1. Man darf den Senf nicht mit sich bringen, man wird ihn finden.
Jedes Geschäft hat sein Unangenehmes im Gefolge.
2. Senf stärkt, sagt er, aber er würde keinem gebratenen Hasen den Schwanz ausziehen.
3. Wer nicht eine Schüssel voll Senf auf einmal auffressen und dabei lachen kann, dient (taugt) zu keinem Hofmann. – Schuppius, Schr., I, 292.
4. Wer sich morgens mit Senf wäscht, dem wässern die Augen den ganzen Tag.
*5. Dar krêg de drüdde nig Semp van. – Dähnert, 422a.
Das Gericht war zu klein für die Gesellschaft.
*6. Das ist Senf nach dem Rindfleisch (oder: nach der Tafel). – Eiselein, 567.
Holl.: Dat is mosterd op den kabeljaauw. (Harrebomée, II, 105a.)
Lat.: Sinapi post prandium. (Eiselein, 567.)
*7. Das ist zu viel Senf auf so wenig Fleisch.
Die obige Redensart gebrauchte ein ausgemergelter Kranker, als ihm der Arzt ein ungeheures Senfpflaster auf die Brust legte. (Das Neue Blatt, Leipzig 1873, Nr. 10.)
*8. Den Senf bezahlen.
»Es ward kein sache nie so kalt, wenn man euch den senff bezalt vnd nam von euch consilium, so was sie recht, wer si schon krum.« (Murner, Nb., in Kloster, IV, 688.)
*9. Den Senf überzuckern.
Dem Unangenehmen eine milde Form geben.
*10. Der Senf steigt ihm in die Nase.
Er wird zornig.
Frz.: La moutarde lui monte au nez. (Lendroy, 1046.)
*11. Der senff hat jhn bei der nasen genommen. – Töppen, 195b; Körte, 5539c.
Scherzhaft, wenn jemand die Augen thränen, wenn er, namentlich officiell, weint. (S. ⇒ Sonne und ⇒ Zweifel.)
Holl.: De mostaard kriebelt hem in den neus. (Harrebomée, II, 195b.)
*12. Dieser Senf steigt in die Nase.
Der Spass ist zu grob, der Scherz zu spitz und empfindlich.
Frz.: La moûtarde prend au nés. (Kritzinger, 471a.)
*13. Einen in eim Senff auffressen wollen. – Fischer, Psalter, 55, 3.
*14. Einen langen Senf worüber machen. – Schuppius, Tract.; Eiselein, 567; Körte, 5539b; Braun, I, 4087.
In Pommern: Enen langen Semp maken. (Dähnert, 422a.) Viel unnütze Worte.
*15. Einen Senf dazu anrichten. – Lehmann, 774, 1.
Es verderben, verschlimmern. (S. ⇒ Hundehaar 3.)
*16. Einen Senf (zum Braten) geben.
*17. Einen Senf 'rausschwätzen. (Ulm.)
*18. En langen Semp maken. (Holst.) – Schütze, IV, 96; Eichwald, 1713.
»Einen langen Senff mahlen.« (Theatrum Diabolorum, 415a.)
[541] *19. Ênem Semp up den Titt smêren. – Richey, 253; Schütze, IV, 96.
Jemand etwas verleiden, wie z.B. Kindern, die entwöhnt werden sollen, die Brust durch das Bestreichen mit Senf.
*20. Er hat Senf auf dem Schwanze. (Holl.)
Ist bissig.
*21. Er hat senff geessen. – Suringar, CCIX, 2 u. 6.
Lat.: Frontem contrahere. (Sutor, 993.)
*22. Er macht mir viel (gelehrten) Senf vor.
So sagt der Ungelehrte vom Auskramen grosser Gelehrtheit.
*23. Er will seinen eigenen Senf haben.
Frz.: Il a resolu de suivre opiniatrement son sentiment. (Kritzinger, 663b.)
*24. Er wird durch den Senf gezogen.
Durchgehechelt.
*25. Guten Senf kann man nicht mit jedem Essig machen.
Frz.: Il n'appartient pas à tout vinaigrier de faire de bonne moutarde. (Lendroy, 1944.)
*26. Hat er sonst keinen Senf zu schlecken, so kann er mich im A. lecken.
»Hast sonst kein senff, so magst wol stippen, mit fünf Fingern in hindern dippen.« (Waldis, I, 24, 31.)
*27. He givt'r sinen Semp mit to. (Holst.) – Schütze, IV, 96; für Altmark: Danneil, 191.
Spricht ohne Beruf und Berechtigung mit.
*28. He makt mi vêl gelêrten Semp vör. – Schütze, II, 24.
Kramt viel (überflüssige) Gelehrsamkeit aus.
*29. Hi skal 'r uk altidj sin Sennap tu du. (Amrum.) – Haupt, VIII, 358, 117.
Er muss auch allzeit seinen Senf dazuthun.
*30. Hoat a suste ken Sanff, oas dan zur Tunke. – Gomolcke, 425.
*31. Ich glaub', er hat Senf gegessen. – Eyering, III, 61.
*32. Ich hotte sunste kenn Sanf als dân zur Eitunke (Sauce). (Schles.) – Frommann, III, 244, 109.
Gomolcke (425) hat es in folgender Form: Hoat a süste kem Sanf, oas dan zur Tunke. Und Robinson (119): Hoter sunste kin Sanff zum eintunken.
*33. Mach keinen Senf. – Klix, 50.
*34. Seinen Senf dazu geben. – Körte, 5539; Braun, I, 4088.
Seine Ansicht auch aussprechen, sich in das Gespräch, den Streit mischen.
*35. Sin Semp mit darto geb'n. – Eichwald, 1714.
In Pommern: De will eren Semp ôk mit togewen. (Dähnert, 422a.) Sie will auch mitsprechen.
*36. Wenn a ken andern Senf zu vertunken hat, so konn a sei Rindflêsch trocken essen.
Eine Mutter zu ihrem ungerathenen Sohne: »Du solst wohl erfahren, dass wo du sonst keinen Senff zu vertunken host als diesen, du hier zu spät kommen werdest.« (Keller, 149a.)
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