[480] Erde, Erdmessung (Gradmessung). Nach der heute als gültig betrachteten Hypothese über die Entstehung des Sonnensystems ist die Erde ein Körper, der sich aus einem rotierenden kosmischen Gasball durch Abkühlung und Zusammenziehung allmählich gebildet und unter dem Einfluß der Schwer- und Schwungkraft zu seiner jetzigen Gestalt entwickelt hat. Der Körper zeigt an seiner äußeren, von der Lufthülle umgebenen Oberfläche die Erdkruste, deren Hohlformen mit Wasser angefüllt sind. Etwa 28%, wenig mehr als ein Viertel dieser Kruste, ragt aus dem »Weltmeer« als »Festland« empor. Die Oberflächen beider Formen lassen nach allen Richtungen hin eine Krümmung erkennen. Es ist die besondere Aufgabe der Erdmessung (s.a. Geodäsie), die Gestalt dieses ballförmigen Erdkörpers zu definieren, zu bestimmen und danach seine Abmessungen zu ermitteln, welche Aufgabe im Laufe der Jahrhunderte verschieden aufgefaßt und behandelt wurde.
I. Hypothesen für die Erdfigur und geometrische Auswertung derselben durch Gradmessungen.
Kugelhypothese. Wird die Frage nach der Gestaltung der Erdoberfläche einfach dadurch erledigt, daß die Hypothese aufgestellt wird, »die Erde ist eine Kugel«, ohne eine weitere Definition, so ist auch die geometrische Auswertung dieser Hypothese sehr einfach.
In Fig. 1 ist m ein Stück des Kugelschnitts U mit dem Kugelmittelpunkt C und dem Kugelradius R. Es ist α : 360° = m : U = m : 2 π R, woraus U, R oder der Bogen m für α = 1°, also die Länge eines Gradbogens m1°, sich ergeben, sobald α und m gemessen sind.
Die Messung von α. Der Zentriwinkel α wird gebildet durch die Radien nach 1 und 2, die bei der Kugelhypothese den zum Kugelmittelpunkt konvergierenden Richtungen des Bleilotes entsprechen. Die Messung von α an der Erdoberfläche kann in verschiedener Weise erfolgen, terrestrisch oder astronomisch. Von den verschiedenen terrestrisch-geometrischen Methoden zur Bestimmung der Konvergenz der Lotrichtungen ist für die praktische Durchführung am bellen geeignet die Methode durch die gegenseitigen Zenitdistanzen Z1 12 und Z2 21, woraus α = Z1 12 + Z2 21 180°. Auch sie ist nur für kleine Bögen m möglich und bietet wegen der terrestrischen Refraktion (s.d.) nur geringe Genauigkeit (s. weiter unten). Daher kommt für die praktische Durchführung in erster Linie in Betracht die astronomische Bestimmung, wobei der Kugelschnitt U die Erdachse PC enthält und zum Meridianschnitt wird. In Fig. 2 ist α = Z1 Z2 gleich dem Unterschied der Zenitdistanzen Z1 und Z2 eines Gestirnes S (oder mehrerer in bekannter gegenseitiger Lage), oder allgemein α = φ2 φ1 gleich dem Unterschied der Polhöhen (geographische Breiten) φ1 und φ2 von 1 und 2 (s. Polhöhenbestimmung).[480]
»Die Messung des Erdbogens m« kann durch unmittelbare Längenmessung erfolgen, nachdem der Großkreisbögen m zwischen 1 und 2 abgedeckt ist, oder zur Ueberwindung der sich bei einer solchen unmittelbaren Messung langer Strecken auf der Erdoberfläche ergebenden Hindernisse durch die indirekte Methode der Triangulierung, deren Wesen darin besteht, daß in der Richtung zwischen 1 und 2 ein System aneinander hängender Dreiecke angeordnet wird, in dem die Winkel gemessen werden, so daß, wenn in irgend einem Dreieck eine feste gemessen ist, alle Dreieckseiten und daraus der Abstand der Punkte 1 und 2, bei der Ableitung von α aus den Polhöhen, der Abstand der Parallelkreise von 1 und 2 in linearem Maß ausgedrückt werden kann. (Weiteres s. Triangulierung.)
Die ältesten Erdmessungen. Nach diesem einfachen Prinzip sind schon im Altertume nach Erkennung bezw. Vermutung der Kugelgestalt (Pythagoras, Archimedes, Aristoteles) Messungen unternommen worden. Die wesentlichsten Daten der Geschichte dieses Teils der Erdmessung sind: Eratosthenes, 220 v. Chr., Bogen Alexandrien-Syene am Nil; Posidonius, 85 v. Chr., Bogen Alexandrien-Rhodus; die arabische Messung (Chalid ben Abdulmelik und Ali ben Isa) 827 u. Chr., Bogen in der arabischen Wüste; dann lange Pause im Mittelalter, dann in Europa: der Franzose Fernel 1527, Bogen Paris-Amiens, der Holländer Snellius 1615, Bogen Bergen-Alkmar, der Holländer Blaeu (nach 1600) Bogen an der holländischen Küste, der Engländer Norwood (1633), Bogen London-York.
Das geometrische Prinzip war bei allen diesen Messungen das gleiche, nämlich das der astronomischen Meridianbogenmessung; die Ausführung und deren Hilfsmittel den Zeiten entsprechend verschieden. Die Bestimmungen der Alexandriner beruhten für m auf Schätzungen (Wegelänge, Fahrzeit), für α = Z1 Z2 auf genäherten Annahmen (Z = 0 bezw. Z = 90°) und Messung mit rohen Hilfsmitteln; die der Araber schon allein auf Messung, für m auf Messung mit Meßleinen, für die Polhöhen mit primitiven Meridiankreisen. Den abendländischen Messungen standen für die Polhöhen die schon weiter entwickelten Quadranten und Zenitsektoren zur Verfügung; jedoch bereiteten die Geländehindernisse der genauen Bestimmung von m unüberwindliche Schwierigkeiten (Fernel benutzte den bekannten Umfang eines Wagenrades, Blaeu und Norwood maßen 100 bezw. 300 km mit Meßrute und Meßkette). Diese Schwierigkeiten beseitigte Snellius 1615 durch Einführung der Triangulierung (s.d.), womit in technischer Hinsicht ein bedeutender Fortschritt gemacht wurde, der bald auch die Erdmessung in neue Bahnen lenkte. Des Snellius' Meßinstrumente waren für die Winkelmessung Quadranten (2' und 21/2' Radius), für die Polhöhenbestimmung ein (51/2') Quadrant. Die nächste, nach Snellius' Methode ausgeführte Arbeit leitet schon den Beginn der exakten Messungen ein: es ist die Unternehmung Picards 16691670, unterstützt durch die eben gegründete Pariser Akademie der Wissenschaften. Die Messung fand statt nördlich von Paris zwischen zwei Punkten im Meridian von Paris. Als Winkelmeßinstrument diente ein eiserner Quadrant mit Transversalenteilung in Minuten und einem mit der Alhidade beweglichen Fernrohr mit Fadenkreuzen aus schwarzer Seide (erste Anwendung des Zielfernrohrs mit Fadenkreuz). Zur Polhöhenbestimmung diente ein 10' Zenitsektor (Transversalenteilung mit 20'' Ableitung) [10]. (Ueber die Basis s. Basismessung.) In diesen Hilfsmitteln, der Maßbestimmung, überhaupt der ganzen Anlage der Arbeit tritt ein erheblicher Fortschritt hervor, dem die Bedeutung der Messung entspricht.
Hypothese des abgeplatteten Rotationsellipsoids. Auf die Tatsache, daß die Erde ein Umdrehungskörper ist und daß dementsprechend nach den von Newton und Huyghens begründeten dynamischen Theorien ihre Umdrehungsachse kürzer sein muß als die Aequatorialachse, gründet sich die Hypothese: Die Erdfigur, dargestellt durch die Meeresoberfläche, ist ein an den Polen abgeplattetes Rotationsellipsoid. Die geometrische Aufgabe ist: Prüfung der Hypothese und Ermittlung der Abmessungen des Ellipsoides, d.h. derjenigen der rotierenden Ellipse, also eines Meridianschnitts im Meeresspiegel.
Sind in Fig. 3 a und b die große und kleine Halbachse, so ist die Krümmung der Kurve bei A stärker als bei P und dementsprechend der diese. Krümmung ausdrückende Krümmungsradius bei A kleiner als bei P. Sind φ1 φ2 und ψI ψII die von den Normalen in den Punkten 1, 2 und I, II mit der Aequatorialachse gebildeten Winkel, d.h. die Polhöhen (geographischen Breiten) der betreffenden Punkte, so ist m = (φ2 φ1) r : ρ und M = (ψII ψI) R : ρ. Wobei r und R die zu den Mitten der kleinen Meridianbogen m und M gehörenden Krümmungsradien bedeuten (ρ = Kreiskonstante). Werden die Unterschiede der Polhöhen in den Endpunkten m und M einander gleich gesetzt und ihnen ein bestimmter Wert (z.B. 1°) gegeben, also φ2 φ1 = ψII ψI = 1°, so ist M1° > m1°, d.h. die linearen Längen der zu gleichen Polhöhenunterschieden gehörenden Meridianbogen wachsen mit zunehmender Breite. Dieser Unterschied der zu der Polhöhendifferenz von 1° gehörenden Bögen, der »Gradbögen«, gibt die Abweichung von der Kugelgestalt, bei der M1° = m1° sein müßte, zu erkennen, die durch Messungen, die danach den Namen »Gradmessungen« führen, zu bestimmen ist.
Unter Zugrundelegung der Gleichungen für die Ellipse lassen sich die Dimensionen der Meridianellipse a und b oder, da die Beziehung zwischen a und b auch vermittelt wird durch die numerische Exzentrizität
durch a und e bestimmen, sobald nur zwei
Gleichungen für die Ableitung dieser beiden Unbekannten vorliegen. Einen Ausdruck für das Verhältnis der beiden Halbachsen a und b zueinander liefert der Quotient
[481] den man die Abplattung nennt. Die zur Ableitung der Unbekannten erforderlichen Gleichungen werden gewonnen durch Einführung der Gleichungen für die Krümmungsradien r, R in die oben für die Meridianbogen m und M angegebenen Beziehungen. Es ist
Daraus ergeben sich, sobald wie früher bei der Kugel die Polhöhen und durch Triangulierung (s.d.) die Längen der Meridianbogen aus den auf den Meeresspiegel reduzierten Basiswerten (s. Basis) ermittelt sind, die Unbekannten e, a und p sowie b. Aus diesen können dann Oberfläche, Volumen u.s.w. des Ellipsoids berechnet werden.
Liegen nicht nur zwei Bögen, sondern eine Anzahl von Messungen vor, so können die Unbekannten so bestimmt werden, daß sie unter Erfüllung gewisser Bedingungen den Messungen sich möglichst anpassen, z.B. so, daß die Quadratsumme der Polhöhenverbesserungen bei unveränderten Bogenlängen ein Minimum wird. Die Rechnungsvorschriften hierzu ergeben sich aus der Methode der kleinsten Quadrate. Diese Bestimmung der Dimensionen der Meridianellipsen aus Meridianbogen und Breiten-(Polhöhen-) unterschieden bezeichnet man als »Breitengradmessungen« zur Unterscheidung von andern Methoden. Wird nämlich ein Erdbogen so angeordnet, daß er nicht im Meridian liegt, sondern in den Punkten 1 und 2 sich die Azimute α1 und α2 ergeben, so lassen sich aus diesem einen Erdbogen (geodätische Linie) und den Polhöhen und Azimuten in seinen Endpunkten die unbekannten Ellipsoiddimensionen ableiten, wobei auch (besonders für Bögen in der Nähe des Aequators) die geographischen Längenunterschiede der Endpunkte geeignete Verwendung finden können. Werden die Erdbögen anstatt in Meridianen in Parallelkreisen gemessen, so daß die zu den betreffenden Bögen in den. Parallelschnitten gehörenden Zentriwinkel den Winkeln, welche die Meridianebenen der Endpunkte einschließen, entsprechen, so lassen sich, sobald zwei Parallelbogen in verschiedenen Breiten nebst den zugehörigen geographischen Längenunterschieden gemessen sind, auf Grund der Ellipsoidgleichungen die Dimensionen des Ellipsoids berechnen. Diese Messungen von Bögen in Parallelkreisen, die man »Längengradmessungen« nennt, werden nicht in erster Linie unternommen, um die Ellipsoiddimensionen zu bestimmen, sondern um die Krümmung der Parallelbogen zu untersuchen (s. weiter unten).
Die Periode der exakten Gradmessungen. Die Folgerungen der Newton-Huyghensschen Theorien und die bei der Picardschen Messung entstandenen Bedenken (unbegründete Vermutungen über eiförmige Gestalt des Erdkörpers waren schon früher aufgetaucht) führten zur Verwerfung der Kugelhypothese und zu den ausgedehnten Unternehmungen des 18. Jahrhunderts, von denen die erste gegen Ende des 17. Jahrhunderts von der Pariser Akademie der Wissenschaften in Gang gebracht wurde. Damit beginnt die Zeit der exakten Gradmessungen, deren Ergebnisse (grundlegend für die auf sie gestützten Landesvermessungen) im Laufe von zwei Jahrhunderten mit der allmählichen Entwicklung der mathematischen Theorien (Trigonometrie, ellipsoidische Rechnung, Logarithmen, Logarithmentafeln), der Ausbildung der instrumentellen Hilfsmittel (Fernrohr, Libelle, Mikrometer, Nonius, Schraubenmikroskop, Teilung, Basisapparat, Theodolit, Universalinstrument, Passageinstrument) und der gesamten geodätischen und astronomischen Beobachtungstechnik (Triangulierung, Winkelmessung, Basismessung, Pendelmessung, Polhöhen- und Längendifferenzbestimmungen) nach und nach bis zu ihrer heutigen Genauigkeit und Bedeutung fortschritten. Dem Vorgange Frankreichs folgten bald eine Anzahl andrer Länder, zuerst vereinzelt und ohne Zusammenhang, bis in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die »mitteleuropäische« (1861) und die »europäische (1866) Gradmessung« die europäischen Arbeiten zusammenfaßte und heute die gesamte geodätische Tätigkeit zu gemeinschaftlicher Arbeit in der »internationalen Erdmessung« (seit 1886) vereinigt ist. Die wesentlichsten dieser in wissenschaftlicher und technischer Hinsicht hochbedeutenden Arbeiten (übersichtliche historische Darstellungen finden sich in [5]) sind: 16801720: Französische Gradmessung, Fortsetzung der Picardschen bis zur Nord- und Südgrenze Frankreichs im Meridian von Paris, durch die beiden Cassini, Vater und Sohn, und De la Hire. Das Resultat, ein Gradbogen südlich Paris = 57097 Toisen, nördlich Paris = 56960 Toisen, widersprach den Newton-Huyghensschen Theorien, gab Anlaß zu einem heftigen Streit der französischen und englischen Gelehrten und führte zu den Gradmessungsexpeditionen nach Peru 1735 durch Bouguer und Lacondamine nebst andern und nach Lappland 1736 durch Maupertuis, Clairaut, Celsius u.a. Das Resultat war: ein Gradbogen in Peru, mittlere Polhöhe 1°31', = 56736 Toisen, in Lappland mittlere Polhöhe + 66°20', = 57438 Toisen. Demnach also (mit Einschluß der Messungen in Frankreich) das Zunehmen der Gradbogenlänge vom Aequator bis zum Pol, d.h. die polare Abplattung bestätigt und die Streitfrage im Sinne der Newton-Huyghensschen Theorie erledigt. Spätere Neubearbeitungen der französischen Messungen (1739 durch Cassini de Thury und Lacaille) mit verbessertem Verfahren und Hilfsmitteln beseitigten auch die Widersprüche für das Meridianstück in Frankreich. Weitere Gradmessungen brachten Bestimmungen an verschiedenen Punkten der Erdoberfläche und vermehrten das Material zur Bestimmung des Ellipsoides, z.B. die Messungen am Kap der guten Hoffnung 1751 durch Lacaille, im Kirchenstaat 1751 durch Boscovich und Lemaire, in Oberitalien 1764 durch Beccaria, in Nordamerika 1764 durch Mason und Dixon, in Oesterreich-Ungarn 1770 durch Liesganig, in England 1783 durch Roy und Dalby, in Englisch-Ostindien 1790 durch Burrow, in Frankreich 1792 die »große französische Gradmessung« zur Einführung des metrischen Systems. Durch letztere Messung sollte unter Zugrundelegung der ellipsoidischen Erdgestalt aus dem in Frankreich liegenden Teile des Pariser Meridians die Länge des Meridianquadranten vom Aequator bis zum Pol errechnet und dessen zehnmillionter Teil als natürliche, am Erdkörper unveränderlich[482] aufbewahrte Maßeinheit bestimmt werden. Daß dieses Prinzip nach unsern heutigen Anschauungen und Kenntnissen ein irrtümliches war, beeinträchtigt durchaus nicht die Zweckmäßigkeit des damit gewonnenen, später konventionell gewordenen internationalen Maßsystems; für die Erdmessung aber bedeutet die französische, mit reichen Hilfsmitteln unternommene Arbeit einen erheblichen Fortschritt durch die Entwicklung der geodätischen Methoden und Operationen (Delambre, Mechaine, Borda, Laplace, Lagrange).
Der Anfang des 19. Jahrhunderts brachte eine Reihe weiterer Messungen, von denen wir hervorheben: die Neumessung des lappländischen Bogens durch Svanberg, die Fortführung der englischen Gradmessungen (später bis zu den Shetlandsinseln durch Mudge, Kater, James, Clarke), der französischen bis zu den Balearen (durch Biot und Arago), die zweite ostindische Messung (durch Lambton und Everest), die zweite Messung am Kap der guten Hoffnung (durch Maclear), die russische Gradmessung (durch Struve und Tenner), und vornehmlich die dänische Gradmessung 1816 (Schumacher, Andrae), die hannoversche 1821 (Gauß), ostpreußische 1831 (Bessel, Baeyer). Diese letzteren, an Umfang zwar kleinen Messungen sind besonders ausgezeichnet durch die Ausbildung der Theorien, der Beobachtungs- und Berechnungsmethoden, die dadurch im wesentlichsten auf ihren heutigen Standpunkt gebracht wurden [11] und [12].
Die Dimensionen des Erdellipsoides. Aus den Ergebnissen der obengenannten Breitengradmessungen, d.h. den Polhöhenunterschieden und den zugehörigen Meridianbogen, wurden die Erddimensionen, d.h. die Achsenlängen, die Abplattung und die sonstigen Werte für das Ellipsoid bestimmt von Legendre (1805 aus 4 Bögen), Walbeck (1819 aus 5 Gradmessungen), Schmidt (1828 aus 6 Gradmessungen mit 25 Polhöhen), Airy (1830 aus 14 Gradmessungen) und endlich Bessel (1837 und 1841). Bessels klassische Arbeit ist vor allen andern dadurch ausgezeichnet, daß, in voller Erkenntnis der im zweiten Abschnitt zu gebenden Definitionen, das Beobachtungsmaterial einer sorgfältigen Kritik unterzogen wurde [13]. Seine Erddimensionen, abgeleitet aus 10 Gradmessungen, zwischen 3° und + 67° Breite verteilt, zusammen einer Ausdehnung von rund 50 Breitengraden entsprechend, mit 38 Polhöhen, liegen den meisten europäischen landesvermessungen zugrunde und werden diesem Zweck auch wohl noch auf lange Zeit hinaus dienen. Es sind die folgenden: Große Halbachse a = 6377397,15 m, log a = 6 · 8046434637; kleine Halbachse b = 6356078,96 m, log b = 6 · 8031892839; Abplattung p = 1 : 299,1528 = 0,00334277. Exzentrizität e = 0,0816968304, log e = 8 · 9122052075 10. Meridianumfang = 40003423,05 m. Meridianquadrant = 10000855,76 m. Aequatorumfang = 40070368,10 m. Ein Aequatorgradbogen = 111306,578 m. Eine geographische Meile = 1/15 Aequatorgrad = 7420,439 m. Oberfläche des Ellipsoids = 509950714,3 Quadratkilometer. Kubikinhalt des Ellipsoids = 1082841322500 Kubikkilometer. Radius desjenigen Kreises, der denselben Umfang wie eine Meridianellipse hat = 6366742,52 m. Radius derjenigen Kugel, welche dieselbe Oberfläche wie das Ellipsoid hat = 6370289,51 m. Radius derjenigen Kugel, die denselben Inhalt wie das Ellipsoid hat = 6370283,16 m.
Neuere Bestimmungen sind vorgenommen von Clarke 1856, 1866 und 1880 [6]; seine Ergebnisse in Meter umgewandelt sind: a = 6378249 m, b = 6356515 m, Abplattung = 1 : 293,466. Andre Bestimmungen für die besonderen, im nächsten Abschnitt angegebenen Untersuchungen liegen vor von Helmert (Referenzellipsoid), Listing (typisches Ellipsoid) u.a. S.a. [14], [15].
Die Abweichungen der Ergebnisse für das Erdellipsoid bei der Berechnung aus verschiedenen Gradmessungen und die Kritik der bei den einzelnen Bögen auftretenden Anomalien ließen auf eine verschiedene Krümmung der Meridiane schließen und gaben der Vermutung Raum, daß auch die Parallelschnitte nicht Kreise, sondern Ellipsen sein könnten. Damit ergab sich die Notwendigkeit der Untersuchung der Krümmung in der Richtung der Parallelen durch die schon erwähnten Längengradmessungen, die im Laufe der Zeit durch die Ausbildung der telegraphischen Bestimmung der Längendifferenzen von großer Bedeutung wurden. Die erste dieser Längengradmessungen war zu Anfang des 19. Jahrhunderts die französisch-sardinisch-österreichische unter dem 45. Breitengrade zwischen Bordeaux und Fiume. Weitere Längengradmessungen wurden geplant besonders im Anschluß an die allmählich an Ausdehnung zunehmenden und ein reiches Material liefernden Landesvermessungen. Ein französisch-bayrisch-österreichischer Bogen von Brest bis Wien und ein solcher auf dem 52. Breitengrade, vom Ural bis zur irischen Küste, über 68° Längenunterschied umfassend (eine englisch-deutsch-russische Unternehmung), wurden begonnen. Das Ergebnis der auf die fertiggestellten Teile dieser Bögen sich erstreckenden Untersuchungen war, daß tatsächlich Abweichungen von der Kreisform vorhanden sind. Dagegen führten die auf der Vermutung, die Parallelschnitte seien auch Ellipsen, beruhenden (auf theoretische Untersuchungen besonders von Jacobi 1834 genützten) Versuche, ein dreiachsiges Ellipsoid aus den Messungen abzuleiten, sowie auch mehrere andre Versuche zu keinem Erfolge [14]. Es gewann vielmehr die schon vorher als Vermutung aufgetauchte Anschauung, daß die Erdfigur eine unregelmäßige, gar nicht durch eine einfache Formel ausdrückbare Form habe, eine feste Gestalt.
Um weiteres Beobachtungsmaterial neben den schon erwähnten Längengradmessungen sowie dem englisch-französisch-spanischen Breitenbogen von 28° Amplitude und dem russisch-finnischen Bogen von 26° Amplitude zunächst für Mitteleuropa in dem Rahmen zwischen den Meridianen von Bonn und Königsberg bis zu den Parallelen von Christiania und Palermo zu beschaffen, unternahm es Baeyer, die bisher vereinzelten Grad- und Landesvermessungen der mitteleuropäischen Staaten durch eine geodätische Vereinigung dieser Staaten zu einem einheitlichen System zusammenzufassen. Damit rief er 1861 die schon erwähnte »mitteleuropäische« Gradmessung ins Leben, die sich 1866 zur »europäischen« erweiterte. Ihre wissenschaftliche und administrative Vertretung fand die Vereinigung in ihrer »permanenten Kommission« und dem »Zentralbureau« in Berlin. Auf den jährlichen Zusammenkünften und den alle drei Jahre[483] zusammentretenden Generalkonferenzen werden die Aufgaben diskutiert und über die Fortführung derselben berichtet. Das Zentralbureau wurde nach einer Neuorganisation in Preußen 1869 mit dem neugegründeten Geodätischen Institut unter Baeyers Direktion vereinigt. Eine Darstellung der umfassenden Arbeiten dieser Vereinigung zu geben, ist hier unmöglich; es muß verwiesen werden auf die laufenden Berichte, Protokolle und Verhandlungen der Permanenten Kommission und der Generalkonferenzen [2] sowie auch eine ganze Reihe besonderer Arbeiten, die sich zusammengestellt finden in [1]. Als in allgemeinem Interesse hervortretend sei nur erwähnt: die Prüfung und Regulierung des Maßsystemes für die Grundlinienmessung, aus der in Paris 1875 die internationale Meterkonvention hervorging; ferner der trigonometrische und astronomische Anschluß der Gradmessungssysteme der einzelnen Länder, besonders durch telegraphische Längendifferenzen, woraus 1883 (in Rom, 7. Generalkonferenz) eine Einigung über einen einheitlichen Anfangsmeridian (Greenwich) sich ergab. Als nach dem Tode des Begründers der Vereinigung die Direktion des preußischen Geodätischen Institutes an Helmert überging und in Verbindung damit eine Neuorganisation desselben vorgenommen worden war, trat 1886 eine abermalige Erweiterung der Aufgabe und des Gebietes ein: die europäische Gradmessung entwickelte sich zur »internationalen Erdmessung«, die ihre Aufgaben in dem Sinne der im nächsten Abschnitt zu erläuternden Auffassung der Erdfigur zur Durchführung bringt.
Vorausgreifend soll hier schon erwähnt werden, daß in den letzten Jahrzehnten die internationalen Triangulierungsketten immer weitere Ausdehnung gewonnen haben. So sind neben den obenerwähnten europäischen Ketten und deren Ausgestaltung die ausgedehnten nordamerikanischen Unternehmungen getreten; eine große Meridiankette von 23° Ausdehnung in Breite auf dem 98° Meridian, eine transkontinentale Längengradmessung auf 39° Breite. Die alte peruanische Gradmessung wird in erweiterter Ausdehnung neu gemacht, so daß, wenn diese einerseits zum Kap Horn, anderseits nach Mexiko fortgeführt wird, in Zukunft eine durchlaufende Kette durch Nord- und Südamerika zu erwarten ist. In Afrika sind die Messungen im Kapland nach Norden erweitert worden und schon in Aussicht genommen, eine Afrika vom Kap bis Kairo längs 30° Länge durchsetzende Kette, die dann mit den europäischen Ketten bis Spitzbergen in Verbindung gebracht werden kann. Ebenso ist geplant der Anschluß der europäisch-russischen Ketten an die englischen Messungen in Indien.
II. Analyse der Erdfigur und Erdmessung.
Wird die Erde aufgefaßt als ein sich um eine Achse drehender Körper von nahezu ellipsoidischer Oberflächengestaltung, an der jeder Punkt dem Einfluß der Schwungkraft und Schwerkraft unterworfen ist, so läßt sich die Wirkung dieser beiden Kräfte ausdrücken durch ihr kombiniertes Potential, die Kräftefunktion. Der geometrische Ort der Punkte gleichen Potentiales heißt Niveaufläche (mit der Gleichung: Potentialwert W = Konstans). Die mathematische Analyse dieser Flächen lehrt ihre Eigenschaften in geometrischer wie in dynamischer Hinsicht kennen. Die zu einer allgemeinen Erläuterung der Aufgabe der Erdmessung in Betracht kommenden wichtigsten Sätze dieser Theorie der Niveauflächen (s. Potential) sind nach [3] und [4] die folgenden: Eine Niveaufläche ist eine stetig gebogene Fläche. Durch einen bestimmten Punkt geht nur eine einzige Niveaufläche. Die Richtung der Schwerkraft, d.h. die Lotrichtung, fällt in die Flächennormale. Die Größe der Schwere ist eine Funktion des Flächenortes. Niveauflächen von verschiedenen Werten W umschließen sich schalenartig, wobei die Werte W nach außen abnehmen. Der in den Lotlinien gemessene Abstand dh benachbarter Niveauflächen ist eine Funktion der Potentialdifferenz für die betreffenden Niveaupunkte, so daß das Produkt g · dh konstant ist. Daraus folgt, daß der Abstand benachbarter Niveauflächen eine Funktion der Flächenorte ist, und umgekehrt proportional g, d.h. die Niveauflächen sind keine Parallelflächen. Eine Lotlinie, welche die Schar der Niveauflächen vertikal durchstößt, ist dementsprechend eine Linie doppelter Krümmung, die Tangenten an diese in bestimmten Punkten entsprechen den »Lotrichtungen dieser Punkte«.
Wird die Gleichung für die Kräftefunktion auf die Hauptglieder beschränkt, weil nach der bisherigen Kenntnis des Erdkörpers die übrigen Glieder (welche je nach Bedürfnis mitgeführt werden können) von solcher Ordnung sind, daß sie nicht in Betracht kommen, so ergibt sich eine angemessene erste Näherung für die Funktionsfläche; man nennt diese ihrem Ausdruck nach vereinfachte Fläche »Niveausphäroid« oder kurzweg »Sphäroid« und »Erdsphäroid« (Ausdruck W0 = U = Konstante).
Wird für die Funktion U die Gleichung für die Verteilung der Schwerkraft längs der Oberfläche entwickelt, so ergibt sich, daß ein derartiges Niveausphäroid einer zur Aequatorebene (Radius a) symmetrischen Rotationsfläche entspricht, deren Drehachse die Polarachse ist. Weiter ergibt sich, daß, wenn für die Verteilung der Schwere g längs eines Meridianschnittes die Gleichung g = ga (1 + B sin2 φ) eingeführt wird (ga = Schwere am Aequator, φ = Polhöhe, B eine Konstante), die Beziehung zwischen der großen und kleinen Halbachse, der Abplattung p = (a b) : a und der Schwerkraft g, sich durch das in Bd. 2, S. 469, angeführte Clairautsche Theorem darstellen läßt. Werden in den Gleichungen für U weitere Glieder angesetzt, so modifizieren sich auch dementsprechend die Gleichungen für die Beziehungen zwischen a, b, p und g, und damit auch die das Clairautsche Theorem ausdrückenden Gleichungen, das dadurch eine entsprechende Erweiterung erfährt [3], Bd. 2, S. 74. Wird die Polargleichung des Meridianschnittes für dieses Niveausphäroid aufgeteilt und mit derjenigen einer Ellipse von gleicher Achse a verglichen, so zeigt sich, daß die Abweichung zwischen dem Sphäroidschnitt und der Ellipse für das Erdsphäroid gering ist. Den abgekürzten Ausdrücken U für die Niveauflächen W lassen sich mit Rücksicht auf die Verhältnisse des Erdkörpers bestimmte Formen geben, um sie mit einem einfachen mathematischen Körper, dem Rotationsellipsoide, in passende Uebereinstimmung zu bringen. Wird zu dem Zweck für die Verteilung der Schwere die abgekürzte[484] zweigliedrige Beziehung g = ga (1 + B sin2 φ) eingeführt und mit den empirisch bestimmten Koeffizienten in dem Potentialwert U die Konstanten desselben abgeleitet, so erhält man ein Niveausphäroid, das Helmert [3], Bd. 2, S. 89, als die Normalform des Sphäroids bezeichnet (Bruns [4], S. 16, wählt eine etwas andre Normalform). Diese Normalformen des Niveausphäroids weichen von einem Rotationsellipsoide gleicher Abplattung (Quotient [a b] : a) um so geringe Beträge ab (Maximum der Abweichung bei φ = 45° nach Helmert 12,7 m, Bruns 19,1 m), daß für die Aufgaben der Erdmessung ohne weiteres das der Meeresfläche entsprechende Erdsphäroid in hinreichender Uebereinstimmung als ein abgeplattetes Rotationsellipsoid angesehen werden und demnach die Berechnungen auf dem Normalsphäroid nach den für das Ellipsoid gültigen Rechnungsvorschriften erfolgen kann. Die früher besprochenen auf das Ellipsoid bezogenen Rechnungen für die Gradmessungssysteme dürfen daher in diesem Sinne auch auf das Normalsphäroid und in der gleichen Auffassung auch das Clairautsche Theorem oder seine Erweiterung auf das Ellipsoid übertragen werden. Diese Identifizierung von Sphäroid und Ellipsoid gilt nicht allein für eine bestimmte Niveaufläche, sondern für alle in der Nähe der Erdoberfläche verlaufenden, mit der oben definierten Normalform.
Es kann demnach als allgemeiner Ausdruck für die Erdgestalt unter den unendlich vielen Niveauflächen, die der für die Beobachtung zugänglichen physischen Erdoberfläche angehören, irgend eine gewählt werden, z.B. diejenige, die im allgemeinen dem Meeresspiegel entspricht. Dadurch ist ein Ausdruck gewonnen, der, da die Meeresfläche eine freie, dem Einfluß der auf sie wirkenden Kräfte folgende Flüssigkeitsoberfläche und etwa drei Viertel der Gesamtoberfläche ist, als eine sichtbare Niveaufläche die Erdgestalt repräsentiert, die man sich innerhalb der Kontinente als eine geschlossene Fläche fortgesetzt denken kann (Gauß und Bessel) [16]. Diese so definierte Erdgestalt nennt man nach Listing das »Geoid« [14]. Da nun aber der Erdkörper, wie wir an seiner erstarrten, unregelmäßig geschichteten Kruste unmittelbar erkennen, eine wechselnde Massenanordnung zeigt, so kann das »Geoid« nicht die bisher betrachtete einfache sphäroidische (ellipsoidische) Gestalt haben, sondern es wird dasselbe der tatsächlich vorliegenden, unregelmäßigen Massenanordnung entsprechende Ausbiegungen (Deformationen) gegenüber dem Sphäroid zeigen.
Eine Vorstellung von dem Betrage und dem Verlaufe dieser Deformationen läßt sich a priori durch synthetische Untersuchungen über den Einfluß gegebener Massen auf die Niveaufläche gewinnen. In dieser Weise hat Helmert (mit Verwendung eines von Bruns aufgestellten Theorems) durch Einführung eines besonderen Untersuchungsverfahrens (der Kondensation, das ist Massenverdichtung auf bestimmte Hilfsflächen) ein Bild theoretischer Geoidformen entworfen [3], Bd. 2, S. 266. Nach den neuesten Ergebnissen ist Helmert der Anfleht, daß die durch die Kontinentalmassen bedingten Ausbiegungen des Geoids gegenüber dem Sphäroid etwa innerhalb + 100 m bleiben und die sekundären Ausbiegungen innerhalb der Kontinente entsprechend der sichtbaren und unsichtbaren Massenlagerung der Kruste in der Regel wohl nicht mehrere Meter übersteigen. Ganz allgemein kann man daher das Geoid auffassen als ein verjüngtes Abbild der sichtbaren und unsichtbaren Massen der physischen Oberfläche, wobei das Geoid zwar nicht Berge und Täler zeigt, sondern nur Zu- und Abnahme der im allgemeinen nach der Ellipsoidgleichung verlaufenden Krümmung. Dabei können die lokalen Krümmungsradien auch bei nur schwach ausgeprägten Undulationen selbst innerhalb eng begrenzter Gebiete erheblichen Wechseln unterworfen sein. Daraus ergeben sich als weitere Folgerungen, daß auch die Lotlinien Kurven unbekannter Krümmung sind, die Lotrichtungen die Erdachse nicht notwendig schneiden müssen, daß Geoidäquator, -parallelen und -meridiane Kurven doppelter Krümmung sein werden.
Die Erde ist demnach nicht mehr aufzufassen als der in dem ersten Abschnitt betrachtete, einfach zu definierende mathematische Körper, Kugel oder Ellipsoid, sondern die die Erdgestalt im Sinne der heutigen Erdmessung repräsentierende Fläche, das Meeresspiegelgeoid, ist eine unregelmäßig gestaltete Gleichgewichtsfläche. Die Aufgabe der Erdmessung ist es nun, auf Grund der Analyse der Erdfigur die Ergebnisse der auf ein bestimmtes Ellipsoid bezogenen Gradmessungen einer Kritik zu unterziehen und, soweit erforderlich, besser den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Werte für das Normalsphäroid abzuleiten, sodann die Geoidformen zu bestimmen oder in allgemeiner Auffassung des Problems nach [4] Beiträge zur Aufstellung der Gleichung W der Kräftefunktionen zu liefern und weiterhin Aufschluß über die Massenanordnung in der Erdkruste zu geben.
Bei der Lösung dieser Aufgabe ist nach der obigen Definition zu beachten, daß die Messungspunkte der Gradmessungssysteme auf der physischen Erdoberfläche liegen, daß die durch die Punkte hindurchgehende Schar der Niveauflächen nach ihrem Bildungsgesetz, ihrer gegenseitigen Lage zueinander sowie zum Geoid unbekannt sind, und dementsprechend auch die Richtung der Lote in den betreffenden Punkten. Es ist klar, daß wegen der Lage der in sich geschlossenen Gradmessungssysteme auf den Gipfeln oder Hängen der unbekannten Geoidfläche gar kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Ergebnissen verschiedener Gradmessungen in der früher der Bestimmung der Erddimensionen zugrunde gelegten Weise bestehen kann, daß die Resultate sich auf verschieden gekrümmte Flächenstücke beziehen, deren Lage zur Umdrehungsachse ebenfalls unbekannt bleibt. Werden für die einzelnen in sich geschlossenen Gradmessungssysteme unabhängig voneinander Ellipsoide so berechnet, daß sie sich den Messungen möglichst anpassen, so erhält man damit Ellipsoide verschiedener Dimensionen und Abplattung, die miteinander nichts gemein haben als die Parallelität ihrer Achsen und mit der Erdachse (innerhalb enger Grenzen). Werden endlich für alle Gradmessungen gleiche Dimensionen (a und b) für die Ellipsoide eingeführt, z.B. so, daß sie allen Messungen möglichst genügen, so erhält man damit doch keinen weiteren Zusammenhang für die Gradmessungssysteme, als daß sie in bezug auf die ihnen entsprechende Richtung der kleinen Achse zur Umdrehungsachse orientiert werden;[485] der Abstand der Ellipsoidachsen untereinander sowie vom Schwerpunkt der Erde bleibt unbestimmt. Selbst wenn über die ganze Erdoberfläche ein in sich geschlossenes Gradmessungssystem geschaffen (was unmöglich ist) und unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Reduktionen berechnet würde, so könnte damit zwar ein einziges, allen Messungen möglichst entsprechen des Rechnungsellipsoid gewonnen werden; aber über die Lage des Erdschwerpunktes und der Erdachse zu diesem geometrischen System wäre damit nichts bestimmt. Das kann auch durch Gradmessungen allein nicht geleistet werden, da gar kein Zusammenhang zwischen der nach geometrischen Grundsätzen bestimmten Ellipsoidachse und der nach dynamischen Grundsätzen gelagerten Erdachse besteht. Der erforderliche Zusammenhang kann nur durch eine in entsprechender Weise anzuordnende Kombination geometrischer und dynamischer Bestimmungen erzielt werden. Dementsprechend sind auch die von der modernen Erdmessung zur Lösung ihrer Aufgaben auszuführenden Messungen sowohl geometrischer als dynamischer Natur.
Die geometrischen Bestimmungen des Geoids. Die aus den Gradmessungen gewonnenen Resultate für das Ellipsoid, z.B. das von Bessel oder Clarke, werden als Vergleichsfiguren (Referenz-Ellipsoid) den Untersuchungen zugrunde gelegt. Für irgend einen geeigneten Punkt der Gradmessungssysteme wird diese Vergleichsfigur in eine bestimmte Beziehung zur unbekannten Geoidfläche gebracht, z.B. dadurch, daß die Lotrichtung für das Rechnungsellipsoid mit der Punkt- bezw. Geoidlotrichtung zusammenfällt. Wird dann das Gradmessungssystem auf dem Ellipsoid nach Polhöhen φ, Längen λ und Azimuten ausgewertet (s. Koordinaten, geodätische), indem aus den Dreieckswinkeln und Seiten die ellipsoidischen Polhöhen, Längen und Azimute, ausgehend von dem gewählten Zentralpunkt, berechnet werden, so werden infolge der Abweichungen des Geoids vom Ellipsoide die unmittelbar beobachteten Polhöhen, Längen und Azimute mit den berechneten nicht übereinstimmen. Es wird sich eine Störung in der Uebereinstimmung dieser Werte zeigen. Diese Störung läßt sich ausdrücken durch die ihr entsprechende Abweichung der Flächennormalen, d.h. der Ellipsoidnormalen und der Lotrichtungen in den betreffenden Geoidpunkten, also gewissermaßen durch eine Störung der Lotrichtung, d.i. »Lotstörung«. (Diese Bezeichnung entspricht der durch gegebene Massen auftretenden Einwirkung auf die Lotrichtung.) Diese in einem bestimmten Rechnungssystem sich zeigenden »Lotabweichungen«, die, um sie bequem vergleichen und verzeichnen zu können, in ihre den Meridianen und Parallelen entsprechenden Komponenten (s. Lotabweichung) zerlegt werden, bieten dann ein Mittel, den Verlauf des Geoids im Vergleich zum gewählten Rechnungsellipsoid auszudrücken. Die Ermittlung dieser Lotabweichungskomponenten durch Vergleichung von unmittelbar beobachteten Polhöhen, geographischen Längenunterschieden und Azimuten, mit den aus den Gradmessungstriangulierungen berechneten Werten, wozu besondere Netzsysteme astronomisch-geodätischer Punkte angeordnet werden, macht auf Grund der in den letzten Jahrzehnten immer weiter ausgedehnten (s. oben) Haupttriangulierungen einen besonderen Teil der Aufgaben der Erdmessung aus. Sobald dann diese Lotabweichungsbestimmungen so ausgiebig für ein bestimmtes Gebiet vorliegen, daß sich ein regelmäßiger Verlauf derselben zu erkennen gibt, so kann versucht werden, ein Bild vom Verlaufe des Geoids oder vielmehr der den Lotabweichungen entsprechenden Fläche zu entwerfen. Zu dem Zweck werden in bestimmten Zügen, am einfachsten in meridionaler Richtung, die meridionalen Lotabweichungskomponenten benutzt. In einem solchen Meridianprofil entsprechen die Lotabweichungen den Richtungsunterschieden der Flächentangenten, so daß bei bekannten Entfernungen der Profilpunkte die Hebungen und Senkungen der Niveaufläche gegen das Ellipsoid als Horizont bestimmt werden können (unbekannt bleibt der absolute Wert der Ordinaten). Aus einem ganzen System derartiger Züge im Meridian, den Parallelen, und in beliebiger Richtung ergibt sich dann für eine Anzahl von Punkten der Verlauf der Abweichungsfläche (Geoid) zum Ellipsoid, der wie beim geometrischen Nivellement in Profilen oder durch Kurven gleichen Ellipsoidabstandes ausgedrückt werden kann. Helmert empfiehlt zur schnellen Erlangung eines Aufschlusses über den Verlauf der geoidischen Abweichungen Züge in meridionaler Richtung mit kleinen Punktabständen (etwa 10 km), wobei sich die Lotabweichungen unmittelbar aus den Polhöhenabweichungen ergeben; s. Nivellement, astronomisches. Nach diesem Verfahren sind diese Untersuchungen begonnen, die für die nächsten Dezennien eine der wesentlichsten Aufgaben der internationalen Erdmessung bilden werden (s.a. Lotabweichung). Wenn dann ein entsprechend ausgedehntes Beobachtungsmaterial für Lotabweichungen gesammelt ist, so können weitere Aufgaben gelöst werden; es kann ein besser entsprechendes Referenzellipsoid für das betreffende Ellipsoidstück berechnet werden; es können die Triangulierungen der Landesvermessungen mit Rücksicht auf die geoidischen Lotabweichungen entsprechend reduziert und ausgeglichen werden; und weiter können durch Diskussion der Ergebnisse von auf synthetischem Wege aus bekannten Massen berechneten Lotabweichungen und unmittelbar beobachteten Schlüsse auf Massenanomalien in der Erdkruste versucht werden, die besonders für die Geologie von Bedeutung sind. Im allgemeinen hat sich bei dem bis jetzt vorliegenden Material gezeigt, daß einerseits einzelne Gebiete, in denen keine lokale Lotstörung durch äußere sichtbare Massen zu erwarten waren (z.B. in der Umgegend von Leipzig, Berlin, Moskau) sich solche zeigen, und anderseits wieder bei hohe Gebirge (Teile der Alpen, Kaukasus, Himalaya) überschreitenden Gradmessungssystemen die beobachteten Lotabweichungen den aus den äußeren Massen berechneten ihrem Betrage nach nicht entsprechen, so daß sich als Ergebnis dieser Diskussion findet, daß die eine dynamische Wirkung äußernden Massen kleiner sein müssen als die nach der Konfiguration der physischen Erdoberfläche und der Zusammensetzung (Dichte) der sichtbaren Kruste in die Rechnung eingeführten, daß also irgend welche, nicht näher zu bezeichnenden Massendefekte zu vermuten sind. Besondere Bedeutung haben in neuerer Zeit auch die oben schon erwähnten ausgedehnten Längengradmessungen erlangt. So hat sich bei der europäischen Längengradmessung auf dem 52. Breitengrad [17] gezeigt, daß der Parallelkreis hier eine stärkere Krümmung[486] hat als das Vergleichsellipsoid, während die Meridiankrümmungen im allgemeinen besser entsprechen. Hierin spiegelt lieh der Einfluß der europäischen Kontinentmasse wider, die allerdings auch wieder erheblich geringere Einwirkung zeigt, als das der sichtbaren Masse nach der Fall sein sollte. Noch weitergehende Krümmungsanomalien haben lieh bei der nordamerikanischen transkontinentalen Längengradmessung in 39° Breite zu erkennen gegeben. Neben den erwähnten astronomisch-geometrischen Bestimmungsmethoden der geoidischen Abweichungen können auch rein geometrische Methoden zur Anwendung kommen, nämlich das trigonometrische und geometrische Nivellement [3], Bd. 2, S. 500, [4], S. 34, und zwar sowohl allein für sich als auch in Verbindung mit den astronomisch-geometrischen Gradmessungssystemen, wodurch eine hypothesenfreie Untersuchung der Geoidformen theoretisch möglich ist. Wegen der Refraktionsanomalien und der zurzeit noch vorhandenen Schwierigkeiten ihrer Elimination können aber diese Untersuchungsmethoden nur für lokal sehr begrenzte Gebiete Verwendung finden.
Dynamische Bestimmungsmethode durch das Pendel. Die Bestimmung der Abplattung aus Pendelmessungen (s. Pendelapparat). Wie oben angegeben, drückt das Clairautsche Theorem die Abplattung desjenigen Normalsphäroids aus, bei dem für die Schwereverteilung die Beziehung g = ga (1 + B sin2 φ) zugrunde gelegt ist. Sobald nun aus Pendelbeobachtungen in verschiedenen Breiten φ die Konstanten dieser Interpolationsformel für den Verlauf der Schwereintensität im Meeresspiegel bestimmt sind und damit die Pendelschwere am Aequator und Pol berechnet ist, ergibt sich nach der Clairautschen Formel der Abplattungswert (a b) : a. Eine solche Bestimmung hat Helmert 1884 [3], Bd. 2, S. 241, unter sorgfältiger Diskussion und Reduktion des Beobachtungsmaterials nach der von ihm entwickelten Kondensationstheorie ausgeführt und für die Abplattung den Wert 1 : 299,26 erhalten. Eine neue auf Grund weit umfangreicheren Beobachtungsmaterials von Helmert 1900 [18] unternommene Ableitung gab für die normale Schwere die Gleichung g = 9,78046 (1 + 0,005302 sin2 φ 0,000007 sin2 2φ) und damit die Abplattung 1 : 298,3. Diese beiden Werte für die Abplattung zeigen also nahe Uebereinstimmung mit dem Wert von Bessel. Dabei besteht aber wegen der unregelmäßigen Konstitution des Erdkörpers und der geoidischen Abweichungen kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem geometrisch-astronomischen Wert und diesem nach dynamischen Sätzen gewonnenen; es scheint jedoch, daß, je mehr das Beobachtungsmaterial sowie unsre Kenntnis vom Geoid und der Erdkruste sich erweitert, die beiden einander fremdartigen Methoden innerhalb gewisser Grenzen mehr und mehr in Uebereinstimmung kommen werden. Die dynamische Bestimmung der Abplattung hat wegen der leichteren Ausbreitung und passenderen Verteilung der Pendelmessungen über die Erde einen Vorzug vor derjenigen aus Gradmessungen, die in ihrer Anordnung beschränkt sind, dagegen allein die Bestimmung der Dimensionen leisten können. Ganz unabhängig von den bisher erwähnten Methoden kann auch ein Wert für die Abplattung auf rein astronomischem Wege, nämlich durch Bestimmung der Mondparallaxen, gefunden werden; diese Methode kann aber im wesentlichen nur zu einer Bestätigung der aus den Pendel- und Gradmessungen gewonnenen Ergebnisse dienen, während die theoretisch mögliche Untersuchung der geoidischen Deformationen durch Mondortsbestimmungen schwerlich Aussicht auf Erfolg hat [3], Bd. 2, S. 450. Bei der Auswertung der bisher ausgeführten Pendelbeobachtungen haben sich Abweichungen gezeigt, die einen gewissen systematischen Charakter verraten. Es erscheint nämlich die mit allen in Betracht kommenden Reduktionen versehene, in der Meeresniveaufläche gerechnete Schwere gegenüber der ihrer theoretischen Beziehung entsprechenden derart gestört, daß die Intensität auf dem Festlande im allgemeinen kleiner als an den Küsten, und hier wieder kleiner als auf den isolierten ozeanischen Inseln sich bestimmt. Da nun (vgl. oben) auch aus den Ergebnissen der Lotabweichungsbestimmungen die Wirkungen der sichtbaren Gebirgsmassen teilweise durch unterirdische Defekte kompensiert erscheinen, so liegt der Analogieschluß nahe, daß in ähnlicher Weise die Kontinente gewissermaßen leichtere Schollen der Erdkruste als die den Meeresboden bildenden Schichten sein könnten, oder in hypothetischer Form ausgedrückt: durch irgend welche Prozesse sind die Kontinentschollen aufgelockert und die Meeresböden verdichtet (wegen der großen Bedeutung, welche diese Ergebnisse der Erdmessung für die Geologie haben, ist eine Vereinigung der geodätischen und geologischen Forschung für erforderlich gehalten [2], von 1895, S. 27 und ins Werk gesetzt worden). Zur weiteren Untersuchung dieser Hypothese sind vor allen Dingen ausgedehnte Schwerebestimmungen notwendig, auf die daher auch der Arbeitsplan der internationalen Erdmessung besondere Rücksicht nimmt. Von ganz besonderer Wichtigkeit sind auch Bestimmungen der Schwere auf dem Meere. Diese sind nun neuerdings durch Vergleichung des Quecksilberbarometers mit dem Siedethermometer auf dem Schiff möglich geworden (s. Schweremessung) und haben bis jetzt ergeben, daß auf dem Atlantischen Ozean im allgemeinen die Schwere normal verläuft, d.h. sich in Uebereinstimmung mit der Hypothese der allgemeinen isostatischen Lagerung der Massen in der Erdoberfläche befindet [19]. In ähnlicher Weise wie für dieses weit ausgreifende Studium des Geoids läßt sich das Pendel auch für lokale Untersuchungen der Schwereverteilung verwenden und zwar durch Bestimmung relativer Abweichungen der Pendelschwere besonders im Gebirge (vgl. Pendelapparat, Schweremessung). Eine besondere Verwendung finden die Pendelbeobachtungen auch in Verbindung mit dem geometrischen Nivellement (s. Höhe, dynamische und orthometrische) zur Untersuchung der durch den Meeresspiegel ausgedrückten Niveaufläche, also gewissermaßen zu der Prüfung, inwieweit die von ozeanischen Bewegungen befreite Meeresoberfläche (das sogenannte Mittelwasser) nivelliert. Diese Frage, zunächst in technischer Hinsicht von Wichtigkeit für die Bestimmung des Rechnungshorizontes für die Höhenmessungen, führt weiter zu der wichtigen Untersuchung, ob und um welche Beträge innerhalb bestimmter. Zeiträume die Eintauchungslinien der Kontinentalküsten sich ändern (über die Ableitung des mittleren Meeresniveaus s. Meeresfläche und Mareograph). Alle die im vorstehenden kurz angedeuteten Aufgaben sowie die daraus sich weiterhin ergebenden Untersuchungen, wie[487] insbesondere noch die fortlaufende Untersuchung der Erdachsenschwankung (s.d.) werden nach dem Arbeitsprogramm der internationalen Erdmessung schrittweise ihrer Lösung entgegengeführt, worüber in den laufenden Publikationen der Erdmessung [2] berichtet wird.
Literatur: Eine Literaturangabe für die verschiedenen Epochen der Erdmessung ist hier unmöglich. Es sollen daher nur einige Handbücher genannt werden mit dem Bemerken, daß in denselben die für weitere spezielle Studien erforderliche Literatur ausreichend verzeichnet ist. Eine erschöpfende Zusammenstellung der gesamten internationalen Literatur gibt das Werk [1] Internationale Erdmessung, geodätische Literatur, zuletzt von 1889 (zusammengestellt von Börsch, Berlin 1889) und neuerdings: Gore, J.H., A Bibliography of Geodesy, 2. Edition, Treasure Department U.S. Coast and Geodetic Survey, Report for 1902, App. Nr. 8, Washington 1903. Ueber die Arbeiten der internationalen Vereinigung geben die zuverlässigste Auskunft die jährlich erscheinenden [2] Protokolle, Verhandlungen der Sitzungen der Generalkonferenzen und der permanenten Kommission der internationalen Erdmessung, sowie die Veröffentlichungen des Königl. preußischen Geodätischen Instituts als Zentralbureau der internationalen Erdmessung, Verlag bei D. Reimer in Berlin bezw. Stankiewicz in Berlin. Die umfassendste Darstellung der Probleme der Erdmessung, die für jedes spezielle Studium grundlegend sein muß, liefert das Werk [3] Helmert, Die mathematischen und physikalischen Theorien der höheren Geodäsie, Bd. 1: Die mathematischen Theorien, Leipzig 1880; Bd. 2: Die physikalischen Theorien, Leipzig 1884. Eine wertvolle und scharfe Diskussion des Problems gibt [4] Bruns, Die Figur der Erde, Berlin 1878. Für eine erste allgemeine Orientierung über das Problem und seine Geschichte sind, besonders auch der zahlreichen Angaben in historischer Beziehung wegen, geeignet: [5] Günther, Handbuch der mathematischen Geographie, Stuttgart 1890; Ders., Handbuch der Geophysik, 2. Aufl., Stuttgart 189799; Wolf, Handbuch der Astronomie, 2 Bde., Zürich 189092; Ders., Geschichte der Astronomie, München 1877; und auch Sadebeck, Der Entwicklungsgang der Gradmessungsarbeiten, Berlin 1876. Für die Technik der Grad- und Erdmessung, die mathematischen Theorien und Rechnungsvorschriften kommen besonders in Betracht als Lehrbücher [6] Clarke, Geodesy, Oxford 1880. [7] Jordan, Handbuch der Vermessungskunde, Stuttgart 1904, Bd. 1, Kap. 5, und Bd. 3, sowie auch [8] Zachariae, Die geodätischen Hauptpunkte (deutsch von Lamp), Berlin 1878, und als ein älteres Lehrbuch [9] Fischer, Lehrbuch der höheren Geodäsie, Darmstadt 184546. Für die Geschichte der Beobachtungstechnik ist zu erwähnen [10] Westfal, Geodätische und astronomische Instrumente zur Zeit des Beginnes exakter Gradmessungen, Zeitschr. für Instr. 1884, S. 152. Einige speziellen Literaturangaben finden sich bei den Art.: Basismessung, Lotabweichung, Pendelapparat und Schweremessung, Triangulierung, Polhöhen- und Längenbestimmung. Spezielle Verweise im obigen Artikel beziehen sich auf: [11] Gauß, C.F., Astronom. Nachr. 1823, Nr. 7 und 24, oder Gauß' Werke, Sammelwerk in 9 Bänden, Göttingen 18631903. [12] Bessel u. Baeyer, Gradmessung in Ostpreußen, Berlin 1838. [13] Bessel, Astronom. Nachr., Nr. 14, S. 333, 349, 381, und Nr. 19, S. 97. [14] Listing, Ueber unsre jetzige Kenntnis der Gestalt und Größe der Erde, Göttingen 1873, und »Neue geometrische und dynamische Konstanten des Erdkörpers«, Göttinger Nachr. 1877. [15] Helmert, Bericht über Lotablenkungen in den Verh. der Perm. Komm, der intern. Erdmess., Berlin 1888. [16] Astron. Nachr. 1837, Nr. 14, S. 269. [17] »Königl. preuß. Geodät. Institut«, Die europäische Längengradmessung in 52° Breite, Heft 1, 1893; 2, 1896. [18] Helmert, Der normale Teil der Schwerkraft im Meeresniveau, Sitzungsberichte der Königl. preuß. Akadem. d. Wissensch., Berlin 1901, XIV. [19] »Königl. preuß. Geodät. Institut«, Bestimmung der Schwerkraft auf dem Atlantischen Ozean von O. Hecker, Berlin 1903.
Reinhertz.
Dichte der Erde, mittleres spezifisches Gewicht der ganzen innerhalb der Erdoberfläche befindlichen Maße (Volumen und Maße der Atmosphäre bleiben unberücksichtigt).
Die Erdmasse ist nichts andres als das Produkt aus dem Erdvolumen und der mittleren spezifischen Dichte der Erde. Schon die Prüfung des uns zugänglichen Teils der Erdkruste zeigt im großen eine Zunahme der Dichte mit der Tiefe, so daß vermutet werden darf, die mittlere Dichte der Erde sei erheblich größer als die mittlere Dichte der Kruste, die man gleich 2,5 annehmen darf. Die Abplattung der Erde müßte entsprechend der Rotationsgeschwindigkeit nach Laplace 1/231 betragen, wenn die Masse gleichartig wäre; der erheblich kleinere Wert von 1/300 läßt ebenfalls vermuten, daß infolge der Dichtezunahme nach innen die schwereren Teile der Erdkugel der Schwungkraft mehr entzogen seien.
Die verschiedenen Methoden der Bestimmung der Erddichte bezw. der Erdmasse lassen sich in zwei Gruppen teilen: a) in solche, welche die anziehende Wirkung einer bekannten Masse im Versuche selbst mit der Anziehung der Erde in Verbindung setzen, b) solche, welche die Größe der Anziehung zweier bekannter Massen in bekannter Entfernung aufeinander messen, um alsdann aus dem Betrage der Beschleunigung der Schwere unter Berücksichtigung der Entfernung des Erdmittelpunktes die Erdmasse zu berechnen. Bei der ersteren Art von Wägungen der Erdmasse dient als Vergleichsmasse teils die Masse eines Berges, teils die Masse der Erdkruste bis zu bestimmter Tiefe. Maskelyne [1] benutzt die schon von Bouguer und La Condamine im Jahre 1735 am Chimborasso beobachtete Lotablenkung, indem er aus der Abweichung des Polhöhenunterschiedes zweier Stationen am Nord- und am Südabhang des Shehallien von dem normalen Betrag der Polhöhendifferenz der beiden Stationen, wie er sich aus deren Entfernung ergibt, das Verhältnis der Erdanziehung zur Berganziehung berechnet; Hutton berechnet aus Maskelynes Messungen im Jahre 1778 die Zahl 4,95 als Dichte der Erde. Playfaires Revision der Maßbestimmung des Berges [2] ergab die Zahl 4,713. Eine ähnliche Bestimmung der Erddichte aus der Lotablenkung des Berges Arthurs Seat bei Edinburgh ergab im Jahre 1856 dem Engländer James [3] die Zahl 5,32. Ein zweites Verfahren ist[488] das des Mailänders Carlini [4], der 1824 die Masse des Mont Cenis mit derjenigen der Erde verglich. Er ermittelte mittels des Reversionspendels auf dem Gipfel des Berges die Beschleunigung g der Schwere, reduzierte die Zahl auf Meereshöhe und subtrahierte vom so gefundenen Wert den aus Biots Beobachtungen berechneten theoretischen Wert, welcher der geographischen Breite des Mont Cenis entsprach. Der Unterschied ergab den Betrag der Pendelbeschleunigung durch den Berg, dessen Masse als Kugelkalotte berechnet wurde. Carlini fand die Zahl 4,39, die Revision seiner Rechnung ergab 4,837. Eine analoge Bestimmung führte 1881 Mendenhall, der in Japan auf dem Fusinoyama Pendelbeobachtungen anstellte [5], auf die Zahl 5,77. Viel größere Vergleichsmassen liefert ein im Jahre 1826 von M.W. Drobisch in Leipzig vorgeschlagenes Verfahren [6]. Dasselbe beruht auf dem theoretischen Satze, daß ein Massenpunkt in dem von einer homogenen Kugelschale umschlossenen Raum nirgends einer Anziehung durch die Schale unterliegt. Bestimmt man die Beschleunigung der Schwere durch Pendelbeobachtungen auf dem Grunde eines Bergwerksschachtes von der Tiefe h und reduziert man die im Abstande R-h vom Erdmittelpunkt erhaltene Beschleunigung auf den Abstand R des Schachteinganges vom Erdmittelpunkt, so ergibt die Vergleichung dieses Wertes mit der am Schachteingange beobachteten Beschleunigung der Schwere als Differenz diejenige Beschleunigung, die eine Schale der Erdkruste von der Dicke h hervorbringt. Der Anziehungsmittelpunkt der Schale ist wie für die ganze Erdmasse der Erdmittelpunkt. Der Astronom Airy fand 1856 nach diesem Verfahren die Zahl 6,566 [7]. Oberst von Sterneck fand nach derselben Methode 1882 im Mittel verschiedener Versuche [8] den Wert 5,77, bezw. fand Helmert [9] 5,71. Diese Methoden leiden an der Schwierigkeit genauer Bestimmung der Vergleichsmassen, besonders auch wegen des Einflusses der lokalen Unregelmäßigkeiten in der Tiefe der Erdkruste, der dort vorhandenen Massenüberschüsse und Massendefekte (s. Schwere). Von der ungenauen Bestimmung der Vergleichsmassen frei sind diejenigen Methoden der Erddichtebestimmung, welche die Dichte der Erde aus der Gravitationskonstanten ableiten unter experimenteller Bestimmung der letzteren. Die Anziehung zweier Kugeln von den Massen m1 und m2 g und der Entfernung gleich e cm beträgt nach dem Gesetze Newtons Am1 m2 : e2 Dynen. Würde man den Wert der Konstanten A kennen, so dürfte man nur für m2 den Wert m2 = 1, für e den Wert des Erdradius in Zentimetern und als Wert der Anziehung 981 Dynen (gleich einem Grammgewicht) einsetzen, so würde sich die unbekannte Masse m1 der Erde in Gramm ergeben. Cavendish [10] fand 1798 mit der Drehwage (Torsionswage) für die Dichte der Erde 5,48, Baily [11] 1843 die Zahl 5,66, Reich [12] 1838 die Zahl 5,44, derselbe 1852 mit der Bifilarwage die Zahl 5,583, Cornu und Baille [13] 1873 mit der Drehwage 5,56 0,0125. Mittels der zweiarmigen Wage fand 1880 Jolly in München [14] 5,692 ± 0,068 und 1879 Poynting in Manchester [15] 5,69 ± 0,15, derselbe 1891 die Zahl 5,4934. Mittels seiner Pendelwage fand Wilsing in Potsdam 1887 [16] die Zahl 5,594 ± 0,032 und 1889 [17] die Zahl 5,577 ± 0,013. Richarz und Krigar-Menzel [18] fanden 1896 nach Jollys Methode unter Verwendung eines Bleiwürfels von 8 cbm die Zahl 5,505, Boys [19] 1894 an einer an Quarzfaden aufgehängten Drehwage 5,5270 0,002 und Pater Braun 1896 [20] mittels einer Drehwage im Vakuum 5,52731 ± 0,0013. Mit letzterem Werte ergibt sich die Gravitationskonstante A = 6,65779 × 10-8. Nach der theoretischen Untersuchung von F.M. Stapff [21] nimmt die Dichte der Erde von außen nach innen zu von dem Werte 2,8 außen bis zum Werte 11,9 im Erdmittelpunkte. Betreffs der allgemeinen Theorie des Problems der Erddichte sei verwiesen auf [9], [22][26].
Literatur: [1] Maskelyne, Account of observations etc., Philos. Transact. 1775, und Hutton, Survey of the Shehallien etc., Philos. Transact. 1778. [2] Playfaire, Account of a lithological survey of Shehallien, Philos. Transact. 1811. [3] James, On the mean specific gravity of the earth, Philos. Transact. 1856. [4] Osservazioni delle lunghezza del pendolo etc., Efemeridi di Milano, appendice, 1824. [5] Transact. of the Seismol. Society of Japan, vol. 2, p. 39, Juli-Dezember 1880. [6] Drobisch, De vera lunae figura etc., annexa appendice de interiori terrae natura, Leipzig 1826, und Ueber die in den Minen von Dolcath angestellten Pendelbeobachtungen, Pogg. Annalen, Bd. 10, S. 444, 1827. [7] Airy, Philos. Transact. 1856, und Pogg. Annalen, Bd. 97, S. 599, 1856. [8] Sterneck, R. v., Untersuchungen über die Schwere u.s.w., Mitteilungen des kais. österr. Militärgeogr. Instituts, Bd. 2, Wien 1882. [9] Helmert, Die mathem. und phys. Theorien der höheren Geodäsie, Bd. 2, S. 493, Leipzig 188084. [10] Cavendish, Experiments to determine etc., Philos. Transact. 1798. [11] Baily, Experiments with the torsion rood for determining the mean density of the earth, London 1843. [12] Reich, Versuche über die mittlere Dichte der Erde mittels der Drehwage, Freiberg 1838, und Neue Versuche mit der Drehwage, Abh. der Math.-phys. Klasse der sächs. Akad. der Wissenschaften, Bd. 1, 1852. [13] Cornu et Baille, Determ. nouvelle etc., Comptes rendus, Bd. 86, 1878. [14] Jolly, Die Anwendung der Wage auf Probleme der Gravitation, Abh. der Math.-phys. Klasse der bayr. Akad. d. Wissenschaften, Bd. 13 und 14, München 1880 und 1883, und Wied. Annalen, Bd. 14, S. 321, 1881. [15] Poynting, Beiblätter zu Wied. Annalen, Bd. 3, S. 559, 1877, und Philos. Transact. 1891. [16] Publikationen des Astrophys. Observatoriums zu Potsdam, Nr. 22, VI, 2, S. 35127, 1887. [17] Ebend., Nr. 23, VI, S. 133191, 1889. [18] Abh. d. Berl. Akad., Sept. 1898, und Wied. Annalen, Bd. 66, S. 177, 1898. [19] Engl. Zeitschr. Nature, Bd. 50, 1894. [20] Denkschr. d. Math.-naturw. Klasse d. Akad. Wien, S. 187 ff., 1896, und Natur und Offenbarung, Bd. 43, 1897. [21] Stapff, J.M., Ueber die Zunahme der Dichte der Erde nach ihrem Innern, Gerland, Beiträge zur Geophysik, Bd. 2, 1., Stuttgart 1894. [22] Wolf, R., Handbuch der Astronomie, ihrer Geschichte u. Literatur, Bd. 2, Zürich 189093. [23] Fresdorf, G., Die Methoden zur Bestimmung der mittl. Dichte der Erde, wissensch. Beilage zum Jahresbericht des Gymnasiums zu Weißenburg i. E. 1894. [24] Wüllner, Lehrbuch der Experimentalphysik, Bd. 1, Leipzig 1895, S. 181 ff. [25] Günther, Handbuch der math. Geogr., 2. Aufl., Stuttgart 1897. S. 1315. [26] Arrhenius, Lehrbuch der kosm. Physik, S. 249 ff., Leipzig 1903.
Aug. Schmidt.
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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro