Malaiischer Archipel

[155] Malaiischer Archipel (Indischer, Ostindischer, Südostasiatischer Archipel, auch Indonesien oder Insulinde, s. Karte »Hinterindien«), Name für die zwischen Asien und Australien liegende Inselflur, mit 2,038,920 qkm Fläche, die wieder in drei Abteilungen zerfällt: 1) die äußere (östliche) Reihe an der Nordost- und Ostgrenze, bestehend aus den Molukken mit den Banda-, Amboina- und Ternateinseln und aus den Philippinen; 2) die innere (westliche) Reihe an der Süd- und Südwestgrenze, gebildet von den Andamanen und Nikobaren, den Großen Sundainseln Sumatra und Java und den Kleinen Sundainseln im O. von Java; 3) die mittlere Gruppe: die Großen Sundainseln Borneo und Celebes nebst zahlreichen kleinen Inseln. Der Äquator durchschneidet die Westreihe in Sumatra, die Mittelgruppe in Borneo und Celebes, die Ostreihe in den Molukken. Die große Übereinstimmung des geologischen Baues sowie der Floren und Faunen dieser Inselgruppen nötigt zu der Annahme, daß sie Bruchstücke einer später auseinandergerissenen Landmasse sind, die Asien und den Australkontinent in ähnlicher Weise verband, wie Zentralamerika die beiden Hälften der Neuen Welt noch jetzt verbindet. Nach Weber waren Java, Sumatra und Borneo zur Tertiärzeit mit dem asiatischen Festland verbunden; Java wurde zuerst abgetrennt, und zwar von Borneo früher als von Sumatra. Alle Inseln des Archipels sind, mit Ausnahme kleiner Koralleneilande, gebirgiger Natur. Man findet, wenigstens auf den größern, überall ein Grundgebirge aus Gneis und Glimmerschiefern. Hierauf folgen paläozoische Schiefer und Sandsteine sowie Kohlenkalk, wie auf Sumatra und Timor, dann in geringerer Verbreitung mesozoische Sedimente und tertiäre Gebilde. Letztere überlagern auf Java das Grundgebirge vielfach unmittelbar und schließen auf Sumatra auch bauwürdige Braunkohlen ein. Von ältern Eruptivgesteinen haben Diorit, Syenit und besonders Granit große Verbreitung. Jüngere vulkanische Gesteine (Andesite, Trachyte, Basalte nebst zugehörigen Tuffen) finden sich namentlich auf Sumatra, Java und den Sundainseln. Durch die Großen und Kleinen Sundainseln, die Molukken und Philippinen erstreckt sich eine Reihe von Vulkanen, die meist unmittelbar aus der See oder der Ebene emporsteigen, oft auch paarweise beisammenstehen. Im übrigen herrscht in der Gestaltung der Inseln große Verschiedenheit. Wo vulkanische Bildung vorwiegt, sind die Inseln langgestreckt, wo sie zurücktritt, flächenhafter ausgedehnt. Der Malaiische Archipel hat ein tropisches, feuchtes, gleichmäßiges Klima und, mit Ausnahme der hohen Gebirgsgegenden, etwa 25 bis 27° Mittelwärme. Wechselnde Monsune scheiden die trocknern und nassen Jahreszeiten, die allerdings nach der Lage verschieden sind: nördlich vom Äquator April bis Oktober der Südwestmonsun (Regenzeit), von November bis März der Nordostpassat, südlich davon im (südlichen) Sommer der Nordwestmonsun, im Winter der Südostpassat. Die folgende Tabelle gibt nach Hann die Temperaturverhältnisse:

Tabelle

Regenmenge: Singapur 2400 mm (Maximum Dezember und August), Padang 4612 mm (Maximum [155] Dezember und Oktober), Batavia 1802 mm (Maximum Januar), Buitenzorg 4460 mm (Maximum Januar), Bandschermassing 2400, Menado 2661 mm. Eine eigentliche Trockenzeit gibt es nicht. Hinsichtlich der Flora vergleiche man die einzelnen Inseln des Archipels. Die Tierwelt, zum Teil der orientalischen, zum Teil der australischen Region angehörig, zeichnet sich aus durch großen Reichtum an Arten wie an Individuenzahl. Vielfach besitzen die einzelnen Inseln eine charakteristische Fauna. Aus der Fauna des orientalischen Teils des Malaiischen Archipels sind hervorzuheben der Orang-Utan, Gibbon, Tapir, Rhinozeros, Elefant, der malaiische Bär, Königstiger, Panther, eine Anzahl Viverren, Wildschwein, verschiedene Rinder, die Moschushirsche, eine Reihe Hirsche und andre Säugetiere. Von den Vögeln sind Charaktervögel die Nashornvögel, der Argusfasan; wichtig wegen ihrer Nester, der »eßbaren Schwalbennester«, sind die Salanganen. Die Fischfauna dieses Teils des Malaiischen Archipels ist dadurch charakterisiert, daß sie noch Karpfen enthält. Die von Wallace zwischen Borneo und Celebes gezogene Grenzscheide zwischen orientalischer und australischer Region wird nach den neuesten Forschungen in dieser Schärfe nicht mehr anerkannt, da nach Weber auch Celebes eine asiatische Fauna besitzt. Doch finden sich nach Niermeyer hier und in Flores Übergänge. Östlich davon herrscht eine fast rein australische, westlich eine abgeschwächt asiatische Fauna Im östlichen Teil verschwinden vor allem die Säugetiere der orientalischen Fauna fast plötzlich und die australischen Formen (Marsupialien) treten an ihre Stelle. Die ursprüngliche Bevölkerung scheint einer jetzt nur noch hier und da in schwachen Überresten erhaltenen, dunkelfarbigen Rasse angehört zu haben, doch schon sehr früh von einer großen Zahl naheverwandter, hellfarbiger Stämme verdrängt worden zu sein, den Malaien (s. d.), die seit dem 12. Jahrh. von Sumatra aus sich über den Archipel verbreiteten und Staaten gründeten, deren Blüte später (im 16. Jahrh.) durch die Eroberungen der Europäer zusammensank. Zu diesen Bewohnern kommen noch etwa 1/2 Mill. eingewanderter Chinesen, besonders in Java, Sumatra und Borneo sowie auf den Philippinen, dann zahlreiche (etwa 80,000) Europäer und Araber. Portugiesen setzten sich bereits Anfang des 16. Jahrh. auf den Molukken fest, mußten aber den Niederländern weichen, die Anfang des 17. Jahrh. ihre ersten Kolonien auf Java gründeten. Das Generalgouvernement von Niederländisch-Indien umfaßt die Inseln Java und Madura, Sumatra, Borneo mit Ausnahme eines kleinen Teils im N. und NW., Celebes, Menado, Amboina, Ternate, den westlichen Teil von Timor, Bali und Lombok. Die nicht niederländischen Teile von Borneo stehen unter dem Protektorat von England, das außerdem die Insel Labuan besitzt; der östliche Teil von Timor gehört Portugal, die Philippinen und der Suluarchipel den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Areal und Bevölkerung des Malaiischen Archipels sind jetzt wie folgt verteilt:

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Die Bevölkerung bekennt sich größtenteils zum Islam, doch arbeiten hier, jetzt auch mit Unterstützung der Regierung, sechs niederländische Missionsgesellschaften, außerdem die Rheinische Mission und eine englische Gesellschaft, auch die Katholiken sind tätig. Die Erfolge sind indes wenig bedeutend. Nur auf den Philippinen ist es den katholischen Missionaren gelungen, den größten Teil der Bevölkerung zu bekehren. Näheres siehe unter den die einzelnen Gebiete behandelnden Artikeln. Vgl. Wallace, Der Malaiische Archipel (deutsch von A. B. Meyer, Braunschw. 1869, 2 Bde.); v. Rosenberg, Der Malaiische Archipel (Leipz. 1878, 2 Bde.); Bastian, Indonesien (Berl. 1884–94, 5 Tle.); Forbes, A naturalist's wanderings in the Eastern Archipelago (Lond. 1885; deutsch, Jena 1886, 2 Bde.); Hagen, Anthropologische Studien aus Insulinde (Amsterd. 1890); Carthaus, Aus dem Reich von Insulinde (Leipz. 1891); Guillemard, Australasia, Bd. 2: Malaysia (Lond. 1894); Skeat, Malay magic: Introduction to folk-lore and popular religion of Malay Peninsula (das. 1900); E. Haeckel, Aus Insulinde, malaiische Reisebriefe (Bonn 1901); M. Weber, Der indo-australische Archipel und die Geschichte seiner Tierwelt (Jena 1902); A. Pflüger, Smaragdinseln der Südsee (Bonn 1901); H. V. Pedersen, Durch den Indischen Archipel, eine Künstlerfahrt (Stuttg. 1902); Bezemer, Volksdichtung aus Indonesien, übersetzt (Haag 1904), und die Literatur bei »Niederländisch-Indien«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 155-156.
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