Oele, ätherische

[757] Oele, ätherische, gewinnt man durch Destillation oder Extraktion gewisser Blumen, Früchte, Samen oder Rinden. Sie sind flüssig (eigentliche ätherische Oele) oder fest (Kampferarten) oder Lösungen fetter Verbindungen in flüssigen. In letzterem Falle scheidet sich bei stärkerem oder geringerem Abkühlen der feste Teil als Stearopten aus dem flüssig bleibenden, dem Elaeopten, ab. In Alkohol, Aether, Chloroform, Schwefelkohlenstoff und Petroläther sind alle ätherischen Oele löslich, mit Fetten und fetten Oelen in jedem Verhältnis mischbar, in Wasser dagegen nur sehr wenig löslich; doch teilen sie letzterem Geruch und Geschmack mit. Sie sind farblos, gelb oder braun (besonders im Alter), seltener grün oder blau; ihr spezifisches Gewicht schwankt zwischen 0,75 und 1,1. Sie sieden bei einer Temperatur über 140° C, sind aber schon bei gewöhnlicher Temperatur flüchtig, besonders mit Wasserdampf. Sie sind weit leichter entzündbar als die fetten Oele und brennen mit stark rußender Flamme. Fall alle zeigen ein großes Bestreben, aus der Luft Sauerstoff aufzunehmen und sich zu verharzen. Einige ätherische Oele, die Aldehyde enthalten, gehen unter Sauerstoffaufnahme in Säuren über, z.B. bildet sich im Zimtöl Zimtsäure, im Bittermandelöl Benzoesäure; sie sind deshalb bei ihrer Aufbewahrung sorgfältig vor Luft und Licht zu schützen.

Die ätherischen Oele bestehen entweder nur aus Kohlen- und Wasserstoff oder aus Kohlen-, Wasser- und Sauerstoff, seltener enthalten sie auch Stickstoff und Schwefel. Sie sind keine einheitlichen chemischen Verbindungen, sondern Gemische von Körpern, die den verschiedensten Verbindungsklassen angehören. Die Verbindungen gehören teils zu den aliphatischen, teils zu den aromatischen und hydroaromatischen und verteilen sich auf eine große Anzahl Körperklassen. Eine große Verbreitung besitzen die Kohlenwasserstoffe, besonders die von der Formel C10H16. Diese, Terpene genannt, zeichnen sich weder durch besonderen Geschmack oder Geruch aus, noch bedingen sie die Eigentümlichkeit eines ätherischen Oeles. Bei der Destillation gehen sie zuerst über und können daher leicht von den die Eigentümlichkeit eines ätherischen Oeles bedingenden Bestandteilen getrennt werden. Den spezifischen Charakter eines Oeles bedingt meist der Sauerstoff enthaltende Oelbestandteil. Die Fabrikanten ätherischer Oele haben daher mehrere den Zwecken der Parfümerie und der Herstellung von Genußmitteln dienende ätherische Oele von dem wertlosen Terpenbestandteile zu befreien und sie gleichsam in konzentrierterer Form zu erhalten gesucht. Carvol ist z.B. das von Carven (Terpen) befreite Kümmelöl. Diese konzentrierten ätherischen Oele vertreten daher ein Mehrfaches des gewöhnlichen ätherischen Oeles. In den Preislisten findet man diese Oele als extrastarke, nichttrübende, patentierte, konzentrierte oder höchst konzentrierte Oele oder Essenzen bezeichnet.

Zur Gewinnung der ätherischen Oele benutzt man je nach ihrer Natur und je nach der Menge, in der sie in den Pflanzen enthalten sind, verschiedene Methoden, und zwar die Pressung, die Destillation und die Extraktion.

Das Pressen ist nur bei frischen Pflanzenteilen und bei diesen auch nur dann ausführbar, wenn sie reich an ätherischen Oelen sind, wie z.B. die Schalen der Orangen, Zitronen, Limonen u.s.w. Man schlägt dieselben in ein starkes Tuch ein und setzt sie dem Druck einer Presse aus, bis kein Oel mehr abfließt. Die so erhaltenen ätherischen Oele sind noch mit wässerigen und schleimigen Teilen verunreinigt. Um sie hiervon zu befreien, läßt man sie eine Zeitlang ruhig stehen, bis sich die Verunreinigungen abgesetzt haben, gießt dann die flüchtigen Oele von dem Bodensatz ab und filtriert sie schließlich noch durch ein Tuch oder Papier.

Destillation. Obgleich die ätherischen Oele bei einer höheren Temperatur als das Wasser sieden, so gehen sie doch, wie schon oben erwähnt, mit den Wasserdämpfen über. Man destilliert daher die Pflanzenteile entweder so, daß man sie mit Wasser in die Blase bringt und hierauf durch direktes Feuer zum Sieden erhitzt, oder daß man sie allein in die Blase gibt und dann Wasserdampf auf sie einwirken läßt. Im ersten Falle bringt man zweckmäßig noch einen Siebboden in der Blase an, auf dem die Pflanzen liegen und unter dem sich das Wasser befindet. Auf diese Weise kann ein Anbrennen nicht stattfinden und die erhaltenen Produkte sind reiner. Im größeren Fabrikbetrieb verwendet man heute allgemein kontinuierliche Destillierapparate. Zum Auffangen der ätherischen Oele bei der Destillation bedient man sich, wenn dieselben[757] leichter sind als Wasser, der sogenannten Florentiner Flaschen. Es gibt davon mehrere Formen, die alle denselben Zweck verfolgen, nämlich zwei Flüssigkeiten von verschiedenem spezifischen Gewicht voneinander zu trennen. Am häufigsten ist die in Fig. 1 abgebildete Form. Nahe am Boden steigt eine gebogene Röhre bis ungefähr zu zwei Dritteln der Vorlage. Das leichtere Oel sammelt sich über dem Wasser, während letzteres in dem Maße aus der Oeffnung der Röhre ausfließt, wie bei der Destillation Flüssigkeit geliefert wird. Oele, die schwerer als Wasser sind, werden in Vorlagen aufgefangen, deren Abflußöffnung wenig unterhalb der Einlauföffnung sich befindet wie in Fig. 2. Die den Vorlagen entnommenen Oele enthalten noch etwas Wasser, Schmutz u.s.w., weshalb man sie einige Zeit ruhig stehen läßt, damit sich diese Stoffe abscheiden. Die Trennung erfolgt schließlich entweder durch einfaches Abgießen, besonders wenn man es mit größeren Mengen Oel zu tun hat, oder mit Hilfe eines Scheidetrichters, dessen Einrichtung aus Fig. 3 zu ersehen ist. Die Destillation wird zur Gewinnung der meisten ätherischen Oele angewendet; doch ist diese Methode zur Abscheidung der Wohlgerüche mancher Blüten, und zwar gerade der zartesten und lieblichsten, nicht ausführbar, da solche Blüten teils zu wenig Oel enthalten, teils das daraus destillierte Oel an Schönheit verliert.

Zur Extraktion der ätherischen Oele lassen sich verschiedene Lösungsmittel verwenden, wie Aether, Schwefelkohlenstoff u.s.w. Am besten eignet sich dazu sorgfältig rektifizierter Petroläther, der schon bei ca. 50° C. vollkommen flüssig ist und bei genügender Reinigung einen nicht unangenehmen Geruch besitzt. Man behandelt das zu extrahierende Material in einem Behälter mit dem Lösungsmittel, zieht die Lösung ab und verdampft das Lösungsmittel in einem Destillierapparate. Letzteres fließt, wieder kondensiert, unmittelbar in den Extraktionsapparat zurück und zieht die darin befindlichen Pflanzenteile weiter aus. Dies wird so oft wiederholt, bis nichts Lösliches mehr aufgenommen wird. Da der Petroläther nicht nur die ätherischen Oele, sondern auch Fett, Harz u.s.w. aufnimmt, so muß der nach dem Verdunsten des Lösungsmittels verbleibende Rückstand einer Destillation mit Wasser unterworfen werden. Bei der Rektifikation fängt man den ersten Teil der Destillate in einer besonderen Vorlage auf, um Reste von Petroläther, die beim Abdampfen im Oel zurückgeblieben sind, abzuscheiden. Dieser Anteil, welcher nur wenig ätherische Oele enthält, wird bei der nächsten Extraktion dem Material zugefügt. Die in den ätherischen Oelen enthaltenen Fette und Harze haben die Eigenschaft, erstere mit großer Energie zurückzuhalten und mit dem Wasserdampf nur schwierig übergehen zu lassen. Man muß daher in Gegenwart von viel Fett und Harz sehr lange destillieren, um alles ätherische Oel zu gewinnen. Dieser Umstand macht die Extraktion für viele Anwendungen ungeeignet; so große Hoffnungen man zu Anfang auf dieses Verfahren gesetzt hatte, so beschränkt es sich doch jetzt meist auf Verarbeitung von Substanzen mit einem sehr hohen Gehalt an ätherischem Oele.

Bei Blüten, deren Gehalt an ätherischem Oel sehr unbedeutend ist oder deren Riechstoffe durch Destillation eine Zersetzung oder Veränderung erleiden, wird der Duft durch Mazeration oder Infusion oder durch Absorption für Zwecke der Parfümeriefabrikation gewonnen.

Die Mazeration oder Infusion wird ausgeführt, indem man die Blüten mit geschmolzenem Schweine- oder Rindsfett oder mit warmem Olivenöl mischt. Die Mischung von Fett und Blüten bringt man in einem Topfe in ein Dampfbad, worin man das Fett eine Temperatur von ca. 65° C. annehmen läßt. Man läßt die Blüten 12–48 Stunden in diesem warmen Fett, ersetzt sie dann durch neue und fährt damit fort, bis das Fett die gewünschte Parfümstärke hat. Die auf diese Weise gewonnenen parfümierten festen Fette heißen in Frankreich »pommades«, die parfümierten Oele »huiles antiques«.

Die Absorption (Enfleurage) kommt in Anwendung bei sehr zarten Blumendüften, auf welche die Erwärmung nachteilig wirkt. Man benutzt dazu eine große Anzahl hölzerner Rahmen, welche in der Hälfte ihrer Höhe eine Glasplatte enthalten, so daß auf jeder Seite derselben ein hoher Rand bleibt. Die Ränder sind so, daß die Rahmen genau schließen und fest aufeinander stehen. Diese Vorrichtung heißt »chassis aux vitres« oder »chassis aux pommades« Die hierzu verwendeten Fette, die Pomadenkonsistenz haben, werden auf die Fläche der Glasplatte, in der Stärke von ungefähr 2 mm, mit der Vorsicht aufgetragen, daß kein Fett an das Holz kommt; dann werden die Blüten aufgestreut und die Rahmen aufeinandergesetzt. Die so geschichteten Horden werden dann oben und unten durch eine Glasplatte geschlossen. Nach Verlauf von 1–2 Tagen entfernt man die Blüten und ersetzt sie durch frische; dies wird fortgesetzt, bis die Fette mit Duft gesättigt sind. Zum Parfümieren von Oelen bedient man sich statt der Glasplatten eines Metallsiebes. Darauf legt man ein Stück dicken Baumwollzeuges, das mit Oel getränkt ist, bestreut dasselbe mit Blüten und erneuert dieselben, bis das Oel mit Wohlgeruch gesättigt ist. Das Zeug wird dann ausgepreßt und das Oel filtriert. Ausführliches über die Gewinnung der ätherischen Oele in [1].

Bei Aufbewahrung von ätherischen Oelen hat man sie vor allem vor Licht und Luft zu bewahren, da dies ihre größten Feinde sind. Man bewahrt sie am besten an einem schattigen Orte, in nicht zu großen, möglichst gefüllten, gläsernen, mit guten Korkpfropfen geschlossenen Flaschen, womöglich noch mit Blase verbunden. Die Konservierung wird sehr unterstützt, wenn man den Oelen 0,5–1% wasserfreien Weingeist beimischt.

Verfälschungen. Die ätherischen Oele werden vielfach verfälscht. Die Verfälschungen bestehen hauptsächlich in Vermischung eines teuern Oeles mit einem billigeren und mit Weingeist, seltener Chloroform und mit fetten Oelen. Zu diesen schon lange üblichen Verfälschungsmitteln ist neuerdings noch der oben als Terpen bezeichnete Kohlenwasserstoff gekommen, welcher bei Herstellung der terpenfreien Oele abgeschieden wird. In der Erkennung von Verfälschungen sind, dank der Entwicklung der Terpenchemie in den letzten 10–15 Jahren, große Fortschritte zu verzeichnen. Man ist heute imstande, bei einer nicht geringen Anzahl ätherischer Oele, auf Grund der Kenntnis ihrer Zusammensetzung, nicht nur die verfälschten von reinen[758] zu unterscheiden, sondern auch ihre Qualität zu beurteilen. Dies geschieht durch Ermittlung des wesentlichsten oder wichtigsten Bestandteils. Man bestimmt bei Lavendelöl, Bergamottöl und Petitgrainöl u.a. den Gehalt an Eltern, bei Thymianöl, Nelkenöl, Bayöl und Spanisch-Hopfenöl den Gehalt an Phenol, bei Cassiaöl und Lemongrasöl die Menge des Aldehyds. Beim Sandelholzöl zeigt die Analyse, wieviel Santalol, beim Palmarosaol wieviel Geraniol das Oel enthält. – Bei einer zweiten Klasse von Oelen, deren Zusammensetzung ebenfalls bekannt ist, ist eine Qualitäts- oder Gehaltsbestimmung noch nicht möglich. Es liegt dies teils daran, daß der Wert nicht durch einen Bestandteil, sondern durch das Zusammenwirken mehrerer bedingt wird, teils an der Unvollkommenheit der chemischen Untersuchungsmethoden. Man ist bei diesen Oelen in der Regel auf die Feststellung der normalen Beschaffenheit und das Fehlen eines häufig gebrauchten Verfälschungsmittels beschränkt. Solche Oele sind Zitronenöl, Pomeranzenöl, Rosmarinöl und Spiköl, die man besonders auf Terpentinöl zu untersuchen pflegt. – Bei sehr vielen Oelen lassen die unvollständige Kenntnis der Zusammensetzung und die Mangelhaftigkeit der Prüfungsmethoden noch keine auf rationeller chemischer Grundlage beruhenden Untersuchungsmethoden zu. Die ganze Untersuchung besteht bei solchen Oelen in der Ermittlung der physikalischen Konstanten und in einer Prüfung des Geruchs und des Geschmacks. Sehr wünschenswert ist es, eine Probe echten, tadellosen Oeles zum Vergleich zu haben. Man bringt je einige Tropfen des echten und des zu prüfenden Oeles auf Streifen von Filtrierpapier und vergleicht sie, indem man abwechselnd an beiden riecht. Diese Riechprobe wiederholt man, nachdem der größte Teil des Oeles sich verflüchtigt hat, und man kann auf diese Weise sowohl leichtflüchtige wie schwerflüchtige Zusätze erkennen. – Das spezifische Gewicht ist wegen seiner leichten Bestimmbarkeit die bei den ätherischen Oelen am häufigsten ermittelte und deshalb am bellen gekannte Eigenschaft; es ist aber innerhalb gewisser Grenzen veränderlich und von dem Alter und der Gewinnungsart sowie von der Herkunft und dem Reifezustände des verarbeiteten Pflanzenmaterials abhängig. – Das optische Drehungsvermögen ist für die meisten ätherischen Oele eine sehr charakteristische Eigenschaft und seine Bestimmung daher von Bedeutung. – Gleiches läßt sich nicht von der Bestimmung des Brechungsindex sagen, die ebenfalls vielfach zur Prüfung der ätherischen Oele empfohlen wird. Bei einigen ätherischen Oelen gibt der Erstarrungspunkt einen guten Anhalt für die Beurteilung der Qualität. Da die ätherischen Oele Gemenge verschieden siedender Substanzen sind, so kann von dem Siedepunkt eines ätherischen Oeles, wie das häufig geschieht, streng genommen nicht gesprochen werden. Man redet daher richtiger von einer Siedetemperatur und bezeichnet damit das Temperaturintervall, innerhalb dessen das Oel bei der einmaligen Destillation aus einem gewöhnlichen Siedekölbchen ohne Anwendung einer Fraktionierung übergeht. Die von verschiedenen Beobachtern gemachten Angaben über die innerhalb bestimmter Grade überdestillierenden Mengen desselben Oeles stimmen selten überein, weil die Resultate nicht nur durch die Form des Siedekolbens, sondern auch durch die Destillationsgeschwindigkeit und den Barometerstand stark beeinflußt werden. Deshalb ist es notwendig, bei der Untersuchung von gewissen Fraktionen einzelner Oele Kölbchen von bestimmten Dimensionen zu benutzen und eine bestimmte Destillationsgeschwindigkeit einzuhalten. – Während sich alle ätherischen Oele in starkem Alkohol leicht lösen, ist nur ein Teil in verdünntem Alkohol vollständig löslich. Für solche Oele wird diese Eigenschaft zu einem praktischen und schnellen Prüfungsmittel. Gewöhnlich benutzt man das Verhalten zu 70 prozentigem Alkohol. Löst sich ein unter normalen Verhältnissen lösliches Oel nicht, so kann man bisweilen aus der Art der Trübung und der Ausscheidung des nichtlöslichen Teils Schlüsse auf die Verfälschung ziehen. Petroleum schwimmt auf dem 70 prozentigem Alkohol, während fettes Oel sich in Tropfen am Boden absetzt. – Auf chemischem Wege ist die rationelle Prüfung eines ätherischen Oeles nur dann möglich, wenn seine Zusammensetzung oder doch wenigstens seine Hauptbestandteile bekannt sind. Die chemische Untersuchung muß möglichst darauf gerichtet sein, die als wertvoll erkannten Komponenten zu isolieren und quantitativ zu bestimmen. Dies hat man früher nicht berücksichtigt und vor allem nicht bedacht, daß sich auf die ätherischen Oele, deren Bestandteile den verschiedensten Körperklassen angehören, Untersuchungsmethoden, welche, wie die Hüblsche Jodadditionsmethode und die Maumenésche Schwefelsäureprobe, beiden fetten Oelen gute Resultate liefern, nicht ohne weiteres übertragen lassen. Auch die vielfach empfohlenen Farbreaktionen, die darin bestehen, daß beim Zusammenbringen von irgend einem chemischen Agens, meist Schwefelsäure oder Salpetersäure, mit einem ätherischen Oele eine Färbung hervorgerufen wird, sind im allgemeinen als unbrauchbar zu bezeichnen, obgleich nicht zu leugnen ist, daß in einzelnen Fällen eine Farbreaktion bei der Erkennung von Verfälschungen gute Dienste leisten kann Praktische Bedeutung haben von chemischen Methoden die Verseifung, die Acetylierung. die Aldehydbestimmung, die Phenolbestimmung und die Ermittlung der Methylzahl erlangt. – Die ätherischen Oele enthalten vielfach esterartige Verbindungen, deren Komponenten Alkohole, gewöhnlich von der Zusammensetzung C10H18O oder C10H20O einerseits und Säureradikale der Fettsäurereihe anderseits sind. Die fast ausnahmslos wohlriechenden Ester sind als die wichtigsten Bestandteile der ätherischen Oele zu betrachten. Ihre Bestimmung erfolgt nach der Methode der quantitativen Verseifung, wie sie in der Analyse der Fette schon lange angewendet wird. Ihre Anwendung auf die ätherischen Oele ist zuerst von A. Kremel empfohlen worden. Er unterscheidet Säurezahl (S.Z.), Esterzahl (E.Z.) und Verseifungszahl (V.Z.). Die Säurezahl drückt aus, wieviel Milligramm KOH notwendig sind, um die in 1 g Oel enthaltene Menge freier Säure zu neutralisieren. Die Esterzahl gibt das zur Verseifung des in 1 g Oel enthaltenen Esters verbrauchte Kali in Milligramm an, die Verseifungszahl ist die Summe von Säurezahl und Esterzahl. Da die ätherischen Oele meist nur sehr wenig freie Säure enthalten, so kann man die Säurezahl im allgemeinen vernachlässigen; nur alte, zum[759] Teil verdorbene Oele pflegen etwas höhere Säurezahlen aufzuweisen. – Zur quantitativen Bestimmung der in vielen ätherischen Oelen als wichtige Bestandteile enthaltenen Alkohole der Formel C10H18O und C10H20O, z.B. Borneol, Geraniol, Terpinol, Linalool, Menthol und Zitronellol, kann man ihr Verhalten gegen Essigsäureanhydrid, womit sie sich beim Erhitzen zu Essigsäureestern umsetzen, benutzen. Die Reaktion verläuft nach der Gleichung:

C10H18O + (CH3CO)2O = C10 H17OCH3CO + CH3COOH.

Die Umsetzung erfolgt quantitativ bei Borneol, Geraniol und Menthol und ermöglicht eine genaue Bestimmung dieser Körper. Weniger günstig liegen die Verhältnisse bei Linalool und Terpinol, da diese beim Kochen mit Essigsäureanhydrid sich teilweise unter Wasserabschaltung und Bildung von Terpenin zersetzen. Man kann jedoch auch bei diesen Alkoholen vergleichbare Zahlen erhalten, wenn stets die gleiche Menge Essigsäureanhydrid angewendet und dieselbe Zeitdauer des Erhitzens eingehalten wird. Auf Aldehyde wirkt Essigsäureanhydrid verschieden. Während Zitronellol quantitativ in Isopulegoacetat übergeführt wird, entstehen beim Zitral unbestimmte Mengen verseifbarer, bis jetzt noch unbekannter Produkte. – Zur Bestimmung des Aldehydgehalts [3] ist eine für alle ätherischen Oele anwendbare Methode noch nicht gefunden. Für einzelne Oele sind besondere Verfahren ausgearbeitet. Namentlich zur Wertbestimmung des Zimtkassiaöles dient die Bestimmung des Zimtaldehyds. – Die quantitative Methoxylbestimmung haben Benedikt und Grüßner [4] zur Untersuchung der ätherischen Oele empfohlen. Sie bezeichnen als Methylzahl die Zahl, die angibt, wie viel Milligramm Methyl 1 g Substanz beim Kochen mit Jodwasserstoffsäure abspaltet. Dabei wird Aethyl oder Propyl oder Isopropyl durch die äquivalente Menge Methyl ersetzt gedacht. Die gewonnene Menge Jodsilber wird also in allen Fällen auf Methyl umgerechnet. Die durch Kochen von 0,2–0,3 g des zu untergehenden Oeles mit Jodwasserstoffsäure (vom spez. Gew. 1,70, der man nach Herzig 8% Essigsäure zusetzt) entstehenden Dämpfe von Jodmethyl werden in einem geeigneten Apparat zunächst durch erwärmtes Wasser geleitet, in dem etwas Phosphor suspendiert ist, damit etwa mitgerissene Joddämpfe zurückgehalten werden. Nachdem das Jodmethyl diese Vorlage passiert hat, wird es von einer alkoholischen Silbernitratlösung aufgefangen und das ausgeschiedene Jodsilber gewogen. – Zur annähernd genauen Phenolbestimmung [5] in ätherischen Oelen benutzt man die Eigenschaft der Phenole, mit Alkalien wasserlösliche Verbindungen einzugehen. Schüttelt man ein abgemessenes Quantum eines Oeles mit Lauge, so kann man aus der Volumverminderung den ungefähren Gehalt an Phenolen berechnen. Die zur Anwendung kommende Natronlauge soll 5prozentig sein. Eine größere Konzentration ist unstatthaft, weil stärkere Phenolalkalilösungen verhältnismäßig große Mengen der übrigen Oelbestandteile aufnehmen und die Resultate zu niedrig ausfallen lassen. – Das am meisten benutzte Verfälschungsmittel für ätherische Oele ist das Terpentinöl. Häufig kann es durch seinen charakteristischen Geruch erkannt werden, besonders bei Oelen, die kein Pinen enthalten, das den Hauptbestandteil des Terpentinöls bildet. Im allgemeinen bewirkt seine Gegenwart Veränderungen des spezifischen Gewichts, der Löslichkeit, der Siedetemperatur und des optischen Drehungsvermögens. Hierbei ist zu beachten, daß es sowohl rechts- wie linksdrehende Terpentinöle gibt. Zedernholz-, Kopaiva- und Gurjunbalsamöl gehören wegen ihrer Billigkeit und ihres schwachen Geruchs zu den beliebtesten und gefährlichsten Verfälschungsmitteln; sie lassen sich aber durch ihre von vielen ätherischen Oelen stark abweichenden physikalischen Eigenschaften, die Schwerlöslichkeit in 70–90%igem oder noch stärkerem Alkohol, das hohe spez. Gew. (über 0,900), die oberhalb 250° C. liegende Siedetemperatur und ihr Drehungsvermögen in den meisten Fällen ohne Schwierigkeit erkennen. – Der Zusatz von Alkohol zu einem ätherischen. Oele hat immer die Erniedrigung des spezifischen Gewichts zur Folge. In Wasser fallende Tropfen eines spiritushaltigen Oeles bleiben nicht klar und durchsichtig, wie dies bei reinen Oelen der Fall ist, sondern werden undurchsichtig und milchig getrübt. Zum direkten Nachweis des Alkohols erhitzt man das verdächtige Oel bis zum beginnenden Sieden, fängt die zuletzt übergegangenen Tropfen in einem Reagenzglase auf und filtriert, um mitgerissene Oeltröpfchen zu entfernen, durch ein mit Wasser benetztes Filter. Das Filtrat macht man mit verdünnter Kalilauge stark alkalisch und versetzt es nach dem Erwärmen auf 50–60° C. mit einer Lösung von Jod in Jodkalium bis zur bleibenden Gelbfärbung. Bei Gegenwart von Alkohol scheiden sich nach einiger Zeit auf dem Boden der Flüssigkeit Kriställchen von Jodoform ab. Zu beachten ist hierbei, daß auch andre Körper, wie Aldehyde, Aceton und Essigäther, unter den angegebenen Bedingungen Jodoform geben. – Mit fettem Oel versetzte ätherische Oele hinterlassen beim Verdunsten auf Papier einen dauernden Fettfleck. Bei hochsiedenden und schwerflüchtigen ätherischen Oelen bleiben jedoch manchmal ähnliche Rückstände, die zu Täuschungen Veranlassung geben können. Fettes Oel ist unlöslich in 90 prozentigem Alkohol, mit Ausnahme von Rizinusöl, das aber in 70 prozentigem unlöslich ist. Zur Trennung des fetten Oeles von ätherischem destilliert man letzteres mit Wasserdampf ab oder entfernt es durch Verdunsten in einem offenen Schälchen auf dem Wasserbade, wobei zu berücksichtigen ist, daß manche ätherische Oele, wie Bergamott-, Zitronen-, Pomeranzen-, Anis- und Sternanisöl, auch wenn sie nicht verfälscht sind, einen Rückstand von mehreren Prozenten hinterlassen. Im Rückstände kann das Fett durch Erhitzen mit Kaliumbisulfat im Reagenzglase nachgewiesen werden. Stechende Dämpfe von Akrolein zeigen seine Gegenwart an. Beim Entzünden des Rückstandes auf einem Platinblech wird der charakteristische Geruch von angebranntem Fett wahrnehmbar. Da die fetten Oele zwischen 180 und 200 liegende Verseifungszahlen geben, so kann die Menge des Fettzusatzes entweder im Oele selbst oder im Destillationsrückstände ermittelt werden. – Mineralöl, Paraffinöl, Petroleum und Petroleumfraktionen sind in Alkohol unlöslich und deshalb in ätherischen Oelen ohne Schwierigkeit nachzuweisen; außerdem sind sie meist durch ihr niedriges spezifisches Gewicht zu erkennen. Ein Verfahren zur quantitativen Bestimmung von Mineralöl besteht darin, daß man das nach[760] dem Wegoxydieren des ätherischen Oeles mit rauchender Salpetersäure Uebrigbleibende wiegt. Zu bemerken ist, daß einige ätherische Oele, wie Rosenöl, Neroliöl und andre, größere oder kleinere Mengen von Paraffinen als natürliche Bestandteile enthalten. – Chloroform läßt sich durch Destillation auf dem Wasserbade isolieren und durch die Isonitritreaktion nachweisen. Diese besteht darin, daß man eine kleine Menge des verdächtigen Destillats mit einigen Tropfen Anilin und alkoholischer Aetznatronlösung zusammenbringt und gelinde erwärmt. Bei Gegenwart von Chloroform entstehen die äußerst widerwärtig und betäubend riechenden Dämpfe des Isobenzonitrit.

Ueber die einzelnen ätherischen Oele s. die betreffenden Artikel. – Regelmäßige halbjährige Berichte über ätherische Oele geben Schimmel & Co. in Leipzig, die neben Mitteilungen über die Preisbewegungen viele wissenschaftliche Notizen, namentlich Methoden zur Prüfung der ätherischen Oele enthalten.


Literatur: Bornemann, G., Die flüchtigen Oele des Pflanzenreichs, Weimar 1891; Gildemeister u. Hoffmann, Die ätherischen Oele, Berlin 1899. – [1] Pharm. Zentralbl. 1888, S. 482 u. 555; 1889, S. 133. – [2] Gildemeister u. Hoffmann, a.a.O., S. 262. – [3] Dies., a.a.O., S. 263. – [4] Chem. Ztg. 1889, S. 872 u. 1087. – [5] Gildemeister u. Hoffmann, a.a.O., S. 264.

Deite.

Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 757-761.
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