Parfümerie

[435] Parfümerie (franz.), Industriezweig, der sich mit der Darstellung wohlriechender Präparate (Parfüme) beschäftigt. Man benutzt natürliche und künstliche wohlriechende Substanzen, die an Fette (Pomaden), Spiritus (Tinkturen, Essenzen, Extrakten etc.), Wasser, Öle (Haaröle), Essig, Pulver, Seife, sein zerschnittene Pflanzenteile (zu Räucherpulvern etc.) gebunden werden. Die natürlich vorkommenden Riechstoffe stammen bis auf Moschus, Ambra und Zibet von Pflanzen und sind meist ätherische Öle, seltener Balsame, Harze etc. Außerdem benutzt man in der P. auch künstliche Präparate, wie Benzaldehyd und Nitrobenzol (künstliches Bittermandelöl), Kumarin, Heliotropin, Vanillin, Naphtholmethyl- und Äthyläther (Jara-Jara und Nerolin), Jonon (Veilchen), Salizylsäuremethyläther (Wintergrünöl), künstlichen Moschus sowie auch zur Belebung des Geruchs Essigsäure, einige Äther, Chloroform und Ammoniak. Die Ätherischen Öle (s. d.) werden häufig aus den Pflanzen durch Destillation abgeschieden, da aber manche zartere Gerüche durch die Destillation leiden, so überträgt man diese ätherischen Öle aus den Pflanzen direkt auf Fett. Diese parfümierten Fette (Pomaden) bilden die Grundlage der meisten Parfümerieartikel. Zu ihrer Darstellung nach der Infusionsmethode (Mazeration) werden die Blüten ohne Kelche und Stiele mit geschmolzenem Fett von etwa 65° übergossen und damit gerührt, bis das Fett erstarrt. Nach 24 Stunden wird das Fett wieder geschmolzen, von den erschöpften Blüten befreit und mit frischen Blüten zusammengerührt. Dies Verfahren wiederholt man, bis das Fett mit dem Riechstoff gesättigt ist; zur Erreichung dieses Resultats sind von manchen Blüten bis 6 kg auf 1 kg Fett erforderlich. Nach der andern Methode (Enfleurage) breitet man eine kalte Fettschicht auf einer Glastafel aus, bedeckt sie mit einer Lage Blüten und legt sie in eine Horde. Derartig beschickte Horden werden zu Säulen geordnet und die erschöpften Blüten täglich durch frische ersetzt Nach 25–30 Tagen ist dann das Fett mit dem Duft gesättigt. Man zerteilt auch das Fett in dünne, nudelähnliche Fäden und legt diese auf in Rahmen gespannte Drahtgewebe. Letztere werden dann abwechselnd mit Metallblechen, auf denen die Blüten ausgebreitet sind, in verschließbare Schränke geschoben, durch die man einen schwachen Luftstrom leitet. Da[435] nach dieser Methode das Fett gar nicht mit den Blüten in Berührung kommt, so nimmt es keine Spur von krautigem Geruch an. Nach einem dritten Verfahren extrahiert man die Blüten systematisch mit Methylchlorid, Schwefelkohlenstoff, Chloroform, trennt das Lösungsmittel von dem Riechstoff durch vorsichtige Destillation, beseitigt die letzten Spuren des erstern durch einen Luftstrom und wäscht den isolierten Riechstoff mit schwach alkalischem Wasser. Die so erhaltenen kondensierten oder konzentrierten Parfüme zeichnen sich durch große Frische und Reinheit aus.

Werden die mit dem Riechstoff Einer Pflanze beladenen festen Fette, die Pomaden, 24 Stunden mit Weingeist behandelt, so geht der Riechstoff an letztern über und man erhält die Extrakte (extraits d'odeur), während gewaschene Pomade zurückbleibt. Letztere wird nochmals extrahiert, um billigeres Parfüm zu liefern, oder zu Haarpomaden verarbeitet. Der Alkohol hat bei dieser Operation etwas Fett aufgenommen, und da dieses ranzig werden und dem Extrakt übeln Geruch erteilen würde, so kühlt man ihn mit Hilfe der Eismaschine sehr stark ab und entfernt das in der Kälte sich ausscheidende Fett. Wurde zum Extrahieren der Blüten Olivenöl angewandt, so erhält man die Huiles antiques (Haaröle). Ätherische Öle, in Alkohol aufgelöst, liefern die Essenzen (esprits), und durch Mischung verschiedener Extrakte oder Essen-;en erhält man die Bukette (fleurs), in denen in der Regel kein einzelner Geruch vorwalten darf. Die Extrakte übertreffen die Essenzen bei weitem in der Feinheit des Geruchs und liefern daher auch schönere Bukette. Spuren der eigentümlichen Fuselöle der verschiedenen Spiritusarten modifizieren zarte Gerüche, und manche Parfüme können nur mit bestimmten Spiritussorten bereitet werden. Die Fette werden bei möglichst niedriger Temperatur ausgelassen, mit etwas Alaun und Kochsalz geschmolzen, klar abgegossen und nach dem Erkalten anhaltend unter einem Wasserstrahl gewaschen. Auch werden Benzoesäure und Salizylsäure zur Konservierung des Fettes benutzt. In neuerer Zeit hat man das Fett mehrfach durch Paraffin, Vaselin und Glyzerin zu ersetzen gesucht. Riechpulver werden aus verschiedenen gepulverten Pflanzenteilen, Moschus etc. zusammengesetzt und in Säckchen, Kissen oder Kuverte gefüllt, um in Wäschschränke u. dgl. gelegt zu werden. Riechbüchschen sind durchbrochene Büchschen von Elfenbein, Horn oder Metall und enthalten Mischungen aus Moschus, Ambra, Vanille und Rosenöl, mit arabischem Gummi und Wasser zu einer Paste geknetet; über Riechfläschchens. Riechsalz.

Geschichtliches. Die Anwendung von Parfümerien ist sehr alt und stand von jeher in Beziehungen zur Mystik und zum Geschlechtsleben. Alles deutet darauf hin, daß sich das Weib zuerst der Wohlgerüche als sexuellen Reizmittels und erst in zweiter Linie zur Verdeckung eigner übler Gerüche bediente. Ägypten führte im Altertum Parfümerien nach dem Orient und Griechenland aus. Die ägyptischen Frauen besaßen für alle Körperteile besondere Parfüme, sehr beliebt war die Hennablüte. Bei allen Verführungsszenen des Alten Testaments werden Parfüme erwähnt. Man ehrte im Altertum Lebende und Tote durch Räucherungen und Salbungen mit parfümiertem Öl, sprengte bei religiösen Gebräuchen wohlriechende Wässer aus oder verbrannte Balsame und Harze zu Ehren der Gottheit. Diese Gewohnheit findet sich bereits im alten Ägypten. Moses regelte sie durch Gesetze, und in der katholischen Kirche wird noch heute geräuchert (vgl. Rauchopfer). Später aber, noch vor Konstantin, kamen die Parfüme in allgemeinern Gebrauch und wurden lediglich ihres angenehmen Geruchs halber angewandt. Damals trieb Persien ausgedehnten Handel mit Balsamen, Myrrhen und Gewürzen. In Athen artete der Gebrauch wohlriechender Substanzen in Verschwendung aus, und so erklären sich die tadelnden Worte des Sokrates und das Gesetz des Solon, das den Athenern den Verkauf von Parfümerien, wenigstens an Männer, verbot. Ein ähnliches Gesetz verbot unter dem Konsulat des Licinius Crassus den Verkauf ausländischer Parfüme. Veilchen aus Athen, Rosen aus Kyrene, Narden aus Assyrien, Hennablüten aus Ägypten wurden auch in Mischung verwendet. Die Parfüme waren auch damals die Begleiter der Venus. Die Händlerinnen und Händler waren meist Kurtisanen, Kupplerinnen, Bordellwirte. Die parfümwütigste Zeit war die römische Kaiserzeit. Die Kreuzzüge und die arabischen Ärzte veranlaßten neuerliche Anwendung und Verbreitung der Parfüme, und die Renaissance machte Epoche in der Geschichte der P. Katharina von Medici verpflanzte den übermäßigen Gebrauch der Parfüme von Italien nach Frankreich, und zur Zeit Ludwigs XV. wütete die P. wie eine Epidemie. Die Pompadour gab jährlich mehr als 500,000 Frank für Parfüme aus. Besonders beliebt waren Peau d'Espagne, Moschus, Zibet, Ambra. Gegenwärtig ist der Totalverbrauch der Parfümerien viel größer als damals; während sich aber die Anwendung von Parfümen früher nur auf die höchsten Kreise beschränkte, hat sie sich jetzt über alle Volksschichten ausgedehnt und dadurch bedeutende Industriezweige geschaffen. Die meisten Parfüme liefert Frankreich, es versandte 1901 für 11,4 Mill. Frank, Deutschland führte 1904 für 1,861,000 Mk. Parfümerien ein und für 6,536,000 Mk. aus. Vgl. Hirzel, Toilettenchemie (4. Aufl., Leipz. 1892); Askinson, Die Parfümeriefabrikation (5. Aufl., Wien 1904); Piesse, Histoire des parfums et hygiène de la toilette (neue Ausg., Par. 1905) und The art of perfumery (5. Aufl., Lond. 1891; franz. Ausgabe, Par. 1903); Winckler, Die Parfümeriefabrikation (2. Aufl., Halle 1882); Mierzinski, Die Riechstoffe (7. Aufl., Weim. 1894); Deite u.a., Handbuch der Parfümerie- und Toiletteseifenfabrikation (Berl. 1891); Sawer, Odorographia, natural history of raw materials and drugs (Lond. 1892–94, 2 Bde.); Durvelle, Fabrication des essences et des parfums (Par. 1893); Parry, Chemistry of essential oils and artificial perfumes (Lond. 1899); Charabot, Les parfums artificiels (Par. 1899); Perret, La parfumerie (das. 1901); Mann, Die moderne P. (Augsb. 1904); »Zeitschrift für Kosmetik, Parfümeriewesen etc.« (Wien, seit 1897).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 435-436.
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