[776] Bildergallerie, eine in eigens dazu bestimmten Räumen (Gallerien) aufgestellte Sammlung von Bildern, Gemälden, Handzeichnungen, Stichen etc. I. Ihren Ursprung verdanken die B-n der Prunksucht von Fürsten u. reichen Privatleuten, welche die Wände ihrer Paläste mit Bildern schmückten. Schon bei den Griechen u. Römern gehörten Malereien neben Sculpturen zu dem beliebten Schmucke der Wohnungen reicher u. angesehener Personen, aber eigentliche Bildersammler. die nach bestimmten Principien Gemälde zusammenbrachten u. aufstellten, kannte man damals eben so wenig als im Mittelalter. Erst mit der Blütheperiode der christlichen Malerei, die von Italien ausging, begannen Freunde u. Gönner der Kunst größere Sammlungen von Gemälden anzulegen, indem sie die Bilder theils von den Malern selbst, theils, namentlich ältere, von früheren Besitzern ankauften. Das Verblühen des italienischen Handels im 16 u. 17. Jahrh. hatte eine Verarmung vieler reichen[776] Privatleute, die im Besitz kostbarer Gemälde waren, zur Folge, u. wie andere ihrer Kostbarkeiten, so kamen auch diese in den Handel u. wanderten durch zweite u. dritte Hand in die großen Kunstsammlungen, welche namentlich im 18. Jahrh. als eine neue Art fürstlicher Liebhabereien an den Höfen in Deutschland, Frankreich, England etc. entstanden. Erst später mit der allmäligen Läuterung des Kunstgeschmacks durch Winckelmann, Lessing u. A. begann man derartige, ohne große Wahl zusammengebrachte Sammlungen zu sichten u. zu ordnen u. bei neuen Erwerbungen auf den künstlerischen od. archäologischen Werth der anzukaufenden Bilder Rücksicht zu nehmen. Zugleich sorgte man auch für die Unterbringung der Sammlungen in geeigneten Räumen, u. so entstanden in vielen Residenzstädten Museen, welche zur Aufnahme der vorhandenen Werke bildender Kunst diente u. für die Malereien, Zeichnungen u. Stiche besondere Säle u. Gallerien enthielten. Neben den fürstlichen entstanden auch städtische B., meistentheils durch Vermächtnisse von Gemäldesammlern, welche ihre Sammlungen nach dem Tode erhalten wissen wollten: u. endlich Privatbildergallerien, die gewöhnlich mit Beschränkung auf eine gewisse Klasse von Bildern (nach Schulen, nach Perioden, nach der Art der Malerei, nach dem Charakter der Bilder etc.) angelegt zu sein pflegen.
II. Der Zweck der B-n ist zunächst die Erhaltung der Bilder als culturgeschichtlicher Denkmäler vergangener u. gegenwärtiger Zeit. Ihr hauptsächlicher Werth ist der historische nicht nur in Bezug auf die Entwickelung der Kunst u. Kunsttechnik, sondern auch in Bezug auf die Kenntniß der Sitten u. Gebräuche früherer Zeiten, welche in den Bildwerken sich abspiegeln. Ihr zweiter Zweck ist die Belehrung, einen theils der Künstler, denen die früheren Meisterwerke zu Vorbildern dienen, andern theils der Laien, die an der Geschichte der Cultur Interesse nehmen. Ihr letzter Zweck ist der Kunstgenuß, also der Zweck, um deswillen jedes einzelne Kunstwerk ursprünglich vorhanden ist.
III. Bei der Anordnung u. Aufstellung der B-n pflegt fast überall das historische Princip zunächst berücksichtigt zu sein. Locale Verhältnisse zwingen aber den Ordner bisweilen davon abzuweichen, wenn sich z.B. ganz große u. ganz kleine Bilder nicht neben einander anbringen lassen, od. eine Anzahl Bilder nicht ausreicht, einen abgegrenzten, für eine Schule bestimmten Raum zu füllen. Bei der Gallerie im Berliner Museum ist das historische Princip nicht nur nach großen Perioden, sondern auch nach kleineren zusammengehörigen Gruppen durchgeführt. Mitunter entscheidet auch der hohe Kunstwerth eines Bildes für das Verlassen des leitenden Grundsatzes, indem man einem solchen gern einen Platz anweist, wo die Beleuchtung am günstigsten wirkt u. dasselbe mit Behaglichkeit in Augenschein genommen werden kann. Ganz vorzügliche, große Gemälde werden auch wohl in besonderen Räumen isolirt aufgestellt, damit die Wirkung des Bildes nicht durch die Umgebung gestört werde. So ist in Dresden der Sixtinischen Madonna von Rafael eine eigene Zimmerabtheilung eingeräumt. Die architektonische Einrichtung der Galleriegebäude pflegt in neuerer Zeit der Hauptsache nach auf folgende Bedingungen begründet zu sein. Um so viel Bilder als möglich aufstellen zu können, theilt man den ganzen Raum in kleinere Zimmer, die jedoch groß genug sein müssen, daß man von der nöthigen Entfernung aus jedes einzelne Bild betrachten kann. Größere Bilder erfordern also auch größere Räume. Zugleich erreicht man damit eine Verringerung der Störung, die bei größeren Sälen durch den Anblick einer weitläufigen Bildermasse u. durch gleichzeitige Besucher hervorgerufen wird. Über die Zweckmäßigkeit der Seiten- od. Oberbeleuchtung hat man sich viel gestritten; doch ist das Oberlicht jetzt in fast allen neueren Gallerien vorgezogen worden, einentheils, weil es dem Bilde die gleichmäßigste Beleuchtung gibt, anderntheils, weil es den Platz zum Aufhängen der Bilder, nicht wie das Seitenlicht beeinträchtigt, welches die Wandfläche, durch die es einfällt, um den Fensterraum verringert u. der gegenüberstehenden Wand eine grelle unzweckmäßige Beleuchtung gibt. Nur die kleineren Seitencabinette, die man, um darin die kleineren Bilder u. Bildchen aufzuhängen, neben den großen Zimmerabtheilungen anbringt, werden durch Seitenlicht erhellt. So ist das Dresdener Museum von Semper, das Leipziger Museum von Lauge, das Baseler Museum von Berri u. die Pinakothek in München von L. v. Klenze eingerichtet. Die letztere gewährt noch eine große Annehmlichkeit durch den längs der Säle hinlaufenden Corridor (Loggien), der den Besuchern, zur Erholung von langem Betrachten der Bilder, einen Spaziergang gewährt, ohne daß sie sich deshalb aus der Gallerie zu entfernen brauchen.
IV. Die bedeutendsten B-n sind folgende: A) Fürstliche od. Staats-B-n: a) im Museum zu Basel mit älteren Gemälden u. Handzeichnungen der Holbeins u. ihrer Zeitgenossen, mit neueren Gemälden von schweizerischen Malern etc.; b) im Museum zu Berlin, mit einer reichen Sammlung von Gemälden der Italienischen Schulen, vielen niederländischen u. altdeutschen, wenigen französischen, spanischen u.a. Gemälden, u. einem Kupferstichcabinet; c) im Museum zu Brüssel, mit Niederländern, wenigen Italienern, Franzosen etc.; d) im Neuen Museum zu Dresden, sowohl in numerischer Beziehung, wie in Betreff des Werthes der vorhandenen Meisterwerke eine der reichsten B-n, mit der Sixtinischen Madonna von Rafael, der Madonna von Holbein, mit bedeutenden Gemälden von fast allen berühmten Meistern der italienischen, niederländischen u. altdeutschen Schulen, u. einer Anzahl Bilder von Künstlern des 18. u. 19. Jahrhunderts; e) im Uffizien-Palaste in der Accademia del le belle anti u. im Pittipalaste des Großherzoglichen Residenzschlosses zu Florenz, mit vorzugsweise classischen Italienern, von großem Kunstwerthe; f) im Königl. Palais im Haag; g) im Akademiegebäude zu Karlsruhe; h) zu Kopenhagen im Thorwaldsen'schen Museum mit modernen Gemälden u. Cartons, u. im Schloß Christiansborg mit namentlich vielen niederländischen u. einer Abtheilung für dänische Malerei; i) die Nationalgallerie zu London, k) die B. im Museum der königl. Akademie daselbst; l) im Museo nacional u. dem Museo del Rey zu Madrid; m) im Königl. Palaste der Wissenschaften u. Künste (Brera) zu Mailand; n) in der Pinakothek zu München mit einer großen Anzahl vortrefflicher Werke der deutschen u. niederländischen Schulen (Rubenssaal); [777] o) in der neuen Pinakothek daselbst mit Werken neuerer Meister; p) im Louvre zu Paris, mit vorzüglichen Meisterwerken aus allen bedeutenderen älteren Schulen; q) im Lateran zu Rom; r) im Museum der Kunstschule zu Stuttgart; s) in Turin, mit vielen werthvollen Stücken Rafael's, Tizian's, Holbein's, Rembrandt's u. A.; t) in der Accademia delle belle arti zu Venedig; u) in Versailles mit Bildern u. Portraits aus der Geschichte Frankreichs von neueren französischen Künstlern; v) im Belvedere zu Wien, mit einem großen Schatz von Gemälden aus allen Schulen. B) Städtische Gallerien: a) zu Antwerpen; b) zu Augsburg, reich an Werken der schwäbischen Schule; c) zu Brügge, mit altfränkischen Gemälden: d) im Fitz-William-Museum zu Cambridge; e) im Städelschen Museum zu Frankfurt a. M., mit theils älteren niederländischen u. deutschen, theils neueren deutschen Gemälden; f) im städtischen Museum zu Köln; g) im städtischen Museum zu Leipzig (mit der Schletterschen Gallerie), reich an Meisterwerken neuerer französischer Maler (Delaroche, Calame etc.); h) im städtischen Museum zu Lyon; i) Ständische Gallerie zu Prag; k) zu Sevilla; l) im städtischen Museum zu Strasburg. C) Privatgallerien: a) Beckford zu Bath; b) Benzel-Sternau zu Mariahalden bei Zürich; c) Marlborough zu Blenheim bei Woodstock; d) Borghese in Rom, eine der großartigsten Privatgallerien mit vielen Meisterwerken der Italiener; e) Camuccini in Rom; f) Carlisle zu Castle Howard in Yorkshire; g) das Dulwich-College bei London; h) Durazzo in Genua; i) Hirscher zu Freiburg im Br.; k) Leuchtenberg, ehemals zu München, jetzt in Petersburg; l) Liechtenstein in Wien; m) Schönborn zu Pommersfelden bei Bamberg; n) Quandt in Dresden; o) Raczynski in Berlin; p) Kränner in Regensburg; q) Speck v. Sternburg in Lütschena bei Leipzig; r) Valentini zu Rom; s) Manfrini zu Venedig; t) Wagener zu Berlin; u) Esterhazy zu Wien.