Henneberg [1]

[169] Henneberg, ehemals gefürstete Grafschaft im fränkischen Kreis, von Sachsen, Thüringen, Hessen, dem Fuldaischen und Würzburgischen begrenzt, um faßte etwa 2000 qkm (35 QM.) mit (1803) 105,000 Einw. (s. die »Geschichtskarten von Deutschland II u. III«). Gegenwärtig gehören von H. zu Preußen 738 qkm oder 13,40 QM. (die Kreise Schleusingen und Schmalkalden), zu Sachsen-Weimar 290 qkm oder 5,25 QM. (Ilmenau, Ostheim etc.), zu Sachsen-Meiningen 880 qkm oder 16 QM. (Römhild, Meiningen, Salzungen etc.), außerdem noch zu Sachsen-Koburg-Gotha einige Gebiete (Zella St. Blasii). – Über die hennebergische Mundart s. Deutsche Sprache, S. 744.

Das Geschlecht der Grafen von H. läßt die Sage, um das ältere Wappenschild, eine Säule, zu erklären, von einem fränkischen Edlen »von der Säul«, der mit Kaiser Probus nach Italien gegangen sei, oder auch von den italienischen Colonnas abstammen. Da die Gaugrafen des Grabfeldes meistens den auch in der ältern hennebergischen Familie üblichen Namen Poppo führen, ist eine Identität beider Geschlechter anzunehmen, zumal Otto, der letzte Graf des Grab felds, so ziemlich dasselbe Gebiet besaß, das später den Stamm der hennebergischen Besitzungen bildete. Auch waren die Grafen von H., wie die Grafen im Grabfeld, Reichsvögte und Burggrafen zu Würzburg und trugen, als 1348 ein bischöfliches Lehen daraus wurde, neben dem Würzburger Obermarschallamt auch dieses zu Lehen. Die im Bauernkrieg zerstörte, jetzt als Ruine liegende Burg H., nach der sich die Grafen seit dem 11. Jahrh. nannten, stand auf einem Berg oberhalb des Dorfes H., 2 Stunden von Meiningen.

Der zuerst urkundlich (um 1037) vorkommende Graf von H., Poppo I., fiel 1078 als Anhänger Heinrichs IV. in der Schlacht bei Mellrichstadt. Seine Söhne Poppo II. (gest. 1119) und Gottwald (gest. 1144) teilten die Grafschaft, aber die von Poppo II. abstammende Wasunger Linie starb mit Poppos IV. Sohn Heinrich I. 1199 wieder aus, und ihre Besitzungen kamen an die Enkel Gottwalds, Poppo VII., Otto I. und Bertold II., die von neuem teilten. Otto I. der ältere, der auch als Minnesinger unter dem Namen Otto von Botenlaube (s. d.) bekannt ist, und sein gleichnamiger Sohn minderten den Besitz, denn[169] letzterer verkaufte 1231 seine Herrschaft Hildenburg samt Lichtenberg und Habichtsberg an Würzburg und trat in den Orden der Deutschen Ritter ein, und ersterer vermachte seine Güter dem Kloster Frauenrode, in dem er 1254 starb. In Poppos VII., des Weisen, Hand wurden nach seines Bruders Bertold und dessen Sohnes Tode die übrigen Stammgüter wieder vereinigt (1221). Dieser erscheint 1211 im Gefolge des Hohenstaufen Friedrich II., der ihn mit den Salz- und Bergwerken in Henneberg belehnte (1216), begleitete ihn nach dem Heiligen Land und wurde 1236 Statthalter in Wien. Infolge Poppos (gest. 1245) zweiter Vermählung (1224) mit Jutta von Thüringen, der Witwe des Markgrafen Dietrich von Meißen, erbte sein jüngerer Sohn, Hermann, die Herrschaft Schmalkalden zu seinem Anteil an den hennebergischen Gütern. Hermann, ein Pfleger der Dichtkunst, hielt mit seiner Gemahlin Margareta von Holland glänzend Hof und lag in Fehde mit Würzburg und den Grafen von Hohenlohe. Er verhalf seinem Oheim Heinrich Raspe, dann seinem Schwager Wilhelm von Holland zur Königskrone und erhielt von König Rudolf I. 1276 die Anwartschaft auf die Grafschaft Holland. Seine Rechte daran trat er 1282 dem Markgrafen Otto von Brandenburg ab, der mit seiner Tochter Jutta vermählt war, starb 1290, und schon 1291 erlosch mit seinem Sohne Poppo VIII. der Mannesstamm dieser Nebenlinie, die die koburgische heißt. Ihre Güter fielen infolge testamentarischer Verfügung Poppos durch Jutta an das brandenburgische Haus und erscheinen nun, weil sie durch einen Pfleger verwaltet wurden, als die »Pflege Koburg«.

Das Henneberger Stammgut erhielt 1245 Hermanns älterer Bruder, Heinrich III. (gest. 1262), dessen drei Söhne Bertold V., Hermann II. und Heinrich IV. ihre Lande zwölf Jahre in Gemeinschaft regierten und erst 1274 teilten. Dadurch entstanden die drei Linien: Schleusingen, Ascha und Harten berg-Römhild. Die letzere starb schon 1378 aus, und ihre Besitzungen fielen an die Aschaer Linie. Diese verkaufte Ascha an Würzburg und siedelte nach Erwerb der hartenbergischen Güter nach Römhild über und hieß von da ab Römhilder Linie. Unter ihren Gliedern spielte der Sohn Georgs I., Bertold XV., als Erzbischof von Mainz (1484–1504) in der deutschen Reichsgeschichte eine bedeutende Rolle (s. Bertold 2), der seinem Stammhaus die fürstliche Würde verschaffte. Durch Verschwendung und Unglücksfälle verarmt, verkauften die Grafen einen Teil der Besitzungen an die Grafen von Mansfeld, der Rest fiel 1549 beim Erlöschen der Aschaer Linie an die Schleusinger.

Diese begründete Bertold V., der sich die Ritter unterwarf, 1282 in französische Kriegsdienste trat und 1284 in Montpellier starb. Sein Sohn Bertold VII., geb. 1271, ein tapferer Ritter, ein staatskluger Regent, brachte dem Hause viele neue Gebiete zu, erwarb von Albrecht I., den er gegen Wenzel IV. von Böhmen 1304 unterstützte, 1307 die Statthalterschaft über Schweinfurt und vertrat 1308 als Gesandter die beiden Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg bei der Wahl Heinrichs VII. in Frankfurt. Heinrich hielt ihn an seinem Hofe, verpfändete ihm die Stadt Schweinfurt, erhob ihn 1310 zum gefürsteten Grafen und machte ihn neben dem Erzbischof von Mainz zum Verwalter Böhmens. Bertold kaufte drei Viertel der Pflege Koburg zurück, während ein Viertel durch die Vermählung seines Sohnes Heinrich VIII. mit Jutta von Brandenburg schon an sein Haus zurückgefallen war. Beiden Königen, Ludwig dem Bayern und Friedrich von Österreich, verwandt, behauptete er sich klug zwischen beiden, bis ihn Ludwig, von dem er 1314 das Jus de non evocando erlangte, zu seinem »Heimlichen« machte. Nach der Schlacht bei Mühldorf erhielt er die Pflegschaft über die an des Königs Sohn Ludwig verliehene Mark, vermittelte den Vertrag von Trausnitz wie die spätere Übereinkunft in München, begleitete den Kaiser nach Italien und erhielt in einer goldenen Bulle alle seinem Haus erworbenen Rechte bestätigt. H. wuchs durch die Erwerbung der Herrschaft Frankenstein auf 2250 qkm; Bertold hatte zuletzt 150 Vasallen und starb 1340 in Schmalkalden.

Heinrich VIII. hatte bis zu seines Vaters Tode die durch Jutta zugebrachten Güter verwaltet, teilte aber sein Land unter seine Töchter, und seinem Bruder Johann I. verblieb 1347 nur ein kleiner Teil. Sein Nachfolger Heinrich IX. (1359–1405) ward durch Veräußerungen zu Fehden und durch Fehden zu Veräußerungen getrieben; Wilhelm I. (1421–1426) dagegen erwarb mehrere Besitzungen wieder zurück. Er starb 1426 auf einer Wallfahrt nach Palästina; für seine minderjährigen Söhne regierte Georg I. von Römhild, aber Wilhelm III. (1430–1460) hinterließ wieder einen unmündigen Sohn, Wilhelm IV., den der Kaiser in seinem zehnten Jahre mündig erklärte. Auch er hinterließ 1480 nur unmündige Kinder; nach des ältesten Sohnes, Wolfgang, Tod übernahm Wilhelm VI. 1485, der die hennebergische Landesordnung erließ, die Regierung, verlor aber auch viele Güter, und die Erbschaft der Römhilder Linie 1549 war so gering, daß sie die Verluste kaum ersetzte. Viel trug zu dem Verfall des Familienreichtums die zahlreiche Nachkommenschaft bei; Wilhelm VI. hatte sieben Söhne und sechs Töchter, unter letztern jene Katharina, Gemahlin Heinrichs von Schwarzburg, die den Herzog Alba zur Schonung ihrer Untertanen zu zwingen wußte. Um sich von seiner 130,000 Gulden betragenden Schuldenlast zu befreien, schloß Wilhelm 1554 mit Herzog Johann Friedrich dem Mittlern von Sachsen, dessen Brüdern und mit Hessen einen Erbvertrag, durch den das sachsen-ernestinische Haus die Anwartschaft auf H. erhielt. Wilhelm VI., der 1544 die Reformation einführte, starb 1559, nachdem er schon 1543 seinem Sohn Georg Ernst teilweise die Regierung übergeben hatte. Dieser, auf die Hebung des Kirchen- und Schulwesens bedacht, stiftete das Gymnasium in Schleusingen und starb im Dorf H., der letzte seines Stammes, 1583.

Das Ernestinische Fürstenhaus war der erste Erbe der hennebergischen Länder; allein die Albertinische Linie in Sachsen besaß einen kaiserlichen Anwartschaftsbrief auf fünf Zwölftel der Grafschaft, für eine aus den Grumbachschen Händeln stammende Forderung. Nachdem schon 1586 die würzburgischen Ansprüche befriedigt worden waren und Hessen 1619 die Ämter Schmalkalden, Hallenberg, Herrenbreitungen, Barchfeld und Brotterode infolge eines Vertrages von 1521 erhalten hatte, kam endlich 9. Aug. 1660 folgender Teilungsvertrag zwischen den beiden sächsischen Häusern zustande: Herzog Moritz zu Sachsen-Zeitz (Albertinische Linie) erhielt Schleusingen, Suhl, Kühndorf, Benshausen, Rohr und Veßra; von der Ernestinischen Linie bekam Herzog Friedrich Wilhelm von Altenburg: Meiningen, Themar, Maßfeld, Behrungen, Henneberg, Milz; Herzog Wilhelm von Weimar: Ilmenau und Kaltennordheim; Herzog Ernst[170] von Gotha: Frauenbreitungen, Amt Sand und Wasungen. Der Anteil der Albertinischen Linie fiel 1814 an Preußen, der Anteil der Ernestinischen hat wegen der vielen Teilungen in dieser Linie oft seine Besitzer gewechselt. Doch besitzt jetzt Meiningen den größten Teil (s. oben). Bei der Teilung von 1660 blieb das gemeinschaftliche hennebergische Archiv bestehen, wovon gegenwärtig 7/48 Sachsen-Weimar, 20/48 Preußen und 21/48 Sachsen-Meiningen und Sachsen-Koburg-Gotha gehören. Vgl. Schultes, Diplomatische Geschichte des gräflichen Hauses H. (Hildburgh. 1788–1791, 2 Tle.); Schöppach und Brückner, Hennebergisches Urkundenbuch (Meining. 1842–77, 7 Tle.). Seit 1832 besteht ein Hennebergischer altertumsforschender Verein in Meiningen, der 1834–45 ein »Archiv« (5 Lieferungen) herausgab und seit 1858 »Neue Beiträge zur Geschichte deutschen Altertums« veröffentlicht; auch der »Verein für hennebergische Geschichte und Landeskunde« in Schmalkalden gibt seit 1875 eine Zeitchrist heraus.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 169-171.
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