1. Das Fliegen geht an, aber das Niedersitzen ist des Teufels, sagte der junge Fuchs, als er vom Thurm herabgeflogen und auf eine Hechel zu sitzen gekommen war.
Der junge Fuchs wollte durchaus trotz der Warnungen des alten fliegen. Er band sich ein Paar Hühnerflügel an, sprang zu den Thurmfenstern hinaus und kam unten auf dem Lager eines Hechelmachers an. Als ihn der alte fragte, wie ihm das Fliegen gefallen habe, gab er die obige Antwort. (Parömiakon., 1542.)
2. Das fliegen ist wol sanfft, aber das nidersitzen thut weh. – Henisch, 1150, 35; Petri, II, 60, Mathesy, 48a.
Anspielung auf Ikaros.
3. Es fleugt kein Vogel so hoch, er sucht sein aas (seine Speise) bey der Erden. – Henisch, 2.
4. Es ist gut fliegen, aber nicht gut niederlassen.
5. Es sol keiner fliegen, die federn (Flügel) seien yhm denn gewachsen. – Agricola I, 327; Latendorf II, 11; Egenolff, 181a; Henisch, 1150, 40; Eyering, II, 587; Gruter, I, 38; Guttenstein, I, 66; Eiselein, 162; Körte, 1441; Nieter, 189; Siebenkees, 94; Hollenberg I, 82, II, 43; Blum, 310; Ramann, Unterr., V, 27; Lehmann, 26, 23; Lehmann, II, 175, 25; Gruter III, 38; Sailer, 169; Kirchhofer, 194; Schmitz, 188, 83; niederdeutsch bei Bueren, 830; für Schlesien: Gomolcke, 729.
Fliegen bezeichnet jedes Unternehmen und Federn die dazu erforderlichen Mittel und Kräfte.
Dän.: Flyv ikke før du faar vinger. (Prov. dan., 171.)
Engl.: No flying without wings. (Gaal, 473.)
Frz.: Il ne faut pas vouloir voler avant d'avoir des ailes. (Cahier, 1850; Gaal, 473; Lendroy, 1464; Kritzinger, 725.)
Holl.: Man moet niet willen vliegen, eer men slagpennen in de vleugels heeft. – Men kan niet vliegen, voor men vleugels heeft. (Harrebomée, II, 391.)
It.: Non si può volare senza ale. (Gaal, 473.)
Lat.: Sine pennis volare haud facile est. (Plautus.) (Eyering, II, 587; Philippi, II, 188.)
Ung.: Még szarnyaddal nem birsz, ne röpüly. (Gaal, 473.)
6. Fleuch nit vor deim hauss. – Franck, I, 32a.
7. Fleug so, dass du nicht vor dem Hütlein überlaufest.
Uebersieh aus zu grosser Heftigkeit den Vortheil nicht.
8. Fleuge nicht zu hoch, dass du nicht durch den Korb fallest. – Henisch, 1150.
9. Fleugst du, so ligst du. – Henisch, 1143; Eyering, II, 619; Petri, II, 312; Gruter, I, 40; Gaal, 474; Schottel, 1114a.
10. Forsjuk egh tö flöen, jer Fed'ern heest. (Sylt.) – Haupt, VIII, 364, 225.
Versuche nicht zu fliegen, ehe du Federn hast.
11. Ham kaan eg hiar fle, iar'm Jüggen hê. (Amrum.) – Haupt, VIII, 364, 225.
Man kann nicht eher fliegen, ehe man Flügel hat.
12. Ik kann nig eer flegen, as bis ik Flünk heff. (Holst.) – Schütze, I, 324.
Ich übereile mich nicht.
13. Ma kon (soll) nich iher flügen biss ma Fadern hot. – Robinson, 616; hochdeutsch bei Simrock, 2545.
14. Man muss nicht höher fliegen, als einen die Federn tragen.
Frz.: Il faut se tenir dans son état. (Gaal, 474; Starschedel, 396.)
Holl.: Niemand kan hooger vliegen, dan zijne veêrken dragen (reiken). (Harrebomée, II, 390.)
It.: Fate il passo secondo la gamba. (Gaal, 474.)
[1069] 15. Man muss nicht zu hoch fliegen. – Gaal, 472.
16. Man mut nig seen wat der flüggt, aver wat der krüppt. (Holst.) – Schütze, I, 325.
Man sehe vor die Füsse, nicht blos in die Luft.
17. Mancher will fliegen, ehe er Federn hat. – Simrock, 2324; Eiselein, 162.
Dän.: Mangen agter at flye, men fjerene er borte. (Prov. dan., 170.)
18. Mancher will fliegen und kann kaum gehen.
It.: Tal pensa volar che caminar non può. (Pazzaglia, 38.)
19. Me kan nit eher flegen, bit me fitteke hät. (Waldeck.) – Curtze, 318, 62.
20. Was jetzt fleugt, hat ehe müssen kriechen. – Henisch, 1150, 57.
21. Wer das Fliegen zu früh anfängt, der wird bald flügellahm. (Frankenwald.)
22. Wer fleugt, der kommt am besten weg, fleugt er zwischen Wolk' und Dreck.
Mhd.: Swer fliegen müge, der fliege alsô weder ze nider noch ze hô. (Freidank.)
23. Wer fliegen will ohne fliegel, der setzt sich ehe auff den boden als er meinet. – Lehmann, 379, 3.
24. Wer höher fliegen wil, als er Federn hat, der kombt dadurch in Spott vnd Schad. – Gruter, III, 107; Lehmann, II, 873, 191; Körte, 1442; Simrock, 2325.
Holl.: Die hooger (verder) wil vliegen, dan zijne vleugels reiken, tuimelt naar de laagte. (Harrebomée, II, 390.)
Lat.: Coeli serutantur plagas et quae ante pedes sunt, nesciunt. (Cicero.) (Philippi, I, 85.)
Ruth.: Na njebo krytnjet a w zemlju put blizok. (Wurzbach I, 315.)
25. Wer will fliegen, ehe ihm die Federn (Flügel) gewachsen sind, der kommt nicht hoch.
26. Wer zu hoch fleugt, dem muss man die Flügel beschroten. – Eiselein, 175.
27. Wer zu hoch fleugt, der verbrennt (verkehret) die Federn vnd thut desto harteren fall. – Henisch, 988 u. 1150; Lehmann, 154, 30; Kirchhofer, 341.
28. Wer zu hoch fliegen wil, felt zuletzt gar in Dreck. – Eyering, III, 551; Grimm, II, 1356, 8.
Kroat.: Tko visoko leti, nizko pada.
29. Wie ich fliegen kann, sagte der Junge, da war er vom Birnbaum gefallen.
Holl.: Hebt gij mijne behendigheid gezien? vroeg de freule, van het paard vallende met de billen bloot. Ja, antwoordde de lakkei, ik zie ze nog. (Harrebomée, I, 58.)
30. Wo du kannst fliegen, sollst du nicht kriegen. – Eyering, III, 578.
*31. Das war geflogen ohne f. – Parömiakon, 2212.
Buchstabenwitz für: gelogen.
*32. Er fliegt mit der wilden Gans.
Hat ein zähes Leben.
*33. Er fliegt wie ein bleierner Vogel. (Steiermark.)
*34. Er flog hoch weg, kam aber bald in den Dreck.
Von denen, die über ihre Kräfte hoch hinauswollen und ihre grösste Kraft im Munde haben.
Ruth.: Litala wysoko, sila ne daleko.
Slow.: Letal visoko, padel globoko. (Wurzbach I, 364.)
*35. Er kann gut fliegen ohne f. – Simrock, 6677.
Scherzhaft für lügen; mit unserer jetzigen Orthographie wird es dabei nicht genau genommen.
*36. Er möchte niedriger fliegen.
Geringere Ansprüche machen, nicht so hoch hinauswollen.
*37. Er will fliegen, ehe er Federn (Flügel) hat (ehe er flügge ist). – Pauli, Schimpf, XIXa; Körte, 1325; Simrock, 2546; Eyering, II, 620.
Frz.: Il veut voler sans ailes. (Leroux, I, 87; Lendroy, 1568; Starschedel, 396.)
Holl.: Hij wil vliegen, eer hij vleugels heeft (of: zonder vleugels). (Bohn I, 327; Harrebomée, II, 590.)
*38. Es fliegt ihm eine Fliege vor den Augen.
Er weiss nicht was er will, bald dies bald das.
*39. Et flüggt em utn Munne, as schimmelt Brot.
Es fliegt ihm vom Maule wie verschimmelt Brot. Er ist sehr geschwätzig.
*40. Fliegen ehe dann (oder: nachdem) die flügel gewachssen sind. – Henisch, 1148; Mathesy, 121a.
*41. Fliegen ohne Fäcken1. – Kirchhofer, 262.
1) Auch Fäckten = Flügel, von facken, sich hin- und herbewegen. (Stalder, I, 348.)
*42. He will ährder flegen, as he Flunken (Flügel) het. (Rastede.) – (Firmenich, III, 28, 97.)
[1070] *43. Hi wal flä, iar hi Jüggen (Wjüggen) hä. (Amrum.) – Johansen, 93.
Er will fliegen, ehe er Flügel hat, ehe ihm die Flügel gewachsen sind.
*44. Sie sehen was fleugt, aber nicht was kreucht. – Eiselein, 175.
45. Wer niedrig fleugt, der stösst sich nicht. – Kirchhofer, Wendvnmut, VI, 109.
In Schwaben sagt einer, der wegen seiner Kleinheit geneckt wird: 'S ist au guat, nau stoss i net überall a.
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