nebel (s.d.) nähert; Platzregen dagegen zeichnen sich durch sehr große Tropfen aus, sind häufig die Begleiter von Gewittern und dauern nicht lange; Wolkenbruch endlich heißt der in so gewaltigen Massen niederströmende Regen, daß er oft in Zeit von wenig Minuten eine Überschwemmung und, wo die Fluten nicht sehr günstigen Abfluß haben, große Verwüstungen zur Folge hat. Die Bildung des Regens wird dahin erklärt, daß die überaus zarten Bläschen, in deren Gestalt die wässerigen Dünste in der Luft schweben und Wolken (s.d.) bilden, entweder durch so große Anhäufung von. Dünsten, daß dieselben bei der herrschenden Temperatur der Luft von dieser nicht getragen werden können oder durch Sinken, d.h. Erkaltung, der Temperatur genöthigt werden, ineinander zu fließen und in Tropfen niederzufallen. Über den Amheil, welchen die elektrische Thätigkeit der Wolken daran und insbesondere an den die Gewitter in der Regel begleitenden Regen habe, sind die Meinungen noch getheilt. Der Unterschied in der Menge des Regens, welcher in den verschiedenen Gegenden der Erde fällt, ist sehr groß und es gibt Orte, wo es niemals regnet, wie in der afrik. Wüste Sahara, und andere, wo es fast täglich regnet. Diese liegen meist an der Küste des Meeres, wo der Regen im Allgemeinen häufiger als im Innern des festen Landes und ebenso häufiger gegen den Äquator hin als nach den Polen ist. Man bestimmt die Menge des an einem Orte jährlich fallenden Regens nach der Höhe, in der das Regenwasser eine wagerechte Fläche bedecken würde, wenn es sich blos darüber anhäufen und weder abfließen noch verdunsten könnte. Um diese sogenannte jährliche Regenhöhe zu finden, wendet man den Ombrometer oder Regenmesser an, ein genau nach einem gewissen Maße gearbeitetes Gefäß, welches im Freien der Art aufgestellt wird, daß blos unmittelbar aus der Luft herabfallender Regen hinein gelangen kann. Die Höhe desselben wird dann entweder sogleich nach jedem Regengusse gemessen, oder man stellt an einem Regentage solcher Messungen mehre über die innerhalb einer bestimmten Zeit gefallene Regenmenge an, um daraus die für die ganze Dauer des Regens zu berechnen. Die größte jährliche Menge von Regen fällt in der heißen Zone und beträgt nach A. von Humboldt im südl. Amerika über 70 und in einigen Gegenden über 90 pariser Zoll; in den Tropenländern Asiens wird die jährliche Regenhöhe auf 94–108 pariser Zoll geschätzt. In Lissabon beträgt sie 25 pariser Zoll 4,6 Linien; in Liverpool 32''4''',5; in London 23''4''',8; in Paris 20''9''',8; in Rom 29''3''',7;in Brüssel 17''10''',8; in Strasburg 25''6''',8; in Stuttgart 23''9'''; in Karlsruhe 24''9'''; in Regensburg 21''0''',8; in Würzburg 14''0''',7; in Prag 15''4''',7; in Kopenhagen 17''3''',8; in Stockholm 19'' 2''',2. Die größte Menge Regen fällt jährlich in der heißen Zone, allein die Zahl der Regentage nimmt dessenungeachtet zu, je weiter man sich von den Wendekreisen entfernt, und man hat für England im Allgemeinen die Zahl derselben mit 152, für Deutschland mit 150, für Petersburg mit 167 angesetzt. Allein auch hinsichtlich der Vertheilung des Regens im Jahre herrscht in den verschiedenen Erdgegenden große Verschiedenheit und während der Regenfall außerhalb der Wendekreise das ganze Jahr hindurch mit trockener Witterung abwechselt, ist er innerhalb derselben oder in der heißen Zone auf besondere Perioden beschränkt. Diese werden die nasse Jahreszeit oder Regenzeit genannt, neben der man in jenen Gegenden nur noch eine trockene kennt, während der beständig heiterer Himmel ist und die z.B. im Innern des südamerik. Festlandes zwischen dem 4. und 10, nördl. Breitengrade vom Dec. bis Ende Febr. anhält. Eine Wolke am Himmel wird in dieser Zeit der Gegenstand der allgemeinen Aufmerksamkeit der Bewohner. Zu Anfang März aber fängt der Himmel an, eine minder tiefblaue Färbung anzunehmen, am südöstl. Horizonte thürmen sich Wolken auf und zu Ende April tritt die bis in den Oct anhaltende Regenzeit ein. Dabei regnet es aber nicht etwa fortwährend, sondern täglich blos 6–8 Stunden, des Nachts beinahe nie und bei Tagesanbruch ist die Luft zu jeder Zeit im Jahre heiter. In Afrika beginnt die Regenzeit in der Nähe des Äquators im Apr., an der Küste von Sierra Leone dauert sie vom Mai bis in den Sept., im Lande der Mandingos von Mitte Jun. bis in den Dec. Obgleich aber die Wendekreise im Allgemeinen die Grenze dieser periodischen Regen sind, gibt es doch wesentliche Ausnahmen davon und z.B. in Hindostan reichen sie über den nördl. Wendekreis hinaus bis zum 25. Breitengrade, während in andern Gegenden noch mehr Verschiedenheiten vorwalten. So gibt es auf Jamaica unter dem 18° nördl. Br. im Apr. und Mai eine Frühlings- oder kleine Regenzeit, die sechs Wochen anhält und eine stürmische Regenzeit vom Sept. bis in den Nov. Ebenso herrschen an der Küste von Guinea unter dem 6° nördl. Br. zwei Regenzeiten, von denen aber die kleine von Mitte Dec. bis Mitte Febr., die große vom Apr. bis Jun. dauert. Merkwürdig ist es, daß während eines und desselben Regens in gleicher Zeit mehr Wasser in der Nähe der Oberfläche der Erde als in ansehnlicher Höhe darüber aufgefangen wird, was daher zu kommen scheint, daß die Regentropfen während des längern Falles noch Zuwachs durch die Feuchtigkeit der Luft erhalten. In der heißen Zone regnet es zuweilen bei völlig heiterm Himmel, wobei die Tropfen zwar nicht sehr dicht fallen, aber an Umfang die größten Regentropfen übertreffen, welche in unserm Himmelsstriche vorkommen. Die Gesammtmasse des wässerigen Niederschlags, welche jährlich der Erdball aus dem Dunstkreise empfängt, hat man auf ungefähr 1016 deutsche Cubikmeilen berechnet. An den südl. und östl. Küsten von Sicilien werden häufig Sandregen beobachtet, wie z.B. am 14. März 1814, wo es nach heftigem Südsüdwestwinde mit großen schmuzigen Tropfen zu regnen anfing, die einen sehr seinen, gelblichrothen Sand mitbrachten, welchen der Sturm aus der afrik. Wüste herübergeführt hatte. (S. Blutregen.) – Regenhad oder Hydrokonion wird eine Form der Bäder (s.d.) und die dazu nöthige Vorrichtung genannt, mittels welcher Wasser in Gestalt eines seinen Regens auf den entkleideten Körper fällt, was eine eigenthümlich belebende Wirkung auf die Haut ausübt. – Regenbogen heißt die schöne Lufterscheinung, welche in Gestalt eines siebenfarbigen Bogens beobachtet [651] wird, wenn man, die Sonne im Rücken, auf einen in der Ferne fallenden dichten Regen blickt. Ist dieser nicht gleichmäßig verbreitet oder nicht sehr umfänglich, so sieht man nur Stücke von einem farbigen Bogen, welche Regen-oder Wassergallen genannt werden. Die Farben des Regenbogens sind die prismatischen (s. Prisma) und folgen einander beständig von oben nach unten oder von außen nach innen in derselben Reihe, wie im Farbenspectrum der Sonne (s. Farben), als Roth, Orange, Gelb, Grün, Hellblau, Dunkelblau, Violet. Eine strenge Abgrenzung dieser Regenbogenfarben findet jedoch nicht statt, vielmehr geht eine unmerklich in die andere über. Ist der Regenbogen vollständig ausgebildet, so erblickt man gewöhnlich einen zweiten darüber, dessen Farben aber blässer sind und einander in der entgegengesetzten Ordnung des tiefern folgen. Letzterer entsteht, indem die Sonnenstrahlen von den Regentropfen ebenso gebrochen und in Farben (s.d.) aufgelöst werden, wie vermittels des Prisma, der zweite Regenbogen aber ist nur eine Abspiegelung des ersten. An den Meeresküsten werden bisweilen zwei sich einander durchkreuzende Regenbogen beobachtet, wenn die Wolke, aus der es regnet, über dem Wasser steht, und man sucht den Grund davon in der Wirkung des vom Wasserspiegel zurückgeworfenen Sonnenbildes. Auf dem Meere selbst sieht man bei stürmischem Wetter in den zu Tropfen zerstäubten Wellen oft 20–30 mit der Rundung nach unten gewendete Regenbogen zugleich, welche aber gewöhnlich blos zwei Farben, Gelb oben und ein mattes Grün unten zeigen. Auch durch das Licht des Vollmondes gebildete sogenannte Mondregenbogen werden zuweilen des Nachts gesehen, haben aber nur eine sehr matte und blos weiße und gelbe Färbung. Die vollständige, auf die Gesetze der Brechung und Zurückstrahlung des Lichts begründete und mathematische Erklärung des Regenbogens hat nach unzureichenden Versuchen älterer Naturforscher zuerst Isaak Newton (s.d.) gegeben.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 650-652.
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