Perlmuscheln

[595] Perlmuscheln, mehrere Gattungen Muscheln, welche die echten Perlen liefern. Die Seeperlmuschel (Meleagrina margaritifera, s. Tafel »Muscheln«, Fig. 7), aus der Familie der Vogelmuscheln (s. Muscheln), hat je nach dem Boden, auf dem sie wohnt, und nach den pflanzlichen und tierischen Wesen, die ihre Schalen überwachsen, ein verschiedenes Aussehen und lebt, in größerer Anzahl vereinigt, in Tiefen von 6–30 m auf Bänken, meist von Korallengrund, mittels des Byssus angeheftet. Man findet sie im Persischen Golf, im Roten Meer, bei Ceylon, an den Inseln des Großen Ozeans, im Meerbusen von Panama und Mexiko, an der Küste von Kalifornien und Westaustralien. Die Perlen gleichen in ihrem Bau der Perlmutter (s. d.), welche die innern Schichten der Schale bildet, d.h. sie bestehen aus zahlreichen ganz dünnen Schichten organischer Substanz und kohlensaurem Kalk, sind daher nichts andres als eine Absonderung von Perlmutter an einer Stelle, an der ein ungewöhnlicher Reiz auf die Muschel ausgeübt wird. Dies geschieht nun z. B. durch leblose Gegenstände, die beim Offenstehen der Schale hineingeraten sind, oder durch Parasiten (Eingeweidewürmer und deren Embryonen, Algen etc.), die sich am Mantel des Tieres festsetzten. Neuerdings hat man ganz besonders auch Bandwurmlarven dafür verantwortlich gemacht. Nach Hardrau handelt es sich um einen Wurm, dessen Embryonen in den P. die Perlenbildung anregen. Die P. werden von einer bestimmten Art der Hornfische gefressen, und mit diesen gelangen die Würmer in[595] große fischfressende Rochen oder Haie. In den Rochen entwickelt sich der Wurm zur Reise, und zahlreiche Embryonen gelangen ins Meer, um wieder in P. einzudringen. Zwischen Mantel und Schale entstehen die schönsten runden, ringsum freien Perlen, während, wenn der Fremdkörper der Innenfläche der Schale zu dicht anliegt, die Perle mit mehr oder weniger breiter Basis der letztern aufsitzt (Kropfperlen). In der Regel enthalten die Perlen im Innern den ihre Bildung veranlassenden Gegenstand, wenn auch oft ziemlich unkenntlich. Man hat versucht, die Muschel durch Einführung eines Fremdkörpers zur Perlenbildung anzuregen. Die Erfolge waren bisher gering, doch sollen jetzt mit einem Seeohr (Haliotis undulata) unter Anwendung von Perlmutterkügelchen als Fremdkörper bessere Resultate erzielt worden sein. Die Perlen haben ein spezifisches Gewicht von 2,6, sind bei weitem nicht so hart wie Edelsteine und deshalb und weil sie neben Kalk organische Substanz enthalten auch nicht so dauerhaft. Ihr Glanz schwindet mit der Zeit, besonders durch Temperaturwechsel und beim Tragen durch den Schweiß; in alten Gräbern hat man sie völlig in Pulver verwandelt gefunden. Je nach der Farbe der Muschel sind die Perlen bläulich oder gelblich oder, wenn am Rande der Muschel entstanden, schwärzlich. Die kleinsten Perlen haben nur Sandkorngröße, die größte bekannte dagegen ist birnförmig, 35 mm lang und 27 mm breit. Kleine Perlen findet man zu mehreren (sogar bis über 80) in einer einzigen Muschel. Sie enthalten über 90 Proz. kohlensauren Kalk (Perlmutter nur etwa 66 Proz.); Säuren zersetzen sie daher, wenn auch langsam, unter Aufbrausen, indem sie den kohlensauren Kalk ausziehen, die organische Substanz dagegen ungelöst zurücklassen; kleinere Perlen lösen sich sogar durch Kochen in starkem Essig. Schon die Alten erhielten Perlen von der arabischen Seite des Persischen Meerbusens und aus dem Indischen Meer zwischen Ceylon und der Koromandelküste, und dort wird auch jetzt noch Perlenfischerei getrieben. In Indien reicht die Kenntnis der Perlen bis ins höchste Altertum; auch in der Bibel werden sie erwähnt, und in Ägypten wurden sie nach der Vertreibung der Hyksos häufiger. Viel später lernte man sie in Europa kennen, wo sie Theophrast zuerst erwähnt. Von den Griechen kamen sie zu den Römern und mit ihnen der Name margaros oder margarites in die romanischen Sprachen. (Das Wort Perle ist wohl aus lat. pirula, kleine Birne, entstanden; Perlmutter, ital. madreperla, d.h. Erzeugerin der Perle.) In Rom kam der Luxus mit Perlen seit den Feldzügen des Pompejus, noch mehr seit der Unterwerfung Alexandrias auf, und es wurden für größere Perlen ganz enorme Summen gezahlt. Kolumbus fand den Perlenschmuck bei den Indianern und entdeckte die Insel Margarita (bei Venezuela), an deren Küste die Indianer Perlen fischten. Hier und bei den kleinern Inseln Coche und Cubagua, bei El Tirana, nordöstlich und bei Macanao, nordwestlich von Margarita, auch an der Halbinsel Goajira (westlich vom Golf von Maracaibo), wird Perlenfischerei noch jetzt betrieben. Die okzidentalischen Perlen sind zwar durchschnittlich groß, aber weniger rund und mehr bleifarbig und werden deshalb weniger geschätzt als die orientalischen. Auch an der Westküste Mexikos waren die P. den Eingebornen bekannt, und die Europäer richteten später Fischereien im Golf von Kalifornien, besonders bei La Paz, ein. An der Küste Nordaustraliens wird die Perlenfischerei hauptsächlich des Perlmutters wegen betrieben. Man gewinnt die P. überall durch Taucherarbeit. Die Taucher fördern an einem Tag, indem sie 40–50mal tauchen, 1–2000 Muscheln, die sie mit einem Messer ablösen. Die zutage geförderten Muscheln wirft man auf Haufen, läßt sie faulen und wäscht die Masse in geneigten, mit seinen Abzugslöchern versehenen Holzkasten, bis alle Weichteile der Tiere entfernt sind. Die Perlen bleiben dann zurück. Der Ertrag ist höchst schwankend. Durch unverständige Ausbeutung sind die Bänke vielfach erschöpft worden, und man hat angefangen, Schonzeiten einzuführen, auch die Züchtung der Muschel versucht; besonders hat sich die englische Regierung neuerdings in Ceylon nach dieser Richtung verdient gemacht; doch entsteht hierbei die Schwierigkeit, daß sich mit der Muschel nicht auch die Gelegenheit vermehren läßt, der man die Perlenbildung dankt.

Die Flußperlmuschel (Margaritana margaritifera, s. Tafel »Muscheln«, Fig. 8), aus der Familie der Unioniden (s. Muscheln), lebt vorzugsweise in klaren, kalkarmen Gebirgsbächen, wo das Gefälle abzunehmen anfängt, und findet sich in Deutschland besonders in Bayern, Sachsen und Böhmen, aber auch am östlichen Rande der Lüneburger Heide und im Rheinland. Ferner kommt sie in Wales, Cumberland, Schottland, dem nördlichen Irland, Schweden, Norwegen und Nordrußland vor; englische Flußperlen hatte schon Julius Cäsar erhalten. Im ganzen ist der Ertrag gering, obwohl die Perlen selbst denen der Meleagrina an Schönheit oft nicht nachstehen. Nahe verwandte Arten leben in den Vereinigten Staaten und lieferten den Indianern schon in vorgeschichtlicher Zeit große Mengen von Perlen. Die Spanier fanden bei ihrem Vordringen bis zum Mississippi zahlreich Perlen bei den Eingebornen angehäuft. Später gerieten diese Perlen in Vergessenheit, aber seit 1857 hat man wiederholt große Funde gemacht, so im Ohiogebiet, in Wisconsin, Arkansas, New York, Florida. Man fand die Perlen besonders nach Flußüberschwemmungen im Schlamm; sie sind lebhaft gefärbt, goldgelb, fleischfarben, purpurrot, himmelblau, schwarz. Die meisten stammen von Unio complanatus ab. Auch in China sind Flußperlen seit dem Altertum bekannt; sie werden als Schmuck benutzt und als Amulette getragen. In die chinesische Flußperlmuschel (wahrscheinlich Dipsas plicata) schieben die Chinesen zinnerne Buddhabildchen zwischen Schale und Mantel und schmücken mit den einseitig mit Perlensubstanz überzogenen Bildchen ihre Kopfbedeckung. – Der hauptsächlichste Perlenmarkt für Europa ist Paris, für Deutschland Leipzig. Das Gewicht bestimmt man nach Karaten; der Preis nimmt mit der Größe rasch zu, weil man den Preis einer Perle von 1 Karat mit dem Quadrat des Karatgewichts der zu schätzenden multipliziert und das Produkt nochmals mit 8 multipliziert. Die vollkommen runden heißen Perlentropfen oder Perlenaugen, die unregelmäßigen Barockperlen, die kleinern Lotperlen und die kleinsten Saatperlen. – Auch in andern Muscheln, wie in der Auster, Steckmuschel, Miesmuschel, Riesenmuschel etc., und ebenso in einigen Schneckenschalen finden sich mehr oder weniger häufig Perlen, doch sind sie im allgemeinen nicht schön und werden daher kaum in den Handel gelangen. Vgl. Heßling, Die P. und ihre Perlen (Leipz. 1859); Möbius, Die echten Perlen (Hamb. 1858); Martens, Purpur und Perlen (Berl. 1874); Simmonds, Commercial products of the sea (2. Aufl., Lond. 1883); Streeter, Pearls and pearling life (das. 1886); Herdman, Pearl oyster fisheries of the gulf of Manaar (das. 1903).[596]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 595-597.
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