Schloß [2]

[731] Schloß, ein Schließwerk, dazu bestimmt, eine leicht lösbare und dennoch den abzuhaltenden Kräften gegenüber feste Verbindung herzustellen [1].

Die Sicherheit eines gut gearbeiteten Schlosses hängt im allgemeinen von denjenigen Mitteln ab, welche eine Verschiebung des Riegels beim Gebrauch eines falschen Schlüssels verhindern. Je größer die Anzahl der Hindernisse – Zuhaltungen genannt – ist, um so größer ist die Sicherheit [2]. Schon in den ältesten geschichtlichen Aufzeichnungen ist von Schlössern die Rede [3], wenn auch damals der Verschluß nur durch einen einfachen Riegel bewirkt worden ist. Heutzutage werden die Schlösser nach dem Grade der Sicherheit in gewöhnliche Schlösser und Sicherheitsschlösser und nach der Art des Anschlagens derselben in Kasten-, eingelassene, Einsteck- und Vorhängeschlösser eingeteilt. Bei jedem Schlösse müssen gewisse grundlegende Schloßteile [4] vorhanden sein, und zwar sind unbedingt notwendig: der Riegel, die Zuhaltung und der Schlüssel, während die Falle, die Besatzungen und Federn [1] fehlen können.[731]

Der Schlüssel bewirkt eine planmäßige Verschiebung des Riegels oder stellt die Zuhaltungen so ein, daß mittels eines Drehgriffes die Verschiebung des Riegels bewirkt werden kann. Der gewöhnliche Schlüssel besteht aus dem Bart a (Fig. 1), dem Rohr b, dem Gesenk c, der Raute oder Raute, dem Ring oder Griff d und dem Köpfchen e. Bei einem richtig gebauten Schlüssel haben diese Teile eine vom Schlüsselrohr abhängige Abmessung [5]. Im allgemeinen wird ein Schloß um so sicherer sein, je vielgestaltiger und kleiner der Schlüsselbart ist. Die Sicherheit wird auch durch die Verwendung eines gebohrten Schlüssels erhöht, bei dem das Schlüsselrohr hohl ist, so daß ein auf dem Schloßblech befestigter Stift in die Höhlung eingeführt werden kann. Die Benutzung fremder Schlüssel wird durch Besatzungen oder Eingerichte (Fig. 2) erschwert. Erhält der Schlüssel in der Mitte des Bartes, winkelrecht zur Schlüsselachse, einen Einschnitt, so kann im Schloß ein Blech a, die Mittelbruchbesatzung, angebracht werden, das bei der Drehung des Schlüssels den Einschnitt ausfüllt. Ringe oder Reifen aus dünnem Blech b, welche die Schlüsselachse konzentrisch umgeben, werden Reifbesatzungen genannt, deren Wirkung auch dadurch erreicht wird, daß zylindrische Zapfen, sogenannte Kolben, mit dem Schloßblech oder der Mittelbruchbesatzung vernietet oder durch halbkugelförmige Köpfe ersetzt werden. Zur Erhöhung der Sicherheit werden dem Schlüssel, insbesondere dem Bart desselben, die verschiedensten Formen gegeben [1]; so wird z.B. das Präzisionsschloß »Diebessicher«, D.R.P. Nr. 170851 der Firma H. Rüge, Leipzig durch einen vierbärtigen Schlüssel (Fig. 3) betätigt. Der meistens aus Stahl gefertigte Hauptschlüssel dient zum berechtigten Oeffnen mehrerer Schlösser eines Gebäudes, weshalb der Schlüsselbart besonders einfach gestaltet sein muß.

Der Riegel und die Falle bewirken den eigentlichen Verschluß, indem dieselben in den festen unbeweglichen Teil des zu verschließenden Gegenstandes eindringen; gewöhnlich bewirkt der Riegel einen sicheren dauernden, die Falle dagegen nur einen vorübergehenden Verschluß. Meistens werden die Schlösser sowohl mit Riegel als auch mit Falle ausgerüstet, doch gibt es auch Schlösser, bei denen einer dieser Bestandteile fehlt. Gewöhnlich hat der Riegel einen rechteckigen, seltener kreisförmigen Querschnitt; er erhält eine geeignete Führung und Beschränkung seiner Beweglichkeit. Diejenige Länge, um welche der Riegel bei einmaliger Drehung des Schlüssels durch denselben vorgeschoben oder zurückgezogen wird, heißt Tour- oder Schlußlänge, die bei einem normalen Schloß gleich der Barthöhe sein soll. Der Angriff oder Eingriff ist jener Teil des Riegels, den die Angriffspunkte des Schlüssels abgeben, und zwar heißt das Schloß ein- oder zweitourig, je nachdem nur ein oder zwei Angriffe vorgesehen sind. Es gibt auch Riegel, die eine drehende Bewegung machen; diese Hakenriegel werden meistens durch Vermittlung eines gewöhnlichen Riegels gedreht und greifen mit einem Haken (Fig. 4) hinter ein Schließblech, wodurch, abgesehen von einer größeren Sicherheit, bei jenen Gegenständen ein Verschluß herbeigeführt wird, bei welchen die normale Bewegungsrichtung des Riegels mit der Bewegungsrichtung des beweglichen Teils übereinstimmt, z.B. bei Schiebetüren, Koffern, Pulten u.s.w. Derselbe Zweck kann unter Umständen auch durch einen Jagdriegel erreicht werden, der mit zwei oder mehreren Köpfen versehen ist, die sich hintereinander her bewegen und dadurch einen Verschluß bewirken, daß dieselben durch eine schleifenförmige Oese des Schließbleches hindurchgehen. Zur Erhöhung der Sicherheit werden vielfach die Schlösser mit einem Nachtriegel d (Fig. 5) ausgerüstet, der nur von einer Türseite aus mittels Betätigung eines Griffes ohne Schlüssel bewegt werden kann.

Die Zuhaltungen sind jene Schloßteile, welche eine Verschiebung oder Drehung des Riegels erst dann zulassen, wenn sie mittels des Schlüssels richtig eingestellt sind; auch sollen sie am Ende jeder Tour den Riegel mit Sicherheit festhalten, gleichgültig, ob schnell oder langsamer geschlossen worden ist. Wird diese Sperrung des Riegels nicht mit Sicherheit bewirkt, so »überschlägt« das Schloß, im andern Falle aber »hält es Tour«. Im allgemeinen gibt es zwei Hauptarten von Zuhaltungen, je nachdem ihre Bewegungsrichtung parallel oder winkelrecht zur Schlüsselachse liegt. Die Zuhaltungen müssen ganz bestimmte Eigenschaften [1] haben und müssen sehr sorgfältig gebaut werden. Meistens werden die Zuhaltungen durch Federn in ihre Ruhelage zurückgebracht; führt aber der Schlüssel selbst die Zuhaltung wieder zurück, so heißt sie zwangsläufig, und jede Feder kann entbehrt werden [2], [3], [5].

Außer diesen notwendigen Schloßteilen sind noch zu berücksichtigen die Nuß, der Türdrücker und die Federn. Die Nuß dient dem Drücker als Stütze und Drehpunkt und hat dessen Bewegung auf die Falle zu übertragen. Der Türdrücker ist ein Hebel, der durch Vermittlung der Nuß die Falle betätigt [4], wobei zu bemerken ist, daß diese[732] beiden Teile auch aus einem Stück bestehen können, wie bei dem Knebeldrücker (Fig. 6), oder die Verbindung beider wird durch einen Stift mit quadratischem Querschnitt, besser aber durch Kreuzführung (Fig. 7, D.R.G.M.) bestimmt, weil dann eine zweckmäßige Drückerbefestigung stattfindet. Die Federn wirken infolge der Elastizität des Materials und werden meistens als Spiral- oder Blattfedern, seltener als Stangenfedern benutzt.

Die einfachsten Schlösser sind die Kastenschlösser, die sich teilweise in einem eisernen Kasten befinden und meistens auf der Tür so befestigt sind, daß dieselben hervorragen. Die einfachste Form ist das Knopfriegelschloß (Fig. 8), mit einem Riegel, der an der einen Seite durch den Schlüssel, an der andern Seite durch einen Ziehknopf betätigt wird. Die Kastenschlösser kommen in verschiedenen Formen in den Handel und sind meistens mit einer hebenden Falle (Fig. 5) ausgerüstet, die eine drehende und keine fortschreitende Bewegung macht; der Schloßstulp oder Strudel a bildet die vordere Seitenwand des Schloßkastens, dessen drei schmale aufrecht stehende Teile b Umschweif heißen; die freiliegende Seite des Schloßkastens heißt das Schloßblech, während der Schloßkasten nach der Türseite zu durch ein Deckblech geschlossen sein oder auch ohne dieses angeschlagen werden kann. Die Besetzung c wird mit den Schenkelsüßen festgehalten. Die Kastenschlösser, welche jetzt nur noch für untergeordnete Räume Verwendung finden, werden auch als Fallenschloß (Fig. 9) mit und ohne Nachtriegel gebaut. Wird der Schloßkasten über den Stulp hinaus so weit verlängert, daß die ausgeschobenen Schloßteile durch denselben geschützt sind, so heißt das Schloß »überbaut« (Fig. 10), wobei die Schloßdecke sowohl über den ganzen Schloßkasten oder nur über einen Teil desselben reichen kann. Seit etwa 100 Jahren wird der Türrahmen stärker gemacht als früher, so daß ohne bedenkliche Schwächung desselben das Schloß in eine entsprechende Vertiefung des Rahmens hineingesenkt werden kann, wenn die Höhe des Schlosses keine allzugroße ist. Diese Einsenkschlösser (Fig. 11) werden fast ausschließlich mit schließenden oder schießenden Fallen versehen, die nur eine fortschreitende aber keine drehende Bewegung ausführen können. Die Oeffnung in der feilen Türverkleidung, in welche der Riegelkopf in ausgeschobenem Zustand hineinragt, heißt das Schließblech a; es wird in die Türverkleidung eingelassen. Für die meisten Zimmertüren werden Einsteckschlösser mit Riegel und Falle benutzt, wobei dann auch die reibungsfreien Kettenkontrafedern für die Nuß (Fig. 12) Anwendung finden können. Bei Vorsaaltüren wird häufig gewünscht, die Falle von der Außenseite nicht durch einen Drücker, sondern durch den Schlüssel zurückziehen zu können. Zu diesem Zwecke dient ein Hebel, Wechsel genannt (Fig. 13), dessen einer Arm auf die Falle wirkt, während der andre durch den Schlüssel betätigt werden kann. Die in neuerer Zeit immer mehr Verbreitung findenden Schiebetüren machen zu deren Verschluß ganz eigenartige Schlösser notwendig, weil kein feststehender Teil vorhanden ist, in den der Riegel hineingeschoben werden kann; hier sind die Hakenriegel (Fig. 4) ganz besonders geeignet. Zum Herausziehen der Tür dient ein Handgriff an der Stulpseite, der in das Schloß hineingeschoben werden kann und dort durch eine Feder festgehalten wird; diese Feder kann durch einen bis an den Stulp heranreichenden Hebel aus- und eingeklinkt werden.

Sicherheitsschlösser müssen ganz besondere Bedingungen erfüllen und sind besonders dadurch gekennzeichnet, daß sie stets mehr als eine Zuhaltung haben [1], [2], [7]. Das verbreitetste Sicherheitsschloß ist das Chubbschloß (Fig. 14), gekennzeichnet durch einen [733] Schlüssel mit Bartstufen, deren Anzahl zu der Zahl der Zuhaltungen in einem planmäßigen Abhängigkeitsverhältnisse steht. Die Zuhaltungen sind mit Ausschnitten a, Fenster genannt, versehen, die durch Stege b miteinander verbunden sind. In diesen Ausschnitten befindet sich ein Zuhaltungsstift c, der an dem Riegel befestigt ist und nur dann eine Bewegung desselben zuläßt, wenn bei allen Zuhaltungen die Verbindungsstege dem Stift genau gegenüberstehen. Durch die verschiedenen Schlüsselstufen werden die einzelnen Zuhaltungen verschieden hoch gehoben, so daß nur mit dem zugehörigen Schlüssel eine richtige Einstellung erfolgen kann. Für den guten Gang eines Chubbschlosses ist die Feststellung der Form der Zuhaltungsfenster unter Berücksichtigung der verschiedenen Querschnitte des Riegelstiftes und die Ermittlung des Eingriffes von sehr großer Bedeutung [1], [2], [4], [5], weshalb diese Zuhaltungen besonders sorgfältig ausgeführt werden müssen. Das Chubbschloß, welches heute noch zu den besten Sicherheitsschlössern gerechnet werden kann, hat im Laufe der Zeiten vielfache Verbesserungen erfahren, so z.B. durch Anordnung von mehreren Zuhaltungsgruppen, die durch je einen besonderen Stufenbart (Fig. 3) betätigt werden oder dadurch, daß die Zuhaltungen unter Ausschluß von Federn zwangsläufig in ihre Ruhelage zurückgeführt werden, oder daß die drehende Bewegung der Zuhaltungen durch eine fortschreitende ersetzt wird; hierher gehören u.a. die Schlösser von Braun-Chemnitz, Spengler-Berlin, Arnheim-Berlin, Kleinau-Hamburg, Herrmann-Nürnberg, Ruge-Leipzig u.s.w. [1]–[3].

Eine ganz bedeutende Verbesserung der Sicherheitsschlösser wurde durch Th. Kromer in Freiburg i. B. durch sein als Geldschrankschloß sehr verbreitetes »Protektor«-Schloß [1]–[3] eingeführt, bei dem ein eigenartig gebauter, doppelbartiger Schlüssel (Fig. 15) verwendet wird, dessen Bartstufen Hinter- und Unterschneidungen zeigen, die es unmöglich machen, von diesem durch D.R.P. Nr. 45732 geschützten Schlüssel Wachsabdrücke behufs Nachahmung anzufertigen. Die elf zwangsläufigen Zuhaltungen liegen in einem besonderen Drehzylinder, welcher an zwei einander gegenüberliegenden Stellen Ausschnitte erhält, in welche einer der beiden Flügel jeder Zuhaltung eingreift, falls nicht durch den richtigen Schlüssel die Zuhaltungen so eingestellt worden sind, daß die vorstehenden Flügel so weit zurückgeschoben werden, um eine Drehung derselben in dem Drehzylinder vornehmen zu können. Auf jede Zuhaltung wirken zwei Bartstufen, die einander gegenüber in gleicher Höhe liegen, so daß ein Zurückziehen des Riegels durch den Drehgriff erst dann erfolgen kann, wenn alle Zuhaltungen gleichzeitig richtig gestellt sind. Eine ähnliche Konstruktion zeigt das Sicherheitsschloß von J. Schubert in Ilvergehofen bei Erfurt [1], [2].

Bei dem schon mehr als 100 Jahre bekannten Brahmaschloß bewegen sich die Zuhaltungen (Schieber) parallel zur Schlüsselachse, weshalb der Schlüssel (Fig. 16) an seiner Stirnseite radiale Einschnitte von verschiedener Tiefe im Schlüsselröhre selbst erhält, in welche die Schieber eingreifen, so daß diese mit ihren vorgesehenen, in verschiedener Höhe liegenden Einschnitten gerade einer Halbscheibe gegenüberstehen, worauf eine Drehung des Drehzylinders (Fig. 17) ausgeführt werden kann. Die Zuhaltungen werden durch eine Spiralfeder stets nach außen gedrückt, so daß der Schlüssel beim Hineinführen in das Schlüsselloch federt und wieder herausgedrückt wird, falls er nicht festgehalten oder schon ein wenig gedreht worden ist. Das Brahmaschloß, welches heute noch vielfach als Geldschrankschloß Verwendung findet, wurde vielfach verbessert [1], besonders durch unregelmäßige Anordnung der Zuhaltungen, durch Verdopplung derselben, durch Hinzufügung eines äußeren Zahnkranzes (D.R.P. Nr. 71766 von Zahn in Dresden) oder durch Veränderung der Haltescheibe u.s.w. Durch Verbindung des Brahma- und des Chubbschlosses wird ein auch den weitgehendsten Anforderungen entsprechendes Sicherheitsschloß erhalten.

Bei dem aus Amerika flammenden Stech- oder Yalesschloß (Fig. 18) kann in dem mit einem seitlichen Ausbau versehenen Gehäuse G ein Drehzylinder D durch den Schlüssel gedreht werden, sobald der an einer Seite mit wellenförmigen Ausschnitten versehene flache Schlüssel S die aus zwei Teilen bestehenden Zuhaltungsstifte Z (1–5) so eingestellt hat, daß deren Teilungsebene genau in die Mantelfläche des Drehzylinders fällt. Die Schraube A, welche gleichzeitig zur Verbindung der einzelnen Teile dient, überträgt die Drehung des Drehzylinders auf den Riegel, so daß dadurch dessen Verschiebung in der gewünschten Richtung erfolgt. Zur Erhöhung der Sicherheit kann der Schlüssel auch aus gewelltem Blech (Fig. 19) hergestellt oder das Schlüsselblech kann schraubenförmig gewunden werden, in welchem Falle dann natürlich die Zuhaltungsstifte auch in eine Schraubenfläche statt in eine Ebene verlegt werden müssen, wodurch dann allerdings der Vorteil eines flachen Schlüssels aufgegeben wird.

Durch Vereinigung von zwei oder mehreren flachen Nachschlüsseln von gleicher Breite in einer mit einer entsprechenden Oeffnung versehenen Hülse von rechteckigem Querschnitte[734] entsteht der sogenannte Styriaschlüssel (Fig. 20), welcher eine gewisse Aehnlichkeit mit einem Taschenmesser hat, da der eigentliche Schlüssel A durch Drehung um den Zapfen E in die Hülse H hineingeklappt werden kann. Zu den Schlössern mit Steckschlüssel dieser Form gehört das Defensorschloß von C. Ade in Berlin (Fig. 21), welches keinerlei Federn hat. Behufs Oeffnen desselben wird der Steckschlüssel in das Schlüsselloch A hineingedrückt und durch Drehung der Nuß N mittels eines Drehgriffs ein Aufsteigen des Verschlußriegels X X bewirkt; dadurch wird den um den Zapfen C drehbaren Zuhaltungen I eine Drehung erteilt, so daß die kleinen Zuhaltungsstifte s, veranlaßt durch die Einschnitte des Schlüssels, sich so stellen, daß die Einschnitte der Zuhaltungen genau dem Riegelstifte B gegenüber liegen; nun ist einer vollständigen Zurückschiebung des Riegels R nichts mehr im Wege [1], [2], [3]. Zu derselben Schloßgruppe gehören unter anderm die Geldschrankschlösser von Karl Hermann in Nürnberg, von J. Ostertag in Aalen (Fig. 22), von Lindener in Berlin u.s.w.

Vorlage- oder Vorhängeschlösser werden zum Verschließen von Räumen oder Behälter angewendet, welche nur seiten geöffnet werden sollen oder dort, wo zeitweise außer dem gewöhnlichen Verschlusse eine größere Sicherheit erzielt werden soll [1]. Sie sind für die Handhabung unbequem, weil zu ihrer Betätigung beide Hände benutzt werden müssen und außer dem Schlösse noch eine Ueberfalle mit Krampe oder entsprechende Oefen notwendig sind. Das einfachste Vorhängeschloß, Radschloß genannt, hat einen radförmigen Riegel, wird aber in neuerer Zeit immer mehr durch das Riegelvorhängeschloß (Fig. 23) verdrängt. Der Bügel eines jeden Vorhängeschlosses läßt sich nach dem Zurückziehen des Riegels oder dem Einstellen der Zuhaltungen bei dem Yaleschloß (Fig. 24) um einen Bolzen drehen, wodurch dann ein Herausziehen des Schlosses aus der Haspe möglich wird. Es sind auch Versuche gemacht worden, die verschiedenen Sicherheitssysteme gewöhnlicher Schlösser bei den Vorhängeschlössern zu verwenden, doch scheint ein solches Vorgehen deshalb von geringem Wert, weil Bügel sowohl wie Haspe durch Anwendung einer Feile zerstört werden können. Hierher gehört auch das Buchstaben-, Mal- oder Ringschloß [1], [5], zu dessen Betätigung kein Schlüssel (Fig. 25) gebraucht wird, sondern es ist nur nötig, die zur Kennzeichnung der richtigen Stellung mit Buchstaben versehenen Ringe [3] so einzustellen, daß der mit Zähnen versehene Stift a an dem Bügel herausgezogen werden kann; dieses Schloß leidet an dem Nachteil, daß es ohne genügende Beleuchtung nicht zu betätigen ist.

Die Kombinations-, Permutations- oder Buchstabenschlösser können ohne Schlüssel geöffnet werden [1], weshalb dieselben auch kein Schlüsselloch notwendig haben, wodurch die Sicherheit erhöht wird. Dagegen können diese Schlösser, zu welchen auch das zuletzt genannte Mal- oder Ringschloß gehört, nur bei genügender Beleuchtung benutzt werden, da die Zuhaltungen meistens durch Vermittlung von Scheiben (Fig. 26), auf welchen sich Buchstaben befinden, in der Weise eingestellt werden, daß vorgesehene Einschnitte mit dem Einschnitt der hintersten Scheibe einem Buchstabengeheimnis entsprechend zusammenfallen, so daß dann der Verschiebung des Riegels mit einem Drehgriffe nichts mehr im Wege ist. Meistens sind die neueren Sicherheits- oder Kombinationsschlösser so eingerichtet, daß einfach und schnell eine Verstellung des Buchstabengeheimnisses stattfinden kann. Diese Buchstaben- oder Kombinationsschlösser werden besonders in Amerika zum Verschluß von Geldschränken angewendet, doch ist zu empfehlen, außerdem ein durch einen Schlüssel betätigtes Sicherheitsschloß anzuwenden.

Die Vexierschlösser bestehen im wesentlichen darin, daß gewisse teils verborgene, teils[735] sichtbare Knöpfe, Schrauben, Schieber u.s.w. eine bestimmte Lage einnehmen müssen, bevor ein Oeffnen des Schlosses bewirkt werden kann [1]. Sie haben keinerlei praktische Bedeutung, sind aber trotzdem vielfach patentiert worden.

Von größerer Bedeutung sind die Zeitschlösser, welche für Geldschrank- und Tresortüren (vgl. Fig. 17, Bd. 4, S. 355) deshalb angebracht werden, um jedes Schlüsselloch und jede sonstige Oeffnung oder Unterbrechung der äußeren Türplatte entbehrlich zu machen; zu diesem Zwecke wird die ganze Verschlußvorrichtung der Tür in das Innere [1] verlegt. Ein auf das sorgfältigste hergestelltes Schloß wird mit in der Regel zwei oder drei voneinander unabhängig wirkenden Chronometern (Fig. 27) so in Verbindung gebracht, daß der Wertbehälter nur zu der vor dem Schließen bestimmten Zeit, selbst von dem Inhaber von Schlüsseln, geöffnet werden kann. Die Uhrwerke können auf beliebige Zeit, bis auf 72 Stunden, eingeteilt werden und selbst beim Versagen von zwei Uhrwerken bewerkstelligt dann das dritte die Oeffnung. Diese Türen werden mit Schlössern ausgerüstet, welche beim Zuwerfen der Tür diese selbsttätig schließen; erst zu der bestimmten Zeit kann ein Oeffnen wieder stattfinden. Die großen Geldschrankspezialfabriken Panzer-Berlin, Arnheim-Berlin, Bode-Hannover, Vereinigte Geldschrankfabriken A.-G.-Stuttgart haben ihre besonderen Zeitschlösser gebaut, welche sich besonders für den Gebrauch von öffentlichen großen Banken und Kassen, nicht aber für den Privatgebrauch eignen.

Schließlich sollen noch die Kontrollschlösser erwähnt werden, welche bei Tresoranlagen mit vermietbaren Fächern (Safes) Anwendung finden, indem zu diesem Zwecke jede Tür eines Faches durch zwei Schlösser verschlossen wird, von denen das eine nur dann zugänglich ist, wenn das andre (das erste), dessen Schlüssel in Verwahrung der Bank ist, aufgeschlossen wurde; dagegen wird beim Zuschließen des zweiten Schlosses, dessen Schlüssel der Mieter des Faches hat, gleichzeitig das erste Schloß des Bankbeamten mit verschlossen.

Dem besonderen Zweck entsprechend erhalten einzelne oder alle Türen von wissenschaftlichen oder gemeinnützigen Anstalten sowie auch die Türen von Geldschränken und Tresoranlagen ein- oder mehrfachen Verschluß, oder die Schlösser müssen so eingerichtet sein, daß sie sich alle durch einen bestimmten Schlüssel, den sogenannten Hauptschlüssel, auf- und zuschließen lassen, der dann am zweckmäßigsten aus Stahl hergestellt wird. Um aber in diesem Falle auch einen Verschluß bewirken zu können, der nicht mit dem Hauptschlüssel zu öffnen ist, bringt man (z.B. in Hotels, Krankenhäusern u.s.w.) ein zweites Schloß in Augenhöhe an und benutzt dazu wegen der kleinen handlichen Schlüssel die amerikanischen Yalesschlösser. – Um ein Schloß ohne den zugehörigen Schlüssel aufzuschließen, benutzen die Schlosser die sogenannten Sperrhaken (Dietriche), d.h. im Winkel gebogene Drähte, die in das Schlüsselloch eingeführt werden, um die Zuhaltungen einzuteilen und den Riegel zu verschieben. Es sind jedoch nur die gewöhnlichen Schlösser auf diese Weise zu öffnen; die Sicherheitsschlösser erfordern eine genaue Kenntnis der Konstruktion, um ohne Gewalt ein Zurückschieben des Riegels bewirken zu können. Vgl. Nachschlüssel, Bd. 5, S. 550.


Literatur: [1] Hoch, Technologie der Schlosserei, 1. Teil, Leipzig 1899. – [2] Ders., Die neueren Sicherheitsschlösser, Berlin 1891. – [3] Buch der Erfindungen, Bd. 6, 9. Aufl., Leipzig 1900. – [4] Hoch, Der praktische Schlosser, 3. Aufl., Leipzig 1907. – [5] Ders., Schloßkonstruktionen, Leipzig 1890/91. – [6] Price, G., Geld- und Dokumentenschränke, Leipzig 1859. – [7] Lüdicke, A., Der Kunst-, Bau- und Maschinenschlosser, 2. Aufl., Weimar 1892.

Julius Hoch.

Fig. 1., Fig. 2.
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Fig. 4.
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Fig. 5.
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Fig. 6.
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Fig. 11., Fig. 12.
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Fig. 17., Fig. 18.
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Fig. 16., Fig. 19.
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Fig. 20., Fig. 21.
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Fig. 24., Fig. 25., Fig. 26.
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Fig. 27.
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Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 731-736.
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