[241] Sedan (spr. ßedáng), Arrondissementshauptstadt im franz. Depart. Ardennen, 157 m ü. M., 10 km von der belgischen Grenze, am Fuße bewaldeter Anhöhen am rechten Ufer der Maas, Knotenpunkt an der Ostbahn, hat eine moderne kath. Kirche, eine reformierte Konsistorialkirche (16. Jahrh.), Synagoge, Reste einer Zitadelle (ehemals wichtige Grenzfestung gegen Belgien), ein Denkmal Turennes (1823), ein Denkmal zur Erinnerung an die Schlacht von S. (von Croisy), ein Theater und (1901) 19,193 Einw. S. hat bedeutende Tuchfabriken (für seines, namentlich schwarzes Tuch), Wollspinnereien, Färbereien und Appreturen, Maschinenfabriken, metallurgische Werkstätten sowie Handel, insbes. mit Schafwolle. Die Stadt besitzt ein College, ein Mädchencollège, eine Webschule, Bibliothek (14,000 Bände), ein Museum, eine Filiale der Bank von Frankreich, ein Handelsgericht, eine Handels- u. eine Ackerbaukammer. Hier wurden Turenne, der Admiral Baudin und der Industrielle Ternaux geboren. S. kommt zuerst in Urkunden von 1259 als Besitztum der Äbte von Mouzon vor. 1424 kaufte es Graf Eberhard o. d. Mark und machte es zum Hauptort eines Fürstentums. Graf Robert führte in S. die Reformation ein. Durch seine Schwester und Erbin Charlotte kam es 1591 als Mitgift in den Besitz der französischen Familie Turenne, 1642 zog es Richelieu zugunsten der französischen Krone ein.
Am 15. Sept. 1815 mußte sich die Zitadelle nach fast dreimonatiger Belagerung den Hessen ergeben, und bis zum November 1816 blieb dann S. von den Preußen besetzt (vgl. Poirier, Siège et blocus de la ville etc. de S. en 1815, Par. 1889). Im letzten deutsch-französischen Kriege hier 1. Sept. 1870 die große Entscheidungsschlacht, die das Napoleonische Kaisertum stürzte (s. unten). Aus der Reihe der Kriegsplätze wurde S. durch Gesetz vom 23. Aug. 1875 gestrichen und die Schleifung der Festungswerke innerhalb der nächsten Jahre bestimmt.
[Schlacht bei Sedan.] Nachdem namentlich durch die Schlacht bei Beaumont (30. Aug.) die französische Armee unter Mae Mahon auf ihrem Marsch zum Entsatz von Metz auf das rechte Maasufer bei S. zurückgedrängt war, erhielt am Abend des 31. Aug. 1870 die dritte Armee den Befehl, noch in der Nacht einige Heeresteile unterhalb S. auf das rechte Maasufer vorzuschieben und den Franzosen den Weg nach Mézières zu verlegen, während gleichzeitig die Maasarmee von Osten her angreifen und ihnen ein Ausweichen über die belgische Grenze verwehren sollte. Die Schlacht begannen die Bayern, indem die Infanterie ihres ersten Korps 1. Sept. 4 Uhr früh auf der Eisenbahnbrücke und einer Pontonbrücke die Maas überschritt und Bazeilles angriff, das die französische Marineinfanterie verteidigte. Nicht viel später begann der Kronprinz von Sachsen mit dem 12. Korps bei La Moncelle und Daigny das Gefecht gegen das 1. französische Korps und setzte sich mit den Bayern in Bazeilles in Verbindung. Hier, bei La Moncelle,[241] wurde Mac Mahon um 6 Uhr durch einen Granatsplitter verwundet; für ihn übernahm Ducrot den Oberbefehl und ordnete 7 Uhr sofort den Rückzug auf Mézières an. Um diesen zu erleichtern, sollten auf La Moncelle und Vassoigne bei Bazeilles kräftige Vorstöße unternommen werden. Obwohl der Oberbefehl inzwischen auf Wimpffen als ältern General überging, der den Rückzug einstellte, so fand der Vorstoß doch statt und hatte anfangs Erfolg. Indes verstärkt, behaupteten Sachsen und Bayern La Moncelle, eroberten auch den westlichen Höhenzug und hatten gegen 11 Uhr auch ganz Bazeilles in Besitz, während der rechte Flügel der Sachsen die Franzosen auf das westliche Givonneufer trieb und die preußische Garde das obere Givonnetal nahm und ihnen den Weg nach Osten verlegte. Da beschloß der Kronprinz von Sachsen, sich nach Nordwesten zu schieben, um im Norden von S. der dritten Armee die Hand zu reichen.
Inzwischen hatte auch der Kampf im Südwesten und Westen begonnen. Während das 2. bayrische Korps teils auf das rechte Maasufer vorging, teils die wichtige und starke Stellung zwischen Frénois und Wadelincourt gegen einen etwaigen Durchbruchsversuch von S. über Torcy besetzte, überschritten das 11. und 5. Korps bei Donchéry die Maas und rückten, den weit nach Norden vorspringenden Bogen derselben bei Iges umgehend, auf St.-Menges und Fleigueux vor, um sich durch den Angriff von Westen mit der Maasarmee im Norden von S. zu vereinigen. Der Marsch der beiden Korps wurde zwar durch die Enge des Geländes etwas verzögert, aber die Avantgarde des 11. Korps nahm St.-Menges mit leichter Mühe; auch Floing wurde unter dem Schutz der Artillerie genommen und behauptet. Ein Angriff französischer Reiterei unter General Gallifet auf das 87. Regiment wurde zurückgewiesen, die Höhen zwischen Fleigneux und Illy bis an die Givonne von diesem besetzt. 24 preußische Batterien beschossen um Mittag die Franzosen von Norden, während auf den Höhen jenseit der Givonne die Gardeartillerie ihr Kreuzfeuer gegen die Stellungen der Franzosen auf dem Plateau von Illy und im Garennegehölz richtete. Die Franzosen machten nun einen Gegenangriff auf Floing, wurden aber daraus vertrieben. Um 2 Uhr verloren sie auch den Calvaire d'Illy, wobei bereits viele Gefangene gemacht wurden, und nachdem ein kühner Angriff der französischen Kavalleriedivision Marguerite zurückgeworfen war, stürmten die 22. und 10. Division die Höhe zwischen Floing und Cazal.
Der französische Oberbefehlshaber Wimpffen sah jetzt ein, daß er seine Stellung um S. nicht behaupten könne, und wollte durch die, wie er meinte, erschöpften Bayern bei Bazeilles und La Moncelle mit allen verfügbaren Truppen des 1., 5. und 12. Korps nach Carignan durchbrechen. Er entriß auch den Bayern Balan, mußte aber vor dem vernichtenden Feuer der deutschen Artillerie zurückgehen; ebenso wurden andre Durchbruchsversuche der Franzosen zurückgewiesen. Überall waren diese eng umzingelt und in die Festung oder unter deren Wälle zurückgedrängt, bis zu denen die deutschen Truppen bereits vorgingen, und um 4 Uhr ließ König Wilhelm, der während der Schlacht auf der Höhe südlich von Frénois stand, eine allgemeine Beschießung von S. eröffnen, um die Kapitulation zu beschleunigen. Die einfallenden Granaten riefen schon nach 20 Minuten an verschiedenen Punkten Feuer hervor. Da kam die Nachricht, daß die Franzosen ihr Feuer einstellten und an zwei Toren die weiße Fahne ausgezogen sei. Der König ließ die Beschießung einstellen und sandte den Oberstleutnant v. Bronsart als Parlamentär mit der Aufforderung zur Übergabe der Armee und Festung nach S. ab. Bronsart ward, als er in S. nach dem Oberbefehlshaber fragte, zu seiner Überraschung vor den Kaiser geführt, von dessen Anwesenheit in S. man deutscherseits nichts wußte. Hinsichtlich der Kapitulation ward Bronsart an den General v. Wimpffen verwiesen; der Kaiser schrieb aber gleichzeitig an den König einen Brief, in dem er sich zum Kriegsgefangenen erklärte, und den sein Generaladjutant Reille noch am Abend dem König überbrachte. Dieser beauftragte den General v. Moltke mit den Verhandlungen über die Kapitulation.
Moltke und v. Wimpffen trafen noch am Abend des 1. Sept. in Donchéry zusammen, erzielten aber keine Einigung, da sich der französische General nicht zur Niederlegung der Waffen und Kriegsgefangenschaft der ganzen Armee verstehen wollte. Obwohl ein französischer Kriegsrat sich mit 30 von 32 Stimmen gegen Wiederaufnahme des Kampfes aussprach, weigerte sich v. Wimpffen, die Kapitulationsverhandlungen wieder aufzunehmen, und nun suchte Kaiser Napoleon am Morgen des 2. Sept. in einer Unterredung mit Bismarck in einem Häuschen bei Donchéry eine Milderung der Kapitulationsbedingungen zu erlangen. Da der Kaiser aber auf Friedenspräliminarien nicht eingehen wollte und konnte, so wurde seine Bitte, ebenso eine Zusammenkunft mit König Wilhelm abgelehnt, und da inzwischen der von deutscher Seite gestellte Termin für den Wiederbeginn des Kampfes, 9 Uhr, verstrichen war, Wimpffen angekündigt, daß die deutsche Artillerie ihr Feuer wieder eröffnen werde, wenn bis 10 Uhr die Kapitulation nicht gesichert sei. Jetzt war Wimpffen bereit und unterzeichnete um 11 Uhr auf Schloß Bellevue bei Frénois die Kapitulation, welche die ganze französische Armee (39 Generale, 230 Stabsoffiziere, 2600 Subalternoffiziere, 83,000 Mann) für kriegsgefangen erklärte; alles Zubehör der Armee, Waffen, Geschütze (419), Adler und Fahnen, Pferde, Kriegskassen etc. sowie die Festung S. sollten sofort übergeben werden. 21,000 Franzosen waren schon vorher gefangen worden, 17,000 gefallen, 3000 über die belgische Grenze entkommen. Auf deutscher Seite betrug der Gesamtverlust an Toten: 190 Offiziere und 2832 Mann, Verwundete 282 Offiziere und 5627 Mann; die Bayern hatten am meisten verloren. Erst nachdem die Kapitulation unterzeichnet war, fand im Schloß Bellevue die Zusammenkunft der beiden Monarchen statt. Dieselbe dauerte nur eine Viertelstunde; gleich danach begab sich der gefangene Kaiser, von selbst erbetener preußischer Eskorte bis an die Grenze geleitet, über Belgien nach dem ihm bestimmten Aufenthaltsort Wilhelmshöhe bei Kassel. Die kaiserliche Armee war jetzt verdrängt, der Zusammensturz des Napoleonischen Kaiserthrons war die unmittelbare Folge der Katastrophe von S., deren Schmach man ganz auf das Kaisertum warf. Die Friedenshoffnungen aber, die man in Deutschland an den Tag von S. knüpfte, erfüllten sich nicht, weil das französische Volk bei S. nur das Kaisertum, nicht sich selbst besiegt glaubte. Vgl. den Bericht des Großen Generalstabs: »Der deutsch-französische Krieg 18701871«, Teil 1, S. 11391294; Helmuth, Sedan, ein Vortrag (Berl. 1874); Nienstädt, Die Schlacht bei S., taktische Rückblicke (Mainz 1894); v. Scherff, Der Feldzug von S. (Berl. 1897); von französischer Seite: Wimpffen, S. (Par. 1871) und Réponse an général Ducrot (das. 1871); Ducrot, La journée [242] de S. (das. 1871, 6. Aufl. 1877); »Enquête parlementaire sur les actes du gouvernement de la Défense nationale«, Bd. 1 (das. 1873); »La guerre de 1870/71: L'armée de Châlons. III: Sedan« (das. 1907, 2 Bde.).
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