[746] Gesteinsbohren u. Gesteinsbohrmaschinen. Die wichtigste und wirksamste Gewinnungsweise fester Gebirgsarten für alle Bauzwecke ist die Sprengarbeit. Wenn man im Innern eines Gesteinstückes eine Spannung hervorruft, stark genug, um den Zusammenhang zwischen den einzelnen Teilchen zu lösen, so wird das Stück gesprengt. Man bohrt zu dem Zweck ein Loch, füllt dessen untern Teil mit Sprengstoff, verschließt (verdämmt) es bis zur Mündung so kräftig wie möglich und bringt hierauf mittels einer geeigneten Zündvorrichtung die Ladung zum Losgehen. Das Bohren kann von Hand aus oder mittels Maschinen geschehen. Beim Handbohren ist fast ausschließlich der Meißelbohrer (Fig. 1) im Gebrauch. Seine Stange ist rund oder achteckig, die Schneide bogenförmig oder gerade; je weicher das Gestein, desto stärker die Krümmung. Im Bergbau kommen vereinzelt Kreuzbohrer vor, deren Schneide zwei sich rechtwinklig kreuzenden Meißeln entspricht. Meißelbohrer sind am leichtesten herstellbar und instand zu halten und leisten bei richtiger Handhabung die besten Dienste. Sie sollen in der Mitte des 18. Jahrh. durch ungarische Bergleute in Deutschland eingeführt worden sein. Der Bohrer wird durch Hammerschläge in das Gestein getrieben. Nach jedem Schlage wird er ein wenig um seine Achse gedreht (umgesetzt), damit er sich nicht festkeilt und das Loch rund wird. Bei diesem Vorgange wird das Innere des Bohrloches zu Mehl verarbeitet, das von Zeit zu Zeit ausgeschöpft werden muß. Hierzu dient ein langstieliges Löffelchen, der Krätzer. Das obere Ende des Bohrers ist flach oder abgerundet. Letzteres ziehen die ausgezeichneten »welschen« Steinbrecher vor. Der Schlägel ist dann weich und erhält im Laufe der Arbeit eine Höhlung, die ein Abgleiten verhütet. Ein kleines Loch a im obern Ende soll das Prellen des Schlages mildern. Man kann ein-, zwei- oder dreimännig arbeiten. Das einmännige Bohren, wobei der Mann in einer Hand den Bohrer, in der andern den Fäustel führt, kommt zumeist beim Bergbau und zuweilen beim Tunnelbau vor. Bei dem zweimännigen Bohren handhabt einer den Bohrer, der zweite den Schlägel.
Da der Mann seine ganze Kraft aufs Zuschlagen verwenden kann und viel schwerere Hämmer anwendbar sind, ist der Schlag weit wirksamer als bei einmänniger Arbeit. Weil das Zuschlagen sehr ermüdet, wechseln die Leute ab Dasselbe gilt beim dreimännigen Bohren, wo einer den Bohrer führt und zwei wechselweise zuschlagen, die Schläge also doppelt so rasch erfolgen wie zweimännig. Mit etwa 60 cm langen Bohrern fängt man an und nimmt längere, bis zu 150 cm, in dem Maße, wie das Bohrloch tiefer wird. Der Bohrer muß stets 2025 cm länger sein, als das Loch tief werden soll. Wenn das Loch über 100 cm tief ist, la wird der Bohrer schon schwer und der Schlag wenig wirksam. Dann ist aber bereits Führung genug vorhanden, um mit dem Stoßbohrer weiter arbeiten zu können. Das ist ein Meißelbohrer mit 23 m langer, 2,53 cm dicker, stählerner Stange, der gewöhnlich von zwei Mann gehandhabt (gehoben, gestoßen und dabei gedreht) wird. Stoßbohrer sind 11/2-2mal wirksamer als Schlagbohrer, ihre Schneiden nutzen sich aber auch rascher ab. In hartem Gestein können auf das Zentimeter Bohrlochtiefe 15 Bohrer verschlagen, d. h. so stumpf werden, daß man sie neu schärfen muß. Die Länge des beim Bohren abgenutzten Eisens beträgt in hartem Gestein etwa ein Zehntel der gebohrten Tiefe.
Das Bohren mittels Maschinen. Bei der Bohr- und Sprengarbeit mit Handbetrieb geht das Herstellen der Bohrlöcher äußerst langsam. Der sogen. Mont Cenis-Tunnel wurde 1857 mit Handbohrung begonnen, und man rechnete auf 27 Jahre Bauzeit. 1861 erfand Sommeiller seine Stoßbohrmaschine mit Druckluftbetrieb, und der Tunnel wurde schon 1871 vollendet. Der Gotthardtunnel hätte mit Handbohrung die fünffache Bauzeit erfordert. Die Schnelligkeit des Vordringens ist unter Umständen, bei langen Tunnels stets, wichtiger als die Höhe der Gewinnungskosten für die Kubikeinheit. Man unterscheidet Stoßbohrmaschinen und Drehbohrmaschinen. Als Betriebskraftquelle[746] wird Dampf oder Wasser verwendet. Die Kraftübertragung erfolgt durch Preßluft, Preßwasser und Elektrizität. Auch Handbetrieb kommt vor. Die ältern Stoßbohrmaschinen werden mit Preßluft betrieben, die, wie bei der Dampfmaschine der Dampf, bald auf die eine, bald auf die andre Seite eines Kolbens wirkt und diesen im Zylinder hin und her treibt. An der Kolbenstange ist ein Meißel befestigt, welcher der Bewegung des Kolbens folgt, und daher Stöße gegen das Gestein auszuüben vermag. Dann ist noch eine Vorrichtung vorhanden, um den Bohrer nach jedem Schlag umzusetzen, und eine weitere Vorrichtung, um ihn in dem Maße, wie das Loch sich vertieft, nachzuschieben. Das Bohrmehl wird mit Spritzwasser aus dem Loch entfernt. Bei der elektrisch betriebenen Stoßbohrmaschine von Siemens u. Halske wird der Bohrer durch ein federndes Kurbelgetriebe hin und her geschleudert. Die elektrische Stoßbohrmaschine von H. N. Marvin, Canasota (New York) und auch die der Union-Elektrizitätsgesellschaft bestehen hauptsächlich aus zwei geradlinig hintereinander liegenden Drahtspulen, die mit einer Wechselstrommaschine verbunden sind, so daß ein innerhalb der Spulen befindlicher weicher Stahlkern durch magnetische Kraft bald in die eine, bald in die andre Spule hineingezogen, also hin und her getrieben wird. An dem Kern ist der Meißelbohrer befestigt. Die Stoßbohrmaschinen werden auf Gestellen angebracht, so daß man sie in beliebiger Richtung angreifen lassen kann. Die Gestelle bestehen entweder in beweglichen Füßen, oder sie befinden sich auf einem Wagen, oder es sind sogen. Spannsäulen, Schrauben- oder Wasserpressen, die man zwischen zwei Wänden festspannen kann.
Bei den Drehbohrmaschinen hat man zu unterscheiden solche mit flachen Bohrern, ganz ähnlich den Metallbohrern, und solche mit Kernbohrern. Die flachen Bohrer werden mit der Hand oder mit Elektrizität ziemlich rasch gedreht, indem man sie mäßig gegen das Gestein preßt und fleißig Wasser in das Bohrloch spritzt. Der Kernbohrer besteht aus einem hohlen Zylinder, der sonach ein Loch von ringförmigem Querschnitt macht. Der zylindrische Kern bricht in größern Stücken ab, und es braucht daher nur ein Teil des Lochinhalts zu Mehl verarbeitet zu werden. Es gibt zwei Arten von Kernbohrmaschinen, bei der einen ist die Krone mit Diamanten besetzt und wirkt abschleifend, während der Bohrer unter mäßigem Druck sehr rasch gedreht wird. Die Diamantbohrmaschine wird zu Tiefbohrungen, aber kaum beim Felsensprengen verwendet, obschon ihr Erfinder, der Genfer Uhrmacher Leschot, sie ursprünglich für den Mont Cenis-Tunnel bestimmt hatte. Bei der zweiten, von A. Brandt erfundenen Drehbohrmaschine hat der Bohrer aus bestem Stahl an der Krone drei Zähne. Er wird durch eine hydraulische Presse unter etwa 80 Atmosphären mit einer Kraft bis zu 15,000 kg gegen das Gestein gedrückt und gleichzeitig durch eine kleine Druckwassermaschine langsam gedreht. Das Gestein wird hierdurch zermalmt und losgebröckelt Die Bohrmaschine ist an eine Spannsäule befestigt, die eine hydraulische Presse bildet.
Fig. 24 zeigen die Druckluft-Stoßbohrmaschine von Ferroux, wie sie beim Bau des Arlbergtunnels verwendet worden ist. V ist der Vorschiebezylinder mit dem Kolben und der hohlen Kolbenstange, an deren Ende die Maschine festsitzt. Die rückwärts durch einen Hahn eingelassene Druckluft gelangt durch die Kolbenstange in den Schieberkasten. Zur Steuerung dienen zwei hohle zylindrische Stöpsel, die in den Stoßzylinder Z hineinragen und beim Hin- und Hergang des Kolbens K durch dessen kegelförmige Ansätze abwechselnd gehoben werden, so daß die Druckluft durch seitliche Löcher eintreten und in den Zylinder gelangen kann, wie in der Abbildung links. Wenn der eine Steuerstöpsel gehoben wird, drückt der Hebel H den andern hinab und die Druckluft auf der entgegengesetzten Seite des Kolbens K pufft aus, wie in der Abbildung rechts. Beim Vorstoß ist große Kraft nötig und daher der ganze Kolbenquerschnitt wirksam, während für den Rückgang geringe Kraft und der kleine Teil des Kolbenquerschnittes rings um die dicke Kolbenstange genügt. An der Verlängerung der Kolbenstange ist der Meißelbohrer mittels einer Musse und eines Treibkeils befestigt. Zum Umsetzen dient ein Sperrad S (Fig. 4), das vorn an der Maschine in einem Gehäuse sitzt und in dessen Nabe die Kolbenstange hin und her geht. In die Kolbenstange sind schraubenförmige Nuten d d eingeschnitten, in die das Sperrad mittels zweier Nasen eingreift. Beim Rückgang ist das Sperrad durch die Klinke festgehalten, und die Kolbenstange samt dem Bohrer muß sich drehen. Der Bohrer wird umgesetzt. Beim Vorstoß läßt die Klinke los, das Sperrrad wird durch die Wirkung der schraubenförmigen Nute gedreht, und der Bohrer stößt geradeaus.
Die Maschine wird auf dem Rahmen R festgehalten durch Sperrklinken, die in zwei entgegengesetzte Zahnstangenpaare, eins oben, das andre unten, eingreifen
Die hintere Sperre Q (Fig. 3) und das untere Zahnstangen paar hindern eine Verschiebung nach rückwärts, die vordere Sperre[747] und das obere Zahnstangenpaar eine Verschiebung nach vorwärts. Wenn der Bohrer auf eine Tiefe vorgedrungen ist, die dem größtmöglichen Hube des Kolbens K entspricht, stößt die Verdickung der Kolbenstange gegen den Daumen E, hebt die bei D mittels Druckluft gefederte vordere Sperre aus, und die Maschine macht selbsttätig einen Ruck vorwärts, wird aber alsbald, beim Rückgange des Kolbens, wieder festgestellt. Die Maschine macht gegen 250 Stöße in der Minute und arbeitet etwa unter 5 Atmosphären Druck.
Da die Luft beim Zusammendrücken in den Gebläsemaschinen sich erhitzt, muß sie gekühlt werden, jedoch trocken bleiben, denn beim Auspuffen aus der Bohrmaschine kühlt sie sich so weit ab, daß mitgeführtes Wasser gefriert und die Maschine stockt.
In den Fig. 5,6,7 ist die beim Bau des Simplontunnels verwendete Druckwasser-Drehbohrmaschine von Brandt dargestellt. L, R, S (Fig. 5) ist die Vorschiebevorrichtung, C, D, E (Fig. 6) die Drehmaschine. Der Führungszylinder S sitzt fest auf dem Fußstück, das sich gegen die Spannsäule W stemmt und mit ihr durch die Gelenkbolzen T und den Spannbügel V verbunden ist.
Der Vorschiebezylinder L läßt sich längs des Führungszylinders S, der vorn einen Kolben trägt, vor- und rückwärts bewegen. Das Druckwasser tritt durch das Anschlußstück A ein, geht durch das Einströmungsstück B und wird mittels des Hahnes Z entweder durch die Vorschiebewasserröhre J in den vordern Raum, zwischen dem Kopfe des Führungs- und dem Boden des Vorschiebezylinders, geleitet oder durch die Rückzugwasserröhre K in den Raum zwischen beiden Zylindern. Gleichzeitig stellt der Hahn Z die erforderliche Verbindung mit dem Ablaufrohr U her. Die Drehmaschine wird von B aus mit Druckwasser gespeist. Ihr Zylinderpaar ist derart gekuppelt, daß jedes der beiden Kolbenpaare E zugleich als Steuerung für das andre Kolbenpaar wirkt. Durch die Kolbenbewegung wird die Schnecke P und das Schneckenrad Q gedreht, das auf der Umhüllung R des Vorschiebezylinders L festsitzt. Die Umhüllung ist so eingerichtet, daß sie bei ihrer Drehung den Vorschiebezylinder L samt dem durch eine Mutter M daran befestigten Gestänge N und dem Bohrer O mitnimmt, ohne jedoch deren Vor- und Rückwärtsbewegung zu hindern Ein Teil des aus der Drehmaschine entweichenden Wassers kann mittels des Hahnes G durch ein Kupferrohr ins Innere des Führungszylinders S und von da durch das Rohr H in die Höhlung des Gestänges N und des Bohrers O geleitet werden, an dessen Ende es austritt und das Bohrloch spült. Bemerkenswert sind noch die auf Fig. 7 ersichtlichen gelenkigen Kettenrohre, mittels deren das Druckwasser von der Hauptleitung zu dem auf dem Gestell befestigten Verteiler geleitet und von hier an die einzelnen Bohrmaschinen abgegeben wird. An einer Spannsäule können bis zu vier Bohrmaschinen nebeneinander befestigt werden. Die Brandtsche Maschine spielt heute beim Tunnelbau die erste Rolle und war beim Stollenvortrieb für den Bau des Simplontunnels ausschließlich im Gebrauch.
Vgl. Riedler, Gesteinsbohrmaschinen (Wien 1877); Dolezalek, Der Tunnelbau (Hannov. 188996); Marvins elektrische Stoßbohrmaschine (in »Scientific American«, April 1899, S. 262); Mackensen, Der Tunnelbau (hrsg. von Willmann, 3. Aufl., Leipz. 1902); Pestalozzi, Bauarbeiten am Simplontunnel (Zür. 1902).
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