[311] Brasilien (das Kaiserthum), das größte und merkwürdigste Land Südamerikas, von dem es. fast die Hälfte ausmacht, wurde 1500 von dem portug. Seefahrer Pedro Alvarez Cabral entdeckt, den König Emanuel von Portugal mit 13 Schiffen ausgesendet hatte, um die Südspitze Afrikas zu umsegeln und nach Ostindien zu fahren, der aber weit nach Westen verschlagen wurde und plötzlich ein schönes, weithin mit Urwaldungen bedecktes Land vor sich liegen sah, das von einer Holzart, die man hier fand, und die frisch gefällt wie eine rothglühende Kohle aussah, Brasilien genannt und als eine sehr ergiebige Provinz Portugals bis 1807 von Lissabon aus verwaltet wurde. In demselben Jahre fand die von Napoleon gedrängte portug. Königsfamilie in der Hauptstadt B.'s, Rio Janeiro, eine sichere Zuflucht. B. ward jetzt zu einem Königreiche erhoben und als 1821 König Johann VI. nach Lissabon zurückkehrte, ließ er seinen ältesten Sohn Don Pedro als Regenten in B. Dieser wurde 1822 der erste Kaiser von B., das seine Selbständigkeit erklärt hatte, um nicht wieder in die alte Abhängigkeit von Portugal zu gerathen und dem er im Dec. 1823 die noch bestehende repräsentative Verfassung gab. Aber schon 1831 wurde Don Pedro I. von dem mit seiner Regierung unzufriedenen Volke genöthigt, zu Gunsten seines sechsjährigen Sohnes die Regierung niederzulegen und sich nach Europa einzuschiffen. B. wird seitdem im Namen Don Pedro II. von einer vormundschaftlichen Regentschaft regiert, die aber ebenfalls mit häufigen Unruhen zu kämpfen hat.
B. liegt meist in der heißen, nur mit dem südlichsten Theile in der gemäßigten Zone, wird an der ganzen Ostseite vom atlant. Meere bespült, dem es eine 450 M lange [311] Küste mit vielen Flußmündungen und tiefen Baien darbietet und wo sich unter den Vorgebirgen das Cap Orange als der nördlichste Punkt auszeichnet. Im N. läuft die Grenze gegen das ehemalige Columbien und Guyana, im W. gegen Bolivia, Peru, Paraguay und im S. gegen Uruguay und die La Plata Staaten häufig durch unbewohnte Gegenden. Nur annäherungsweise wird daher der Flächenraum auf 129–140,000 ! M. geschätzt, von denen aber kaum 2000 an der Küste und in einigen des Bergbaus wegen bewohnten Gegenden des Innern wirklich angebaut zu nennen sind. Die Bevölkerung wird auf vier Mill. Menschen berechnet, besteht zum vierten Theil aus Weißen, die entweder eingewanderte Europäer oder Abkömmlinge von denselben, Creolen, sind, und aus Farbigen, hauptsächlich Negern, von denen alle Feldarbeit besorgt wird und wovon noch 11/2 Mill. Sklaven sind; ferner aus den eingeborenen Indianern und aus Mischlingen aller dieser Rassen. Nur wenige Indianer sind getauft und dahin gebracht worden, in Dörfern zu wohnen und Ackerbau zu treiben, die übrigen durchziehen noch unabhängig in vielen kleinen Stämmen die Wälder und leben von Jagd, Fischerei und wilden Früchten. Sie werden zusammen Tapuyos genannt und zu ihnen gehören auch die Botocuden (s.d.); viele verzehren noch ihre erlegten Feinde und machen das Land in manchen Gegenden so unsicher, daß man nur in großer Anzahl und wohlbewaffnet reisen darf. B. ist von der Natur ungemein reich ausgestattet; der stets warme Himmel und der höchst fruchtbare, meist wohlbewässerte Boden begünstigen die Vegetation ausnehmend, zahllose Blüten erfüllen die Luft mit Wohlgerüchen, große Schmetterlinge umflattern die üppigsten Prachtpflanzen; goldblitzende, in allen Farben schillernde Kolibris umschwirren die honigreichen Blumen der Wälder und der wiederhallende Gesang bei uns nie gesehener Vögel ertönt auf allen Bäumen, die durch ihre Größe in Erstaunen setzen. Pflanzen, die bei uns sich nur wenig über die Erde erheben, wie die Farrnkräuter, werden dort zu Bäumen und die wirklichen Bäume sind Riesen, um die sich zahllose Schlingpflanzen winden und von Baum zu Baum oft ein so dichtes Gewebe bilden, daß man sich nur mittels einer Axt einen Weg hindurchbahnen kann. Außerdem wachsen auf den Bäumen selbst so viele Schmarotzerpflanzen, daß jeder einzelne als ein Garten betrachtet werden kann. Nicht kleiner an Zahl ist das Thierreich; die prachtvollsten Vögel beleben die Lüfte, Affen aller Art hausen auf den Bäumen; aus Erdhöhlen kriechen lange, dünnleibige Armadille, in den, niedrigen Backofen gleichenden Ameisenhaufen wühlen Ameisenbäre; an den Baumstämmen sieht man träge Faulthiere hängen und bunte Schlangen schlüpfen überall durch den Dickicht. Gleich nach Sonnenuntergang füllt sich die Luft mit einer zahllosen Menge leuchtender, wie Sterne glänzender Käfer, Frösche von der Größe eines Tellers kommen aus ihren Schlupfwinkeln hervor und stoßen ein bellendes Geschrei aus. Durch die einsamen Wälder schleichen Kaguare, Jaguare, Jaguaretten und andere Raubthiere und am Strande der See kriechen Riesenschildkröten ans Land, um in tiefe Erdlöcher, die sie mit den Füßen graben, ihre Eier zu legen, in den Sümpfen aber wimmelt es von Krokodillen. – Einen großen Reichthum hat B. auch an edlen Metallen und Edelsteinen. Gold und Diamanten wurden sonst in großer Menge nach Lissabon gebracht und große Schätze liegen hier noch in der Erde verborgen. Wichtige Ausfuhrartikel sind außerdem Kaffee, Cacao, Gewürze, viele Arzneikräuter, Taback, Baumwolle, Brasilien-, Blau-, Gelb- und Mahagoniholz, sowie eine Menge anderer nützlicher Holzarten, namentlich ein unerschöpflicher Vorrath an Bauholz.
Für den öffentlichen Unterricht wird von der Regierung zweckmäßig gesorgt und in allen größern Städten gibt es Schulen, in denen häufig auch die alten Sprachen gelehrt werden. Die regulairen Truppen belaufen sich auf 15,000 M. und die Flotte zählte 18263 Linienschiffe, 10 Fregatten und über 60 kleinere Schiffe. Der Hauptstrom des Landes ist der von den Cordilleras über zahllose Wasserfälle herabstürzende Marannon oder Amazonenfluß, der größte Südamerikas, der die unermeßlichen Ebenen im N., die theils mit Urwald bedeckten, theils waldfreien Llanos durchflutet, wo zahllose Heerden wilder Pferde und Stiere hausen. Während der Regenzeit verwandelt er seine Umgebung in einen ungeheuren See und auch außerdem ist seine Breite oft so groß, daß kein Auge von Ufer zu Ufer reicht. Die Llanos am nördl. Ufer sind offenes Land und nur von einzelnen Familien bewohnt, deren aus Schilf geflochtene, mit Rinderhäuten bedeckte Hütten Tagereisen weit auseinander liegen. Während der heißen Jahreszeit erlischt hier fast alles Pflanzenleben vor der Sonnenglut, allein nach Eintritt der Regenzeit kleiden sich auch diese ausgedorrten Ebenen in üppiges Grün. Im S. entspringen die Flüsse Parana, Paraguay und Uruguay, welche weiterhin zusammenfließen und den Platastrom bilden. Außerdem ist hier noch der San-Francisco zu bemerken, welcher von S. nach N. dem Meere zuströmt. Durch das Innere des Landes ziehen sich Zweige der Cordilleras und vorzüglich werden drei Hauptketten in der Richtung von SW. nach NO. unterschieden, von denen die Serra do Mar das 4–30 M. breite Küstenland vom innern Hochlande trennt, auf dem sich die zweite mehre Namen führende Hauptkette mit dem 5168 F. hohen Itacolumi, dem höchsten Berge B.'s, erhebt; die dritte und westlichste endlich und zugleich die niedrigste heißt Serra dos Vertentes oder das Scheidegebirge, weil sie die östl. Zuflüsse des Amazonen- und La Platastroms unter sich und vom San Francisco trennt.
B. wird in 18 große Provinzen getheilt, von denen Rio Janeiro die am besten angebauteste ist und in der auf einer Anhöhe, an der prachtvollen Bai von Rio Janeiro die Hauptstadt des Reichs, Sebastiao de Rio de Janeiro, gewöhnlich nur Rio genannt, in reizenden Umgebungen liegt. Sie zählt gegen 210,000 Einw., darunter viele Europäer und die Hälfte Neger, ist Residenz des Kaisers, Sitz der höchsten Landesbehörden, einer Universität und vieler anderer Bildungsanstalten. Von der Landseite wird die Stadt von Felsen und Bergen umschlossen, in deren Thälern lange Straßen sich hinziehen. Auf den Spitzen der Felsen stehen Klöster und Kirchen und die Abhänge sind mit Gärten und Orangenwäldern bedeckt. Die meisten Straßen sind schnurgrade, aber schmal, die Häuser niedrig und jedes Fenster hat, wie in Portugal, einen Balcon. Die zahlreich vorhandenen Springbrunnen erhalten ihr Wasser durch eine prächtige Wasserleitung mit zwei Reihen Bogen übereinander. Reizend ist der von den schönsten Bäumen beschattete öffentliche Spaziergang am Hafen, den stets zahlreiche Schiffe aller Nationen beleben, indem Rio der Mittelpunkt des brasil. [312] Handels ist, auch jährlich zwei große Messen hält. Andere Hafenstädte im S. von Rio sind Porto Alegre mit 2000 Einw., in dessen Nähe sich eine deutsche Colonie, Leopoldina, befindet; ferner Desterro mit 8000 und Santos mit 7000 Einw., von wo vortrefflicher Reis ausgeführt wird. Nördl. von Rio liegen die Seestädte Vittoria mit 12,000 Einw.; Bahia, sonst S.-Salvador und bis 1771 Hauptstadt von B. mit 160,000 Einw., einer Universität und außerordentlich wichtigem Handel; Sergipe del Rey mit 36,000 Einw.; Alagoas mit 12,000 Einw.; Pernambuco mit 75,000 Einw.; Natal mit 18,000 Einw.; San Luiz do Maranhao mit 27,000 Einw.; Santa Maria de Belem do Gran Para mit 30,000 und Aracaty mit 26,000 Einw. Im Innern sind zu bemerken San Paulo, der Mittelpunkt des brasil. Bergbaues, mit 30,000 Einw., einer Gewehr- und Fayencefabrik; Villa Imperiale del Oiro Preto, bis 1822 Villa Rica genannt, mit 8000 Einw., der Mittelpunkt des Binnenhandels, und Cidade de Matto Grosso mit 25,000 Einw.
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