[583] Krankenpfleger und Krankenpflegerinnen, Personen männlichen und weiblichen Geschlechts, die sich der Krankenpflege gewidmet haben. Während man[583] früher zum Krankenpflegeberuf oft Personen mit mangelhafter Schulbildung, mit Gebrechen Behaftete und Personen, die in den verschiedensten Lebenslagen Schiffbruch gelitten hatten, zuließ, hat die Erfahrung gelehrt, daß selbst eine theoretische und praktische Ausbildung im Fach der Krankenpflege nicht völlig die ethischen Gebrechen einer mangelhaften Jugenderziehung und eines bedenklichen Vorlebens verwischen können, wo es sich um Leistungen handelt, deren Äquivalent in Geldeswert nicht auszudrücken ist. Den größern Wert besitzt ein Personal, das in der Richtung ausgebildet ist, daß Berufstreue, Sittlichkeit, Gehorsam und Entsagung einen unerschütterlichen Teil der ganzen Lebensanschauung bei ihm ausmachen. Der Ausbildung von Krankenpflegerinnen widmen sich katholische Orden, wie die Borromäerinnen (Trebnitz, Trier), die Armen Dienstmägde Christi (Dernbach), die Klemensschwestern (Münster), die Franziskanerinnen (St. Mauritz, bez. Heythuysen, Waldbreitbach, Aachen), die Elisabethinerinnen (Neiße), die Vincentinerinnen (Paderborn, Fulda) u. a. (vgl. Barmherzige Schwestern). Evangelische Schwestern werden in Diakonissenhäusern ausgebildet, die in der Regel im Besitz von Krankenhäusern sind (vgl. Diakonissen). Die kirchlichen Gemeinschaften sind in der Lage, ihre Schwestern unentgeltlich oder gegen geringe Bezahlung zur Krankenpflege auszusenden, und die Schwestern selbst sind durch ihre Zugehörigkeit zu den Gemeinschaften wirtschaftlich sichergestellt. Die weltlichen Schwesterverbände, die sich aus beruflichen Pflegerinnen zusammensetzen, müssen dagegen darauf halten, daß ihre Angehörigen den Leistungen entsprechend entlohnt werden.
Der Ausgangspunkt für die weltliche, berufliche Krankenpflege waren die Erfahrungen der letzten Kriege, zugleich mit der rapiden Entwickelung der Medizin u. Hygiene, die gebildete und geschulte Hilfskräfte notwendig machten. Die Vaterländischen Frauenvereine haben seit 1870 durch Gründung von 24 Mutterhäusern vom Roten Kreuz in allen Teilen Deutschlands mit ca. 1400 Schwestern die ersten Schritte nach dieser Richtung getan. Sie waren interkonfessionell gedacht, verlangten durchweg höhere Schulbildung und gaben zum Teil eine gute berufliche Schulung, die nur zu oft durch Schwesternmangel verhindert wurde, weil man Schülerinnen zu voller Leistung heranziehen mußte. Da ihre innere Gestaltung der heutigen Neigung zur Selbständigkeit nicht genügend Rechnung trägt, ist es ihnen ebensowenig wie den religiösen Pflegeinstitutionen gelungen, den Bedarf an Pflegerinnen nur annähernd zu decken. Vor etwa 20 Jahren wurde nach englischem Muster das Viktoriahaus in Berlin gegründet, das aber auch nur für drei städtische Krankenhäuser und einige andre kleine Anstalten genügend Schwestern sammeln konnte. Seit dem letzten Jahrzehnt versuchen größere städtische Krankenhäuser, wie Hamburg-Eppendorf, Magdeburg-Altstadt, neuerdings Frankfurt a. M., Berlin-Moabit, Charlottenburg, eigne Schwesternschaften zu bilden. Alle gehen von dem Gesichtspunkt aus, nur für ihr Krankenhaus das Pflegepersonal heranzubilden, und suchen es durch mehrjährige Kontrakte, Kautionen und Pensionsversprechungen zu fesseln. Alle haben aber gleich sehr unter starkem Wechsel, zum Teil infolge der allgemeinen Überanstrengung, zu leiden Wenn auch die Form der Schwesternschaft beibehalten wurde, so ist es ihnen doch nicht gelungen, eine innere Zusammengehörigkeit zu schaffen, die nur durch den starken Einfluß religiöser, patriotischer oder humanitärer Ideen zu erreichen ist. Von den letztern ausgehend, hat vor zwei Jahren eine starke Strömung unter frühern Angehörigen aller dieser Schwesternschaften zur Gründung der Berufsorganisation der Krankenpflegerinnen Deutschlands geführt. In ihr soll der Gedanke der Zusammengehörigkeit als Schwesternschaft bei persönlicher Selbständigkeit durch soziale Interessen lebendig gehalten werden. Nicht zu früher Eintritt (etwa 23 Jahre, statt 1820 bisher) in den aufreibenden Beruf, gründliche Ausbildung, Schutz gegen Überanstrengung (der größten Berufsgefahr), Selbstversorgung durch staatliche und private Invaliditäts- und Pensionsversicherungen sind die Hauptforderungen dieser neuen Vereinigung. Das Bureau in Berlin ist das Bindeglied des schon ca. 600 Schwestern zählenden, sich sehr schnell vergrößernden Kreises. Die Schwestern sind auf allen Pflegegebieten des In- und Auslandes tätig, besonders in denen der neuesten sozialen Fürsorge: Lungenheilstätten, Tuberkulosefürsorge, Säuglings- und Wöchnerinnenheimen etc. Neben dem Hauptzweck: schon ausgebildeten, außerhalb der Verbände stehenden Krankenpflegerinnen einen festen Halt zu geben, will die Berufsorganisation dem Pflegeberuf auch möglichst weite Frauenkreise gewinnen, um dem steigenden Mangel abzuhelfen. Lebhafte Fühlung mit den Kreisen der Frauenbewegung ist durch die Verhandlungen des Bundes deutscher Frauenvereine in Wiesbaden 1902 und auf dem Internationalen Frauenkongreß 1904 hergestellt; sie ist besonders nötig, um den im Laufe der Jahre für Krankenhaus- und Privatpflege nicht mehr mit ihrer Kraft ausreichenden Schwestern die sozialen Arbeitsfelder zu sichern. Die Berufsorganisation hat sich nicht nur dem Bunde deutscher Frauenvereine angeschlossen, sondern gehört auch zum Internationalen Pflegerinnenbund, der 1899 auf dem Londoner Weltfrauenkongreß von englischen und amerikanischen Oberinnen gegründet wurde und mit den internationalen Frauenkongressen zugleich tagt. Die deutsche Reichsregierung beabsichtigt seit den letzten Jahren die bisher oft ganz fehlende oder willkürlich 3,612 Monate umfassende Ausbildung gesetzlich zu regeln und eine Schlußprüfung vorzuschreiben, die beste Aussicht für Regelung der zurzeit sehr ungeordneten und schwierigen Krankenpflegeverhältnisse. Auf Grund dieser Ideen beginnt man jetzt im größten deutschen staatlichen Krankenhaus, der Berliner Charité, gleichfalls eine Schwesternschaft zu entwickeln, und einige 1906 zu eröffnende große Krankenhäuser werden den Reformbestrebungen in mehreren deutschen Städten eine noch breitere Grundlage schaffen.
Viel geringer an Zahl als die weiblichen sind die aus Orden hervorgehenden männlichen Krankenpfleger. Die Anstalten für Barmherzige Brüder in Breslau, Montabaur und Koblenz, der Franziskaner-Tertiarier, der Alexianerbrüder sind hier vornehmlich zu nennen. Für die Ausbildung evangelischer Diakonen bestehen unter andern die Diakonenbruderhäuser in Karlshof (Kreis Rastenburg), Johannesstift (Plötzensee bei Berlin), das Johanniterkrankenhaus in Züllchow bei Stettin, das deutsche Samariterordensstift in Kraschnitz (Kreis Militsch), die Bruderanstalt Lindenhof in Neinstedt (Kreis Aschersleben), das Stephansstift in Kirchrode (Hannover), die Diakonenanstalt in Duisburg. Bemühungen zur Ausbildung von männlichem Krankenwartepersonal, obwohl zurückreichend bis in das 18. Jahrh., haben bis jetzt geringere Erfolge gehabt. Diesen tut die zur Genüge[584] festgestellte Tatsache Abbruch, daß die rein gewerbliche Seite des Krankendienstes nirgends eine genügende Anziehungskraft ausübt, um die Privatausbildungsanstalten über eine bescheidene Höhe hinauszuheben. Es sind überall gewisse außerhalb dieser greifbaren Ziele liegende ideale Stützpunkte, die dem Krankenpflegerwesen die Sicherung des Bestehens darbieten. Über die Stellung des Johanniterordens und des Malteserordens zur Krankenpflege s. die betreffenden Artikel.
Nach 25jährigen Beobachtungen in 38 Klöstern starben von katholischen Krankenpflegerinnen an Tuberkulose 62,9 Proz., hauptsächlich jüngere Personen in den ersten fünf Jahren ihrer Tätigkeit (nicht Novizen). Ebenso scheinen mehr Schwestern am Typhus zu sterben, als den betreffenden Altersgruppen entspricht. Der schädigende Einfluß der Pflegebeschäftigung bei Ileotyphus wird vielfach bestritten, zugegeben aber ist die Gefahr der Ansteckung und ungünstiger Ausgänge bei Pflegerinnen von Flecktyphuskranken. Vgl. »Deutscher Kalender für Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger« (hrsg. von G. Meyer, Frankf. a. M.), daraus als Sonderdruck: Dietrich, Die für das Pflegepersonal wichtigsten Bestimmungen der deutschen Reichs- und Landesgesetzgebung (das. 1901).