[549] Neufundland (engl. Newfoundland, spr. njūfaundländ, bei den Franzosen Terre Neuve), Insel u. älteste brit. Besitzung an der atlantischen Küste von Nordamerika (s. Karte bei Artikel »Kanada«), dem Lorenzgolfe vorgelagert, von Labrador durch die schmale Straße von Belle Isle, von Cape Breton durch die breitere Cabotstraße getrennt, zwischen 46°37´-51° 39´ nördl. Br. und 52°38´-59°26´ westl. L., umfaßt, mit Einschluß der zahlreichen kleinen Nebeninseln (aber ohne das französische Miquelon und St. Pierre mit 235 qkm), 110,670 qkm. Die Küsten sind hoch und fetsig, zerschnitten von breiten und tiefen, bis 100 km in das Land eindringenden Baien und Fjorden (Trinity-, Conception-, Placentia-, Fortune-, St. George-, White-, Notre Dame-, Bonavistabai), die außer zahlreichen Vorgebirgen und weit vorspringenden Landspitzen (Kap Race unter 46°40´ im SO., Kap Ray unter 47°36-im SW., Kap Norman unter 51°38´ nördl. Br. im Norden) zahlreiche Halbinseln abgl edern, von denen das durch einen schmalen Isthmus mit der Hauptinsel zusammenhängende Avalon im SO. die namhafteste ist. Das Innere ist im allgemeinen hohes Land, das im Mount Erskine der Long Range bis 600 m, im Mount Hodges am Exploits River 660 m aufsteigt und im W. und S. vorwiegend aus laurentischem Gneis, anderweit aus kambrisch-filurischem Schiefer, Sandstein und Kalkstein, an der Georgebai und im Humbertal (im SW.) auch aus Schichten der Steinkohlenformation zusammengesetzt ist. Weite Strecken des oberflächlichen Bodens sind durch die Wirkung der umfassenden einstigen Vergletscherung kahle Felsfläche, andre sind mit erratischen Blöcken übersät, andre sind mit Vaccinien und Labradortee bewachsene Heiden, andre Torfmoore. Von den zahlreichen Flüssen, die sich vielfach zu Seen erweitern, ist der bedeutendste der 320 km lange Exploits River, dann Humber, Gander etc. Das Klima ist bedeutend kühler als unter ähnlichen Breiten in Europa (St. Johns: Jahrestemperatur 5,1°, Januar -4,7°, Juli 15,2°, niedrigste Temperatur -29.4°, höchste 33,3°, Regenmenge 137 cm, Niederschlagstage 220, darunter 74 Schneetage). Schwere Nebel sind sehr häufig. Der Waldwuchs ist vielfach ganz stattlich und setzt sich vor allem aus Picea nigra, Pinus strobus, Abies balsamea, Taxus occidentalis und Birken und Pappeln zusammen. Faunistisch stimmt N. vollkommen mit dem Festland überein.
Die Bevölkerung bestand ursprünglich aus den zu den Algonkin gehörigen Beothuk, die aber durch die einwandernden Franzosen ausgerottet wurden. Später wanderten Mikmak von Neuschottland ein, die jetzt 100 Köpfe stark sein mögen. Die weiße Bevölkerung betrug 1713, als die Insel von Frankreich an England überging, kaum 5000, 1800 schon 20,000, 1850: 80,000 und 1901: 217,037 (ohne die 3947 Bewohner von Ostlabrador). davon 111,311 männlich und 105,726 weiblich, 75,667 katholisch. 71,470 anglikanisch, 60,700 wesleyanisch. Unter der Bevölkerung befinden sich etwa 20,000 Nachkommen französischer Aladier. In den Volksunterricht (784 Elementarschulen und 8 Colleges zusammen mit 38.419 Schülern) teilen sich die Konfessionen. Katholische Bischöfe residieren in St. Johns und Harbor Grace, ein anglikanischer in St. Johns. Die zu Ackerbau und Weidenutzung geeignete Bodenfläche wird auf gegen 4 Mill. Hektar angegeben (1820 Proz.), 1901 waren aber erst 38.300 Hektar in Kultur genommen (improved), wovon 14,000 Hektar als Weide, während insgesamt nur 10,773 Bushels Hafer und 824 Bushels Gerste und Weizen sowie 541,766 Fässer Kartoffeln, 65,298 Fässer Rüben und 53,883 Ton. Heu geerntet wurden, der Viehstand aber aus 8851 Pferden, 32,742 Rindern, 78,025 Schafen und 34,547 Schweinen bestand. Ungleich bedeutender ist die Fischerei, die Haupthilfsquelle von N. An der Bankfischerei auf Stockfische, Heringe etc. beteiligte sich N. 1901 mit 118 Schiffen und 1531 Mann, am Seehundsschlage (1902) mit 20 Dampfern von 6410 Ton. und 3978 Mann, die Gesamtzahl der im Fischergewerbe beschäftigten Schiffe von über 20 T. betrug aber 1901: 1620, der Boote 25,692 und der Personen rund 56,000. während sich der Ertrag insgesamt auf 6,907,949 Doll. (5,575,251 Doll. Stockfische, 448,501 Doll. Hummern, 231,413 Doll. Heringe, 146,066 Doll. Lachse) belief. Künstliche Zucht von Kabeljaus und Hummern wird namentlich bei der Insel Dido in der Trinitybai bereits seit Jahren betrieben. Am fischreichsten sind die Große Neufundlandbank (s. d.) im O. und SO. der Insel, dann die 200 km östlich liegende Flämische Kappe. Nicht unbeträchtlich ist der Mineralreichtum der Insel. Die vorhandenen Golderze (bei Kap Broyle), Silber- und Bleierze (an der Placentiabai) haben allerdings zu lohnenden Bergbauunternehmungen bisher nicht geführt. die Kupfererzlager (bei Tilt Cove) lieferten aber 1900: 85,783 Ton. (617,015 Doll.), die Brauneisensteinlager von Great Bell Island in der Conceptionbai 455,554 T. (455,554 Doll.). Im SW. finden sich auch Steinkohlen. An Industriebetrieben zählte man 1901: 191 Sägemühlen, 6 Gerbereien, 10 Hausratfabriken etc. mit einer Produktion von 2,055,264 Doll. Die Einfuhr von Brotstoffen, Woll- und Baumwollwaren, Kurzwaren etc., besonders aus der Union, aus Kanada und aus England, bewertete sich 1901 auf 7,476,503, die Ausfuhr von Fischerei- und Bergbauprodukten etc., besonders nach Portugal, Brasilien, Spanien, Kanada, England etc., auf 8,359,978 Doll. Die Zahl der eingelaufenen Schiffe betrug 1901: 624 Dam vfer von 608,484 Ton. und 1370 Segler von 109,084 T., wovon 70 Proz. unter englischer F'agge. Eisenbahnen gab es 1903: 1025 km. darunter eine Hauptlinie von St. Johns nach Port-an-Basque an der Südwestspitze; Telegraphen 3140 km. Bei Hearts Content, an der Trinitybai, münden vier von Valentia 1873, 1874, 1880 und 1895 gelegte Kabel, bei St. Johns ein 187475 gelegtes, die über Land fortgesetzt und nach Neuschottland, Cape Breton. Halifax, Cape Cod und New York weitergeführt werden. Der Gouverneur, unter dessen Verwaltung auch der nordöstliche[549] Teil von Labrador (s. d.) steht, wird von der englischen Krone ernannt; er ernennt die 8 Minister und die Mitglieder des Gesetzgebenden Rats (14 Mitglieder), letztere auf Lebenszeit, dagegen werden die 36 Mitglieder des Abgeordnetenhauses vom Volk auf vier Jahre gewählt. Die Einnahmen betrugen 1902: 450,891, die Ausgaben 470.641, die öffentliche Schuld 4,037,099 Pfd. Sterl. Die Kolonie besitzt eine besondere Währung. der Dollar Gold zu 100 Cents. Geprägt werden Stücke zu 2 Dollars 11/12 fein mit 3,0507 g Gold = 8,5111 Mark und zu 50 Cents 37/40 fein mit 10,898 g Silber = 1,9617 Mk. der Talerwährung, entsprechend 20,10 und 5 Cents; das Centstück wird vom britischen Halfpenny vertreten. Hauptstadt ist St. Johns (s. d.).
N. wurde Ende des ersten nachchristlichen Jahrtausends von Norwegern entdeckt und Helluland (»Steinland«) genannt. Während des 10. u. 11. Jahrh. besuchten die Normannen einen großen Teil der Ostküste von Amerika und kannten wahrscheinlich auch N. 1498 nahm es Giov. Caboto (s. d.) für England in Besitz; 1500 fischten schon Portugiesen, Franzosen, Viscayer und andre Nationen an den Bänken und Küsten der Insel. 1583 versuchte zuerst Sir Humphrey Gilbert, ein Halbbruder von Sir Walter Raleigh, eine Niederlassung hier zu gründen. Dieser und weitere Versuche mißlangen, bis 1623 Sir George Calvert am südöstlichen Teil der Insel eine Kolonie gründete, die er Avalon nannte. Auch die Franzosen hatten sich mittlerweile an der Placentiabai niedergelassen, und beständige Streitigkeiten entstanden zwischen ihnen und den britischen Ansiedlern; 1708 zerstörten die Franzosen die englische Niederlassung St. Johns fast vollständig. Durch den Utrechter Frieden 1713 kam endlich die ganze Insel in Besitz der Briten. Doch behielt sich Frankreich das Recht der Fischerei an den Küsten von N. vor. 1818 wurde den Amerikanern das Recht, an der Küste Labradors und der Südküste Neufundlands zu fischen und an unbesiedelten Strecken jener Küsten Fische zu trocknen, zugesprochen. 1854 bis 1866 und 187385 bestand zwischen Kanada und N. einer- und der Union anderseits das Recht freier Küstenfischerei und gegenseitiger zollfreier Einfuhr von Fischereierzeugnissen. Seit 1888 dürfen amerikanische Fischer gegen eine Gebühr an der britischen Küste Lockspeise kaufen und den Fang wie die Mannschaft auf andre Schiffe verladen. 1890 schloß der damalige Kolonialminister von N., Sir Robert Bond, ohne Rücksicht auf Kanada in Washington mit den Vereinigten Staaten (Blain-Bondscher Vertrag) ein Fischerei-Sonderabkommen, das vom britischen Kolonialamt bald zurückgezogen ward. Bond, seit März 1900 Premierminister von N., versuchte seit 1901 von neuem sein Ziel einer Emanzipation Neufundlands von Kanada zu erreichen, ohne aber bei einem Besuch in Washington (im September 1902) diesmal auf Geneigtheit zu stoßen. Die Rechtsabgrenzung gegen Frankreich wurde 1904 gelegentlich des marokkanisch-ägyptischen Generalabkommens gütlich geregelt; gerade dadurch aber konnten im Oktober 1905 die amerikanischen Fischereiansprüche von neuem betont werden. Vgl. Pedley, History of Newfoundland (Lond. 1863); A. Murray u. Howley, Geological survey of Newfoundland (das. 1881); Hatton u. Harvey, Newfoundland the oldest British colony (das. 1883); v. Hesse-Wartegg, Kanada und N. (Freiburg 1887); Harvey, Short history of Newfoundland (2. Aufl., Lond. 1890) und Newfoundland at the beginning of the 20th century (New York 1902); Prowse, History of Newfoundland (Lond. 1895); Willson, Truth about Newfoundland (das. 1901).
Buchempfehlung
Anselm vertritt die Satisfaktionslehre, nach der der Tod Jesu ein nötiges Opfer war, um Gottes Ehrverletzung durch den Sündenfall des Menschen zu sühnen. Nur Gott selbst war groß genug, das Opfer den menschlichen Sündenfall überwiegen zu lassen, daher musste Gott Mensch werden und sündenlos sterben.
86 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro