Bunge [2]

[604] Bunge, 1) Friedrich Georg von, Rechtshistoriker, geb. 13. März 1802 in Kiew, gest. 9. April 1897 in Wiesbaden, ward 1831 Professor in Dorpat, 1842 Bürgermeister und Syndikus zu Reval und 1856 Oberbeamter in der Kanzlei des Kaisers in St. Petersburg. 1865 trat er in den Ruhestand und siedelte nach Deutschland über. B. hat sich namentlich durch seine Arbeiten über die Provinzialrechte von Liv-, Esth- und Kurland große Verdienste erworben. Unter seinen zahlreichen hierher gehörenden Schriften sind besonders zu nennen. »Das liv- und esthländische Privatrecht« (Dorpat 1838–39, 2 Tle.; 2. Aufl., Reval 1847–48); »Sammlung der Rechtsquellen Liv-, Esth- und Kurlands« (Dorpat 1842–46,1. Abt., 2 Bde.); »Das kurländische Privatrecht« (das. 1851); »Geschichte des Gerichtswesens und Gerichtsverfahrens in Liv-, Esth- und Kurland« (Reval 1874); »Das Herzogtum Esthland unter den Königen von Dänemark« (Gotha 1877); »Altlivlands Rechtsbücher« (Leipz. 1879); »Liv-, esth- und kurländische Urkundenregesten« (das. 1881). Mit Madai veröffentlichte er: »Theoretisch-praktische Erörterungen aus den in Liv-, Esth- und Kurland geltenden Rechten« (Dorpat 1839–1843, 4 Bde.), mit R. v. Toll gab er die »Esth- und livländische Brieflade«, Urkunden (Reval 1856–61, 3 Bde.) heraus. B. begründete 1836 die historisch statistische Wochenschrift »Das Inland«, gab seit 1842 das »Archiv für die Geschichte Liv-, Esth- und Kurlands« und 1852–72 das »Liv-, esth- und kurländische Urkundenbuch« (Bd. 1–6, dann fortgesetzt von Hildebrand) heraus. Vgl. Greiffenhagen, Dr. jur. Friedr. Georg v. B. (Reval 1891).

2) Alexander von, Botaniker und Reisender, Bruder des vorigen, geb. 24. Sept. 1803 in Kiew, gest. 18. Juli 1890 bei dem Gut Aß in Esthland, studierte seit 1821 in Dorpat Medizin und Botanik, bereiste mit Ledebour 1826 das Altaigebirge, überstieg 1826 die Verektinskischen Alpen und befuhr den Telezkischen See. Von Barnaul und Smeïnogorsk aus besuchte er 1828 die Gegend von Salair, das Cholsunsche Gebirge und 1829 die Quellen der Katunja. Über Bunges Forschungen-berichtet das Prachtwerk: »Karl Friedrich v. Ledebours Reise durch das Altaigebirge und die dsungarische Kirgisensteppe etc.« (Berl. 1829–1830). Auch an Ledebours »Flora altaïca« (Berl. 1829–33, 4 Bde.) und dessen »Icones plantarum novarum vel imperfecte cognitarum, floram rossicam, imprimis altaïcam illustrantes« (das. 1829–1834, 5 Bde.) hatte B. bedeutendet: Anteil. 1830 begleitete B. die geistliche Mission nach China als Naturforscher und studierte die Flora der Steppe Gobi und die der Umgebungen von Peking. 1831 publizierte er »Enumeratio plantarum, quas in China boreali collegit« (Petersb. 1831) und »Plan tarum mongholico-chinensium decas I« (Kasan 1835). Im folgenden Jahr durchstrich er wieder den Altai (»Verzeichnis der 1832 im östlichen Altaigebirge gesammelten Pflanzen«, Petersb. 1836), und 1834 wurde er Professor der Botanik in Kasan, von wo aus er 1835 die Wolgasteppe bis in das astra chansche Gouvernement bereiste. 1836 ging er als Professor der Botanik und Direktor des botanischen Gartens nach Dorpat. 1857 besuchte er mit einer wissenschaftlichen Expedition von Astrabad aus Schahrud, Nischapur, Meschhed und Herat, machte 1858 einen längern Ausflug an den Ostrand der großen Salzwüste nach Tebbes und kehrte 1859 durch die Salzwüste nach Chablis, Kerman, Ispahan, Teheran, Tebriz und Tiflis zurück. 1868 trat er in den Ruhestand. Er schrieb noch: »Beiträge zur Kenntnis der Flora Rußlands und der Steppen Zentralasiens« (Petersb. 1851); »Lehmanni reliquiae botanicae« (das. 1848); »Tentamen generis Tamaricum species« (Dorpat 1852); »Anabasearum revisio« (Petersb. 1862); »Generis Astragali species gerontogaeae« (das. 1868–69, 2 Tle.); »Labiatae persicae« (das. 1873); »Species generis Oxytropis« (das. 1875) etc.

3) Nikolai Christjanowitsch, russ. Minister, geb. 1823 in Moskau, gest. 16. Juni 1895, studierte die Rechte und die Staatswirtschaft, ward Professor in Njèshin, dann Professor in Kiew und Direktor der Kiewschen Bank. Er schrieb zahlreiche nationalökonomische Abhandlungen und übersetzte A. Wagners Werk über das russische Papiergeld. 1880 zum Gehilfen des Finanzministers Abasa berufen und 1882 zu dessen Nachfolger ernannt, übernahm er die Leitung der russischen Finanzen, als das Defizit im Staatshaushalt stieg und der Kurs des Papiergeldes sank. B. hob die Salzsteuer und die Kopfsteuer auf, minderte die Loskaufzahlungen der Bauern herab,[604] schuf die Bauernagrarbank, um besitzlosen Bauern den Erwerb von Land zu ermöglichen, verteilte die Abgaben gerechter, besteuerte die Kapitalien und die Spekulation höher und tat der Vermehrung des Papiergeldes Einhalt. Im Januar 1887 wurde B. Präses des Ministerkomitees. Seine letzten Arbeiten erschienen in französischer Übersetzung als »Esquisses de littérature politico-économique« (Genf 1897).

4) Rudolf, Dichter, geb. 27. März 1836 in Köthen, veröffentlichte schon als Gymnasiast unter dem Pseudonym B. Rudolf eine Sammlung von Gedichten: »Blumen« (Leipz. 1854), später ein Trauerspiel: »Der Herzog von Kurland« (das. 1871), und einen Tragödienzyklus, der die Wirkung des Christentums auf das politische Leben der Völker darstellen soll und aus den fünf Dramen: »Nero«, »Alarich«, »Desiderata«, »Das Fest zu Bayonne« (schon 1872 gedruckt; 2. veränderte Aufl., Köth. 1888) und »Klosterhanns« besteht, die als »Tragödien« (das. 1875) gesammelt erschienen. Er schrieb außerdem noch Schauspiele, Operntexte (darunter den zu Neßlers »Trompeter von Säckingen«), Gedichte (»Heimat und Fremde«, 4. Aufl., Dresd. 1899), »Deutsche Samariterinnen«, Frauenbilder (Leipz. 1883), »Camoens, ein Dichterleben«, Roman in Versen (das. 1891), »Burenlieder« (Dresd. 1901) n. a. B. lebt in Köthen.

5) Alexander, Reisender, Sohn von B. 2), geb. 28. Okt. 1851 in Dorpat, studierte daselbst Medizin, nahm 1882–84 an der von der russischen Geographischen Gesellschaft ausgerüsteten Lena-Expedition teil und leitete 1885–86 mit Baron v. Toll eine Expedition ins Janagebiet und nach den Neusibirischen Inseln. Die Ergebnisse seiner Forschungen veröffentlichte er in den Schriften der kaiserlichen Akademie.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 604-605.
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