[138] Faust, 1) (Fust), Johann, Goldarbeiter u. reicher Bürger in Mainz, verband sich um 1440 mit Gutenberg, welchem Geld fehlte, um dessen erfundene Buchdruckerkunst zu vervollkommnen, u. gab Peter Schoiffer, welcher die Buchdruckerschwärze erfand, seine Tochter zur Ehe. Sie begannen einen Druck der lateinischen Bibel; allein kaum waren einige Bogen fertig, so entzweiten sich F. u. Gutenberg, u. F. behielt statt seiner Forderung die Druckerei, die er nun in Verbindung mit Schoiffer gemeinschaftlich trieb. Er reiste mit seiner Bibel nach Paris, verkaufte sie als geschrieben sehr theuer u. war so der erste, unter dessen Namen die Buchdruckerei bekannt wurde. F. st. 1466. Ganz verschieden von ihm, obgleich oft mit ihm verwechselt (wobei man den Mönchen bes. Schuld gab, F. wegen der Schmälerung ihres Abschreibeverdienstes verläumdet zu haben) ist: 2) Dr. Johann F., der Sage nach ein berüchtigter Schwarzkünstler, wahrscheinlich um 1480 zu Knittlingen (Kundlingen) im Württembergischen, nach anderen Angaben in Roda bei Weimar od. im Anhaltischen geboren, soll in Krakau die Magie studirt haben, in welcher er auch später seinen Famulus Wagner unterrichtete. Nachdem er die reiche Erbschaft seines Oheims verschwendet hatte, machte er auf 24 Jahre einen Pact mit dem Teufel, der ihm einen Geist, Mephistopheles (s.d.) genannt, zur Verfügung stellte. F. bediente sich der Hülfe desselben, um sich die Mittel zu seinem wüsten Leben u. Treiben zu verschaffen, reiste mit demselben umher u. setzte die Welt durch seine Zaubereien u. Wunder in Staunen, bis ihn endlich im Dorfe Rimlich bei Wittenberg (nach anderen Berichten in einem schwäbischen Orte) der Teufel umbrachte. Daß ein Mann, Namens Johann od. Georg Faust, der durch seine Kenntnisse u. Taschenspielerkünste dem Volke imponirte, wirklich etwa zwischen 1480 u. 1540 gelebt habe, ist kaum zu bezweifeln, da er von mehreren Zeitgenossen (Trithemius, Mutianus Rufus, Joh. Manlius etc.) erwähnt u. besprochen wird. Sein weitverbreiteter Ruf veranlaßte, daß seit alten Zeiten umlaufende Geschichten von wunderbaren Künsten, welche von Albertus Magnus, Erlolf von Fulda, Simon Magus, Johannes Teutonicus, Scotus, Paracelsus erzählt wurden, durch die Tradition des 16. Jahrh., vielleicht auch durch bewußte Absichtlichkeit, auf seinen Namen übertragen u. vereinigt wurden. Ein unbekannter oberrheinischer Autor veranstaltete die erste Sammlung der Zauberschwänke unter F-s Namen (Historia von D). Johann Fausten, den weitbeschreyten Zauberer u. Schwarzkünstler etc., zuerst Frkf. 1587, wieder abgedruckt in Scheibles Kloster, Bd. 2, 1588, 1589, 1591, herausgeg. von Simrock, ebd. 1846), die rasch nach Niederdeutschland (niederdeutsch Lüb. 1588), die Niederlande u. England drang u. auch in Verse gekleidet (Kopenh. [Tüb.] 1588) wurde. Unter Benutzung dieses Volksbuchs u. einer handschriftlichen (schon vor dem Druck ver. breiteten) Sammlung stellte G. R. Widmann seine drei Theile Der wahrhaftigen Historien von den grewlichen vnd abschewlichen Sünden vnd Lastern, auch von vielen wunderbarlichen vnd seltzamen abentheuren so D. Johannes Faustus hat getrieben (Hamb. 1599, 3 Bde.), zusammen u. begleitete dieselben mit moralisirenden Anmerkungen, um dem sonst allzu bedenklich erscheinenden Stoff den Eingang nicht zu erschweren. Seitdem ruhte im 17. Jahrh. das Faustbuch längere Zeit, bis dasselbe von dem Nürnberger Arzte I. N. Pfitzer mit erweiterten moralischen Betrachtungen versehen u. gegen Mißdeutungen verwahrt wurde, aber erst nach dessen Tode (4. Jan. 1674) unter dem Titel: Das ärgerliche Leben vnd schreckliche Ende deß vielberüchtigten Ertz-Schwartzkünstlers D. I. Fausti (Nürnb. 1674) erschien. Diese Arbeit wurde später öfter gedruckt: Nürnb. 1681, 1685, 1695, 1711, 1717, 1726, Frkf. u. Lpz. 1726, Reutl. 1834 (ohue die Anmerkungen). Die Grundlage des späteren Jahrmarktsvolksbuches bildet Des durch die ganze Welt berufenen Ertz-Schwartzkünstlers u. Zauberers D. Johann F. mit dem Teufel aufgerichtetes Bündniß (Frkf. u. Lpz. 1728), im Wesentlichen eine Wiederholung der Widmannschen Arbeit ohne dessen Anmerkungen u. Betrachtungen. Neben den Überlieferungen der Volksbücher bestand u. besteht zum Theil noch jetzt eine Reihe von Sagen lebendig im Volke fort. Als das Volksbuch F-s Ruhm vollendet hatte, konnte es nicht fehlen, daß ihm auch Zauberbücher untergeschoben wurden. Dahin gehören unter Anderem: D. F-s großer u. gewaltiger Höllenzwang u. D. Faustens Miraculkunst u. Wunderbuch od. der schwarze Rabe, von denen das erstere 1509, das zweite in Lyon 1469 gedruckt sein soll, obgleich beide unzweifelhaft im Anfang des 18. Jahrh. verfaßt wurden. Da die Faustsage nicht blos den Moralisten, sondern auch der Phantasie reichen Stoff bot, so wurde dieselbe auch bald von der Dichtkunst aufgefaßt. Neben der Prosadarstellung scheint schon am Ende des 17. Jahrh. eine dramatische Bearbeitung in Alexandrinern abgefaßt worden zu sein, die für das Volks- u. Puppentheater verwendet wurde u. Goethe zu seinem Faust veranlaßte. Dieses noch gegenwärtig auf Marionettentheatern in verschiedenen Bearbeitungen sehr beliebte Puppenspiel von D. F. wurde zuerst neuerdings (Lpz. 1850) gedruckt. Vgl. Schade, Das Puppenspiel von D. F., Weim. 1856. Wahrscheinlich ist diese dramatische Form auf das englische Schauspiel von Christoph. Marlowe (deutsch von W. Müller, Berl. 1818), der seinen D. Faustus 158793 verfaßte, zurückzubeziehen u. kam wahrscheinlich durch die englischen Komödianten nach Deutschland. Außer dem Puppenspiel muß im 18. Jahrh. auch ein Stück von F. auf größeren Bühnen gegeben worden sein. Durch Goethes dramatische Bearbeitung der Faustsage, deren erster Theil unter dem Titel: D. F., ein Trauerspiel (Lpz 1790), umgearbeitet als: F., eine Tragödie (Tüb. 1808), erschien u. dem nach des Dichters Tode der zweite Theil (Stuttg. 1833) nachfolgte,[138] wurde dieselbe in tief philosophischer Auffassung zum vollendetsten poetischen Ausdruck für den ewigen Gegensatz von Gut u. Böse, für das ruhelose Streben des beschränkten Menschen erhoben. Von anderen Bearbeitungen der Faustsage dürften hervorzuheben sein: Lessings meisterhaftes Bruchstück: F. u. die sieben Geister, in dessen Theatralischem Nachlaß, Bd. 2; G. F. L. Müllers D. F-s Leben, Manh. 1778; Klingers F-s Leben, Thaten u. Höllenfahrt, Petersb. u. Lpz. 1791; des Grafen von Soden D. F., ein Volksschauspiel, Augsb. 1791; Schinks Joh. F., dramatische Phantasie, nach einer Sage des 16. Jahrh., Lpz. 1809; u. Klingemanns F., ein Trauerspiel, Lpz. 1815; ferner die Arbeiten von Grabbe, Lenau, Braun von Braunthal, Bechstein u. And. Auch die Bildende Kunst nahm schon frühzeitig die Faustsage zum Gegenstande, z.B. Rembrandt u. Christoph von Sichem, sowie in neuerer Zeit zu Goethes Faust Cornelius u. Retzsch. Zwei alte Ölbilder in Auerbachs Keller in Leipzig, angeblich vom Jahre 1525, stellen einen Spuk dar, den F. mit Mephistopheles in diesem Locale ausgeübt haben soll. Über F. u. die Faustsage vgl. außer den älteren Schriften von Neumann (Wittenb. 1683, 1693, 1746), von zwei Anonymen (Curieuse Betrachtungen etc., Dresd. u. Lpz. 1702, u. Historische Remarquen, Zwick. 1722), von Dürr, Heumann u. von Köhler (Historisch-kritische Untersuchungen etc., Lpz. 1791), bes. die Abhandlungen von Stieglitz (in Raumers historischem Taschenbuch für 1834) u. von Sommer (in Ersch u. Grubers Encyklopädie, 1. Sect., Bd. 42), sowie Rosenkranz, Über Calderons wunderbaren Magus, zum Verständniß der Faustschen Fabel, Halle 1829. u. Peter, Die Literatur der Faustsage, 1849, 2. Aufl. 1851. 3) Bernhard Christoph, geb. 1755 zu Rotenburg in Hessen, war früher Arzt in Rotenburg, Vach u. Altmorsen, seit 1788 Schaumburg-Lippescher Leibarzt in Bückeburg, verbreitete seine Ideen für Förderung von Volksglück eifrig durch Schriften, so durch seinen Gesundheitskatechismus, Bückeb. 1794, 9. Aufl. Lpz. 1802 (auch lateinisch, böhmisch u. dänisch). In der Schrift: Wie ist der Geschlechtstrieb der Menschen in Ordnung zu bringen? Braunschw. 1791 (englisch Lond. 1792) trug er bes. auf eine verbesserte Kinderkleidung an u. eiferte gegen das frühe Tragen der Hosen, legte dies auch der französischen Nationalversammlung in einer Eigenschrift, Strasb. 1792, vor; er schr. für Ausrottung der Blatterpest, Bückeb. 1794, u. sendete diese dem Congreß zu Rastadt, 1798 u. 1800, Fol., ein u. trug, als die Kuhpocken bekannt wurden, 18021805 zur allgemeinen Impfung derselben bei. Auch gab er eine eigene Beinbruchmaschine, ein verbessertes Geburtslager nebst Wiege, Bückeb. 1807, auch 1811, u. v. a. an. In späterer Zeit ist er bes. durch seine Vorschläge zu Anlegung einer Sonnenstadt, die genau nach Südost u. Nordwest orientirt sein sollte, so daß alle Wohnungen nach Süden, alle Gärten nach Norden zu lägen, u. durch Vorschläge zu Einrichtung von Kornvereinen, Kornhäusern u. Kornpapieren, Hann. 1825, bekannt geworden. Er st. 1842 in Bückeburg.
Buchempfehlung
In elf Briefen erzählt Peter Schlemihl die wundersame Geschichte wie er einem Mann begegnet, der ihm für viel Geld seinen Schatten abkauft. Erst als es zu spät ist, bemerkt Peter wie wichtig ihm der nutzlos geglaubte Schatten in der Gesellschaft ist. Er verliert sein Ansehen und seine Liebe trotz seines vielen Geldes. Doch Fortuna wendet sich ihm wieder zu.
56 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro