Berthier [1]

[655] Berthier (spr. Berthiëh), 1) Joh., Bildhauer des 16. Jahrh. u. zum Theil Verfertiger der im Invalidenhause zu Paris befindlichen (1814 nach Berlin transportirten) Reliefpläne von den vorzüglichsten [655] Festungen Frankreichs. 2) Guill. Franç., geb. 1704, franz. Jesuit, war eine Zeit lang Lehrer des nachmaligen Königs Ludwig XVI. u. st. 1782 in Bourges. Er bearbeitete Longuevals Hist. de l'église gallicane, Par. 1730, vom 13. bis 18. Bd., u. leitete von 1745–51 das Journal de Trévoux, worin er Voltaire, Rousseau u. die Encyklopädisten bekämpfte. Von seinen moralischen Schriften wurden seine Oeuvres spirituelles zu Paris 1811 von Neuem gedruckt. 3) Alexandre, geb. 1753 in Versailles, wurde 1770 im französischen Generalstabe angestellt, focht mit Lafayette in Amerika u. ward dort Oberst. Im Anfange der Revolution General der Nationalgarde von Versailles, zeigte er viel Mäßigung; 1792 wurde er Brigadegeneral u. bei Luckner Chef des Generalstabs, 1793 Divisionsgeneral gegen die Vendéer u. theilte Bonapartes Siege 1796 u. 97 bei der Italienischen Armee. 1798 zog er als General en Chef der Italienischen Armee gegen die römischen Staaten, entsetzte die. päpstliche Regierung u. errichtete ein Consulat; am 19, Mai schiffte er sich als Chef des Generalstabs der Ägyptischen Armee mit Bonaparte zu Toulon ein u. kam mit diesem im Sept. 1799 nach Paris zurück. Nach dem 18. Brumaire wurde er Kriegsminister u. bald darauf Obergeneral der Reservearmee beim Zuge nach Italien, jedoch nur dem Namen nach, denn Bonaparte commandirte selbst. Nach der Schlacht von Marengo organisirte B. das Gouvernement von Piemont, ging in außerordentlicher Sendung nach Spanien u. wurde wieder Kriegsminister. Als Napoleon Kaiser wurde, erhielt er die Titel Reichsmarschall u. Großjägermeister von Frankreich. Von jetzt an war er in allen Feldzügen Napoleons dessen Majorgeneral der Armee u. als solcher der Ordner aller militärischen Details, wozu Napoleon die Anleitung meist nur in den allgemeinsten Zügen gab. Nach dem Frieden von Preßburg wurde er Fürst u. Herzog von Neufchatel u. 1807 Viceconnetable von Frankreich, worauf er sein Ministerium niederlegte; 1808 vermählte er sich mit Marie Elisabeth Amalie, der Tochter des Herzogs Wilhelm von Baiern, u. bekam große Dotationen u. die Domaine Gros-Bois bei Paris; 1809 wurde er nach der Schlacht bei Wagram Fürst von Wagram; Napoleon übertrug ihm auch 1810 seine Werbung um die Erzherzogin Maria Luise von Österreich u. gab ihm noch den Titel eines Generalobersten der Schweizertruppen. Er begleitete Napoleon auch in den folgenden Feldzügen als Chef des Generalstabs. Nach der Abdankung Napoleons 1814 verlor er zwar das Fürstenthum Neufchatel, wurde aber Pair u. Marschall von Frankreich u. Capitän der Garden u. genoß das Vertrauen Ludwigs XVIII. Er verließ auch mit diesem bei Napoleons Rückkehr 1815 Frankreich u. ging von Ostende zu seinem Schwiegervater nach Bamberg. Eine tiefe Schwermuth bemächtigte sich seiner, u. am 1. Juni 1815, in dem Moment, als eine Colonne Russen, nach Frankreich marschirend, in Bamberg einzog, fiel er aus dem 3. Stock des Schlosses herab u. war augenblicklich todt. In der Kirche zu Banz, wo er beigesetzt wurde, ist ihm ein Denkmal errichtet. Von ehrenwerthem Charakter u. streng im Dienste der Offiziere, widerstrebte er Napoleon, wenn er denselben auf Abwegen sah, mit freimüthiger Offenheit. Vgl. Mémoires, Par. 1826. Sein Sohn Charles, Fürst von Wagram, wurde 1852 vom Präsidenten der Republik zum Senator ernannt. 4) Victor Leopold, Bruder des Vor., geb. 1770 in Versailles, wurde 1785 Offizier, 1794 Bataillonschef, 1799 Chef des Generalstabs der Armee von Neapel u. Brigadegeneral u. 1803 Chef des Generalstabs der Armee in Hannover; er machte als Divisionsgeneral die Feldzüge 1805 u. 1806 mit u. st. 1807 in Paris. 5) César, Graf von B., Bruder der Vor., erst bei B. 3), dann bei der Militäradministration angestellt, wurde 1799 Brigadegeneral u. Chef des Generalstabs bei der 1. Militärdivision, befehligte 1805 ein kleines Observationscorps in Holland u. wurde 1811 Divisionsgeneral, Reichsgraf u. Gouverneur in Corsica; nach der Restauration ging er zu Ludwig XVIII. über u. st. 1819 in Gros-Bois. 6) So v.w. Bertier.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 655-656.
Lizenz:
Faksimiles:
655 | 656
Kategorien: