Accession

[70] Accession (v. lat. Accessio, Rechtsw.), jede Sache, welche zu einer andern in einem solchen Verhältniß steht, daß sie als Attribut der andern (der Hauptsache) betrachtet wird, deshalb auch von ihr abhängig ist u. ihr Schicksal theilt. Den allgemeinen Grundsatz, nach welchem die A-en zu behandeln sind, drückt daher der Satz aus: Accessorium sequitur principale. Die A-en können auch in Rechten u. ebensowohl in Vortheilen als in Nachtheilen für den Inhaber der Hauptsache bestehen. A) Die A-en sind: a) Vortheilhafte A-en (Causa rei, Commoda) aa) die Pertinenzen (Zubehörungen), d.i. Alles, was zu einer Sache gehört u. also auch bei einem Wechsel des Eigenthums auf den neuen Erwerber übergeht, ohne jedoch einen wesentlichen Theil derselben zu bilden, z.B. bei Gebäuden damit zusammenhängende Grundstücke, namentlich Hofraum u. Garten, mit jenen festverbundene Gegenstände, also Alles, was erd-, wand-, band-, nied-, wied-, klammer- u. nagelfest ist, od. was unmittelbar dem Gebäude u. dessen Zwecken dient, z.B. Schlüssel. Bei andern Grundstücken gehören dahin alle mit dem Hauptgute (Castrum) vereinigt liegenden Güter, z.B. Wiesen, Waldungen, u. was außerdem zum wesentlichen Gebrauch der Sache bestimmt ist, z.B. Dünger, Stroh, Baum-, Hopfen- u. Weinpfähle, endlich Gerechtigkeiten, z.B. Servituten, das Kirchenpatronat. Vgl. Funke, Die Lehre von den Pertinenzen. Chemnitz 1827. Besonders wichtig ist die Pertinenzeigenschaft bei Absonderung verschiedener Vermögensmassen, z.B. bei Lehnserbfällen, indem, je nachdem die Pertinenzen sich vom Lehnsherrn herschreiben (Pertinentiae feudales), od. nach der Belehnung zu dem Lehngutegekommensind (Pertinentiae feudi), verschiedene Berechtigte eintreten können; vgl. Hommel, Pertinenz- u. Erbsonderungs-Register, 6. Ausg. Lpz. 1805; bb) die Früchte (Fructus), d.i. im Allgemeinen jeder aus dem Gebrauche einer Sache zu ziehende Vortheil, u. im engern Sinne die Erzeugnisse einer Sache. Diese sind Civilfrüchte (Fr. civiles), wenn sie nur im rechtlichen Verstande den Grund ihres Daseins in etwas Anderm haben, z.B. Zinsen, Renten, Mieth- u. Pachtgelder; Naturalfrüchte (Fr. naturales), bei rein natürlichem Ursprunge. Bei letzteren kommen in rechtlicher Hinsicht noch in Betracht die Fructus pendentes, wenn sie noch nicht von der Hauptsache getrennt sind; Fr. separati, die mit dem Grund u. Boden nicht mehr zusammenhängen; Fr. percepti, die gesammelten u. eingeernteten; Fr. percipiendi, welche bei gehöriger Cultur wohl zu erlangen gewesen wären. b) Nachtheilige A-en (Incommoda rerum) sind alle Lasten u. Beschwerden, welche mit dem Besitz einer Sache verbunden sind, z.B. Steuern, Servituten, u. bei Obligationen Alles, was der Verpflichtete neben dem eigentlichen Hauptinhalt der Forderung an Zinsen, Kosten etc. zu gewähren hat. B) Als selbstständiges Rechtsinstitut kommt die A. bes. bei der Lehre vom Eigenthumserwerb vor, indem es eine eigenthümliche Art der Erwerbung des Eigenthums bildet, wenn eine Sache als Nebensache zu einer andern, bereits im Eigenthum befindlichen Hauptsache hinzukommt. Der Eigenthümer[70] der Hauptsache erwirbt dann nämlich durch die A. zugleich das Eigenthum der Nebensache. Die Anwendung dieses Rechtssatzes kommt bes. vor: a) beim Fruchterwerb, indem der Eigenthümer der fruchttragenden Sache mit dem Augenblicke der Entstehung auch das Eigenthum an der Frucht erhält; ein Nicht-Eigenthümer erwirbt das Eigenthum der Früchte nur, wenn er sich in gutem Glauben für den Eigenthümer hält, mit dem Augenblicke der Separation, ein Pachter od. Nutznießer sogar erst mit dem der Perception; b) beim äußeren Zuwachs, wenn eine Sache integrirender Bestandtheil einer andern wird; derselbe kann bei beweglichen u. unbeweglichen Sachen eintreten: aa) Unbewegliches tritt zum Unbeweglichen; z.B. eine feststehende, in einem öffentlichen Flusse sich bildende Insel fiel sonst den Besitzern beider Ufer, jedem Theile von der Linie an zu, welche die Mitte des Flusses bilden würde; jetzt gehört sie in der Regel dem Staate u. die alte Praxis gilt nur noch für Privatflüsse; ein verlassenes Flußbett. welches auf ähnliche Weise den Anliegern zugetheilt wird; eine allmälige Anschwemmung (Alluvio) anderwärts nach u. nach abgespülten Landes, welches der Uferbesitzer sofort erwirbt, während bei Losreißung eines Stück Landes auf einmal (Avuisio), es diesem erst zugehört, wenn es mit seinem Ufer verwachsen ist. In England sind diese Grundsätze auch auf das Meeresufer übertragen, u. nur bei großen Anspülungen der See, od. wenn das Meer plötzlich weit hinter der gewöhnlichen Fluthhöhe bleibt, ergreift der Staat Besitz, so wie von im Meere entstandenen Inseln; bb) Bewegliches tritt zum Unbeweglichen (Adjunctio); dahin gehört das Pflanzen, das Säen, das Einbauen; cc) Bewegliches tritt zum Beweglichen, wobei als die erwerbende Hauptsache die gilt, für welche die andere bestimmt u. um deren willen sie vorhanden ist, z.B. das Papier im Verhältnisse zur Schrift od. zum Druck, das Gewebe gegenüber der eingewebten Verzierung, dagegen das Gemälde gegenüber der Leinewand (wenn nicht etwa jenes nur eine Verzierung des Grundes ist). Aushülfsweise entscheidet bei gleichartigen Sachen der Umfang u. Werth, so bei der Zusammenschweißung von Metallmassen. Bei einem Schiffe soll nach besonderer Bestimmung des römischen Rechts der Kiel alles Übrige nach sich ziehen. c) Die A. possessionis kommt bei dem Rechte der Ersitzung vor. Wer auf Ersitzung einer Sache sich beruft, braucht die Zeit hindurch, welche zur Ersitzung nöthig ist, nicht überall selbst besessen zu haben, sondern, wenn er durch rechtmäßigen Erwerb von einem Andern Usucapionsbesitzer geworden ist, so kann er den Besitz seines Vorgängers u. auch denjenigen, welchen dieser selbst sich zurechnen konnte, zu dem seinigen hinzuzählen u. so die Usucapionszeit erfüllen. Dieser Zuwachs zu dem eigenen Besitz bildet dann die A. possessionis, u. ihre Erfordernisse sind nur, daß der Besitz des Vorgängers ebenfalls Usucapionsbesitz gewesen sei u. zwischen ihm u. dem des Successors keine Unterbrechung stattgefunden habe.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 70-71.
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