Esterházy von Galántha

[127] Esterházy von Galántha (spr. ésterhāsi), eins der mächtigsten und reichsten Adelsgeschlechter Ungarns. 1238 teilten sich die Söhne des Salomon von Estoras in den väterlichen Besitz, und von ihnen stammen die beiden Linien Zerház und Illesházy ab, welch letztere 1838 mit dem Grafen Stephan im Mannesstamm erlosch. Die erstere erwarb sich 1421 durch Diplom Kaiser Siegmunds die Herrschaft Galántha im Preßburger Komitat. Die Nachkommen des Freiherrn von Galántha, Franz' IV. von Zerház, der sich zuerst Esterházy nannte, stifteten 1594 die drei noch bestehenden Linien Csesznek, Zólyom (oder Altsohl) und Fraknó oder Forchtenstein, die im 17. Jahrh. in den Reichsgrafenstand erhoben wurden. Der Begründer der Bedeutung des Hauses ist Nikolaus, Stifter der Hauptlinie Forchtenstein (s. unten). Die Linie Fraknó teilte sich wieder in die von Pápa und von Fraknó, welch letztere von Kaiser Leopold I. 1687 die reichsfürstliche Würde erhielt. Durch die Erwerbung der Herrschaft Edelstetten in Franken wurde Fürst Nikolaus 1804 Reichsstand, doch kam 1806 die Grafschaft unter bayrische Hoheit. Das gräfliche Haus E. besteht jetzt aus folgenden Linien: Forchtenstein (in 2 Ästen), Csesznek (in 2 Linien) und Altsohl. (Die ehemalige französische Linie E.-Hallewyl [s. unten] ist 1876 erloschen.) Vgl. Joh. Graf E., Beschreibung der Familie E. (ungar., Budapest 1901). Die namhaftesten Glieder der Familie sind:

1) Paul IV., Fürst, Graf von Fraknó und Beregh, österreich. Feldmarschall, geb. 7. Sept. 1635 in Eisenstadt, gest. 26. März 1713, kämpfte in der Schlacht von St. Gotthardt 1664, wurde 1681 Palatin von Ungarn, erhielt nach dem Frieden den Oberbefehl an der türkischen Grenze und unterdrückte die Partei Tökölys. Auch an der Befreiung Wiens 1683 hatte er großen Anteil, wirkte 1686 mit, den Türken Ofen zu entreißen, und trug viel zur Befestigung der habsburgischen Herrschaft in Ungarn bei. Auch während des Aufstandes Franz Rákóczis II. hielt er es mit dem Hof. Außer dem Reichsfürstenstand erhielt Paul das Recht, Münzen mit seinem Bildnis zu prägen und zu adeln.

2) Nikolaus Joseph, Fürst, Graf von Forchtenstein, k. k. Geheimrat und Feldmarschall, Enkel des vorigen, geb. 18. Dez. 1714, gest. 28. Sept. 1790, war Gesandter an mehreren Höfen, trat sodann in die Armee, kämpfte insbes. bei Kolin und wurde 1768 Feldmarschall. Auch war er ein eifriger Förderer der Wissenschaften und Künste; aus der von ihm zu Eisenstadt (s.d.) errichteten Musikschule gingen Haydn und Pleyel hervor.

3) Nikolaus IV., Fürst, österreich. Feldmarschall, Enkel des vorigen, geb. 12. Sept. 1765, gest. 25. Nov. 1833 in Como, bereiste in seiner Jugend fast ganz [127] Europa, nahm sodann österreichische Kriegsdienste und stieg bis zum Feldzeugmeister empor, ward aber später vorwiegend zu diplomatischen Geschäften verwendet. Als die französischen Armeen 1797 die Erbstaaten des Kaisers bedrohten, bewirkte er eine Bewaffnung seiner Untertanen und stellte 1809 abermals ein Freiwilligenkorps als Antwort auf Napoleons I. Proklamationen von 1805 und 1809, die ihn als Wahlkönig Ungarns vorschlugen. Er ist der Gründer der bedeutenden Gemälde- und Kupferstichsammlung, die sich seit 1865 im Besitz der ungarischen Akademie zu Budapest befindet.

4) Paul Anton (III.), Fürst, österreich. Minister, Sohn des vorigen, geb. 11. März 1786, gest. 21. Mai 1866 in Regensburg, ward 1810 österreichischer Gesandter in Dresden, 1814 in Rom, dann Botschafter in London bis 1842. Als Minister des Auswärtigen im Ministerium Batthyány 1848, suchte er einen Ausgleich zwischen dem österreichischen und ungarischen Ministerium zu bewirken, legte aber noch vor Auflösung des Batthyány-Ministeriums im August 1848 sein Amt nieder. 1856 ging er als österreichischer Botschafter zur Krönung Alexanders II. nach Moskau, wo er durch den Glanz seines Auftretens Aufsehen erregte. Schrankenloser Aufwand hatten die Sequestration seiner ausgedehnten Güter zur Folge. Sein Erbe war der am 25. Juni 1817 geborne und 28. Jan. 1894 in Wien gestorbene Fürst Nikolaus, gefürsteter Graf zu Edelstetten, Erbherr zu Forchtenstein, Mitglied der ungarischen Magnatentafel, k. k. Kammerherr und Major in der Armee, vermählt 8. Febr. 1842 mit Lady Sarah Frederica Caroline, Tochter von George Child Villiers, Grafen von Jersey (gest. 17. Nov. 1853). Der älteste Sohn dieser Ehe war Fürst Paul Anton Nikolaus, geb. 21. März 1843, gest. 22. Aug. 1898, vermählt 1868 mit Prinzessin Marie, Gräfin von Trauttmansdorff (gest. 1. April 1876 in Ödenburg), und 1879 mit der Prinzessin Eugenie von Croy-Dülmen (gest. 12. Juni 1889). Chef des Hauses ist Pauls Sohn Nikolaus, geb. 5. Juli 1869, vermählt 1898 mit Margarete Gräfin Eziráky. Das Majorat der Familie umfaßt 29 Herrschaften mit 21 Schlössern, 60 Marktflecken und 414 Dörfern in Ungarn; Mittelpunkt der Verwaltung ist Eisenstadt; außerdem gehören dazu die Herrschaften Pottenstein und Schwarzbach in Niederösterreich und die gefürstete Grafschaft Edelstetten in Bayern. Bis zur Tilgung der Schuldenlast bezog der fürstliche Zweig der Familie nur eine bestimmte Jahresrente.

Aus der gräflichen Linie E.-Forchtenstein ist zu nennen Nikolaus II. von E.-Forchtenstein, Begründer der Macht des Hauses, Staatsmann, Palatin und Feldherr, geb. 1582, gest. 11. Sept. 1645, trat in jungen Jahren vom protestanischen Glauben zum kathol ischen über, wurde Führer der konstitutionellen Legitimisten, später Iudex Curiae und 1625 Palatinus. Seine Bemühungen, die Gegensätze konstitutioneller und religiöser Art zwischen dem Hofe und der Nation auszugleichen, brachten ihm wenig Dank. Bei Hof war insbes. der Primas Pázmány (s.d.) sein Rival. Er erlebte noch den Aufstand Georg Rákóczis II., den er umsonst zu verhindern suchte. Er war auch literarisch tätig. Seine Werke gab Fr. Toldy heraus (Budap., Ungarische Akademie); seine Biographie schrieb Al. Szalay (3 Bde.). – Anton. v. E. (1626–1722) war Oberst in kaiserlichen Diensten und schloß sich dann 1703 Franz Rákóczi an, mit dem er 1711 nach Frankreich und später nach Rodosto auswanderte. Von seinem Sohne Valentin stammt die Linie Hallewyl-E. ab, die 1876 mit Graf Ladislaus erlosch. – Noch ist zu nennen Moritz, Graf von E., geb. 1807, gest. 8. Nov. 1890, österreich. Diplomat, war bis 1856 österreichischer Gesandter in Rom, trat 1861 in das Kabinett Schmerling und war auch Mitglied des 1865 gebildeten Ministeriums Belcredi. Er war eine Hauptstütze der klerikal-feudalen Reaktionspartei am Wiener Hof, wo sein Einfluß jeden andern überragte und sich insbes. 1866 zu unheilvoller Geltung brachte, da E. zugleich ein unversöhnlicher Gegner Preußens und Italiens war.

Der in der Dreyfusaffaire oft genannte ehemalige französische Major Walsin-Esterházy stammt nicht aus der bis 1876 blühenden französischen Linie der E.-Hallewyl, sondern ist der Urenkel der Gräfin Marie Anna E., die morganatisch einem Offizier namens Walsin angetraut war.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 127-128.
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