Grot

[429] Grot, 1) Jakow Karlowitsch, russ. Sprachforscher, geb. 27. (15.) Dez. 1812 in Petersburg, gest. daselbst 5. Juni (24. Mai) 1893, erhielt seine Bildung im Lyzeum in Zarskoje Selo und trat 1832 als Beamter in die Kanzlei des Ministerkomitees, bald nachher in die des Reichsrates ein. Die Neigung für literarische und wissenschaftliche Tätigkeit veranlaßte ihn, 1839 diesen Dienst zu verlassen; nachdem er sich das Schwedische gründlich angeeignet, wurde er 1841 Professor der russischen Literatur und Geschichte an der Alexanders-Universität in Helsingfors, 1853 aber nach Petersburg berufen als Professor der russischen Literatur am kaiserlichen Lyzeum und als Lehrer der jungen Großfürsten, des verstorbenen Thronfolgers Nikolaj und seines Bruders, des nachmaligen Kaisers Alexander III. Schon 1855 Mitglied der Akademie der Wissenschaften, konnte er sich, mit dem Eintritt der Mündigkeit des Thronfolgers (1859), seiner Lehrstelle und nach dessen Niederlegung (1862) ausschließlich seinen Lieblingsstudien widmen. Unter-seine ersten literarischen Arbeiten gehört die metrische Übersetzung von Byrons »Mazeppa«; später folgte, im Versmaß des Originals, diejenige der »Frithjofssage« von Tegnér, die »Fahrten in Finnland«, eine Reihe von Aufsätzen über die finnische und schwedische Literatur und (in schwedischer Sprache) eine Geschichte Rußlands bis Peter d. Gr. (»Handbok i ryska rikets historia«, Helsingfors 1850–51). Als Akademiker arbeitete G. hauptsächlich auf dem Gebiete der russischen Philologie; seine hierher gehörigen Schriften: »Philologische Forschungen« (in russischer Sprache) erschienen gesammelt in dritter Auflage Petersburg 1885. Hieran schließt sich sein im Auftrag der Akademie ausgearbeitetes Handbuch der »Russischen Rechtschreibung« (3. Aufl., Petersb. 1885). Seine Hauptarbeit für die Literaturgeschichte bildet die kritische Ausgabe der sämtlichen Werke des Dichters Dershawin mit Lebensbeschreibung in 9 Bänden (Petersburg 1864–80). Im Auftrag der Historischen Gesellschaft gab G. die Papiere Katharinas II. heraus, worunter besonders ihr Briefwechsel mit Grimm hervorzuheben ist (Petersb. 1884). Endlich hatte G. die Leitung der neuen Bearbeitung des von der Akademie herausgegebenen »Wörterbuchs der russischen Sprache« übernommen (bis zu seinem Tode 2 Lieferungen, 1891–92, seitdem fortgesetzt von A. Schachmatow).

2) Konstantin Karlowitsch, russ. Beamter, geb. 1815, gest. 11. Nov. 1897 in St. Petersburg, diente seit 1838 in verschiedenen Ministerien, galt als Autorität auf dem Gebiete der Selbstverwaltung und wurde 1859 Kommissionsmitglied für die Gouvernements- und Kreiskonstitutionen. Von 1863–69 Direktor des Departements der indirekten Steuern, verfolgte er Bestechung und Unterschleif, war seit 1863 Staatssekretär, seit 1870 Mitglied des Reichsrats, widmete sich aufopfernd der Gefängnisreform, der Blindenversorgung und der Armenpflege und war von 1882–84 Chef der vierten Abteilung der Privatkanzlei des Kaisers.

3) Nikolaus Jakowlewitsch, russ. Philosoph, geb. 30. (18.) April 1852 in Petersburg, studierte daselbst, wurde 1876 Professor der Philosophie an dem historisch-philologischen Institut in Njeshin, 1883 an der Universität in Odessa, 1886 an der Universität in Moskau. Er ist Vorsitzender der Psychologischen Gesellschaft daselbst und Herausgeber der russischen Zeitschrift »Probleme der Philosophie« (seit 1889). G. sucht auf Grund eines selbständigen Kritizismus eine positive Weltanschauung zu begründen, die das Gefühl als objektive Erkenntnisquelle anerkennt und in der stufenweisen Beherrschung der Materie durch den Willen (Geist) den Endzweck des Daseins sieht. Von seinen Schriften (in russischer Sprache) nennen wir: »Psychologie des Gefühls« (1880); »Philosophie als Kunst« (1880); »Zur Reform der Logik« (1882); »Klassifikation der Wissenschaften« (1884); »Giordano Bruno« (1885); »Die Seele und die moderne Lehre von der Kraft« (1886); »Bedeutung des Gefühls für die Erkenntnis« (1889); »Kritik des Begriffes der Willensfreiheit« (1889); »Was ist Metaphysik?« (1890); »Die Lebensaufgaben der Psychologie« (1890); »Hauptmomente in der Entwickelung der neuen Philosophie« (1891); »Grundlage der Moral« (1892). In französischer Sprache veröffentlichte er. »Nouvelle classification des sentiments« (1878); »La causalité et la conservation de l'énergie« (1890).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 429.
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