[37] Pharisäer (vom hebräischen Pheruschim, d. i. die Abgesonderten, die Isolirten [nämlich von solchen, welche sich nicht streng ans Mosaische Gesetz hielten]), religiös-politische Partei der Juden, in der Zeit zwischen der Rückkehr aus dem Babylonischen Exil u. der Makkabäerherrschaft aus dem Bestreben entstanden, alles echt Israelitische von den Abgefallenen u. von dem Heidenthum zu trennen u. um einen festen Kern zu sammeln. In politischer Hinsicht waren sie die Patrioten, welche nach der Unabhängigkeit des Landes u. Volkes trachteten, daher aus ihrer Mitte die Makkabäer stammten u. sie als heftige Gegner der Herodianer u. der römischen Herrschaft erscheinen; in religiöser Hinsicht bildeten sie den orthodoxen Theil des Volkes, welcher an dem altväterlichen Glauben u. an der theokratischen Verfassung streng fest hielt, worauf sich ihre messianischen Hoffnungen gründeten. Dazu pflegten sie neben dem populären Synagogenunterricht bes. die wissenschaftliche Schulbildung (Theologie u. Jurisprudenz), geriethen aber durch einseitige Verstandesbildung bei der Treue gegen die Überlieferungen der Vorzeit auf eine kleinliche u. peinliche Buchstabenklauberei, deren größte Kunst eine willkürliche Schrifterklärung u. deren höchstes Resultat eine phantastische Bestimmung der messianischen Zukunft war, u. setzten das Wesen der Religion in eine rigoristische Anordnung gottesdienstlicher Ceremonien u. ascetischer Satzungen u. verkümmerte die Moral zu einer schweren Casuistik. Zu den Lehren, welche sie bes. betonten u. vertheidigten u. in welchen sie sich von den der ihnen gegenüberstehenden Partei der Sadducäer (s.d.) unterschieden, gehörten namentlich die, daß das Schicksal der Menschen unabänderlich von Gott bestimmt sei, Jeder sich indeß hier in den gesetzten Grenzen mit Willensfreiheit bewege u. durch seine Tugenden sich ein Verdienst erwerbe; daß die Seele unsterblich sei u. jenseits Vergeltung Statt finde; daß die Bösen zur Bestrafung in den Hades eingeschlossen würden; daß die Seelen der Guten, wieder mit Körpern vereinigt, ewig im Messianischen Reiche auf Erden leben würden; daß es auch andere höhere Geister, gute u. böse Engel, gäbe. Die P. waren über das ganze Jüdische Land verbreitet, standen den gelehrten Anstalten vor u. bildeten die Mehrheit im Sanhedrin. Sie waren zu Jesu Zeit in mehre Schulen getheilt; bes. berühmt waren die des Hillel, der gemäßigte, u. die des Schamai, der strenge Pharisäismus. Aus der Geschichte des Pharisäismus u. daraus, daß es unter den P. selbst gewiß verschiedene Schattirungen gab, erklären sich die verschiedenen Urtheile über sie; während Josephus sie wegen ihres Haltens an der Tradition, ihrer Gelehrsamkeit u. Frömmigkeit rühmt, u. Paulus, welcher aus ihrer Schule hervorgegangen war, nichts Arges von ihnen erwähnt, tadelt Jesus, dessen Hauptfeinde sie waren,[37] an ihnen die Tödtung des Geistes durch den Buchstaben, die spitzfindigen Schulfragen ohne alles höhere Interesse, das Hängen an äußern Gebräuchen, das heuchlerische Sich absondern von Allem, was die formelle Heiligkeit blosstellen konnte, wie er sie denn geradhin religiöse Heuchler nennt, für welcherlei Leute man auch jetzt noch den Namen P. braucht. Vgl. Trigland, Trium scriptorum illustr. de tribus Judaeorum sectis syntagma, Delft 1703, 2 Bde.; Beer, Geschichte der Secten unter den Juden, 1822; Wirth, Die P., 1824; Schneckenburger, Die P., 1832; Biedermann, Die P. u. Sadducäer, Zür. 1854.