1. Behalt ein gutes Blatt auf die letzte Lese. – Simrock, 1125; Sailer, 279; Körte, 640.
Vernünftige Sorge für die Zukunft.
Holl.: Al hadden zij ook al hun moes verkocht, zij zouden toch nog het beste blad behouden hebben. (Harrebomée, I, 59.)
2. Blätter allein machen keinen Salat.
3. Das Blatt hat sich gewandt (kann sich wenden). – Kirchhofer, 176; Meinau, 79.
Die Lage der Sache hat sich ganz geändert, kann sich ändern.
4. Das kleinste Blatt bewegt sich nicht, wenn es nicht geblasen wird.
5. Das steht auf einem andern Blatte.
6. Die Blätter springen nicht (direct) aus den Bäumen, sie springen (erst) aus den Knospen. (Moskau.)
7. Die Blätter warten nicht alle auf den Herbst.
Viele fallen vorher ab oder werden von den Raupen gefressen.
8. Die Blätter, welche die Raupen verschonen, schlägt der Hagel ab.
9. Dürres Blatt und Fürstenwort nimmt ein jeder Wind mit fort.
10. Ein dürr Blatt kann ein bös Gewissen schrecken. – Henisch, 407.
11. Ein leeres Blatt ist schwer zu lesen.
12. Ein rauschend blat hat keine hörner vnd gleichwol fürcht sich der Gottlose für jm. – Henisch, 407.
13. Einer kann sich hinter ein Blatt verstecken, den andern kein Baum verdecken.
14. Es steht nicht alles auf Einem Blatt.
Holl.: Keer om het blad, daar staat nog wat. (Harrebomée, I, 60.)
15. Lieber a Bloat aus'm Gesangbuch reissen, ols an Truppen dernaben. (Oberlausitz.)
Sprichwort gründlicher Zecher.
16. Man muss das Blatt drehen, solang' es noch feucht ist.
Sprichwort deutscher Cigarrenmacher in Neuyork.
17. Man muss ein gut Blatt zum Stich behalten. – Eiselein, 81.
18. Nach den Blättern fallen die Bäume. – Henisch, 223; Körte, 641; Eiselein, 82; Sailer, 279; Franck, I, 18; II, 39.
Wenn jemand leichte Beleidigungen erträgt, folgen bald schwerere.
Frz.: Après les feuilles l'arbre chet. (Leroux, I, 37.)
Holl.: Na de bladers vallen de boomen. (Harrebomée, I, 60.)
Lat.: Post folia cadunt arbores. (Plautus.) (Erasm., 235; Binder I, 81; II, 223; Faselius, 206; Philippi, I, 38; Seybold, 34; Wiegand, 791.)
Ung.: A levelek után végére a fa is leesik. (Gaal, 217.)
19. Nicht alle Blätter fallen gut.
Vom Spiel hergenommen. Nicht jedes Unternehmen gelingt.
20. Viel Blätter, wenig Trauben.
21. Wann die Bletter seynd abgefallen, so hawet man doch den Baum nicht ab. – Lehmann, 57, 20.
22. Wann kein Bletter vom Baum fielen, so müsst er endlich brechen. – Lehmann, 57, 20.
23. Wenn die Blätter abfallen bei Zeit, verspricht's aufs Jahr viel Fruchtbarkeit. – Boebel.
24. Wenn die Blätter herunter sind, fällt der Baum.
Der Mensch reift dem Grabe allmählich entgegen.
25. Wenn sich nur ein Blatt rührt, ziehen die Schnecken die Hörner ein.
Zeichnung des Furchtsamen, er sei es von Natur oder infolge eines bösen Gewissens.
26. Wer sich vor Blättern fürchtet, muss nicht in den Wald gehen.
Wer eine Gefahr fürchtet, meide sie. Wer das Pulver nicht riechen kann, gehe nicht in den Krieg. Wem vor dem Ausgange einer Angelegenheit bangt, der fange nicht an.
[394] Engl.: He who's afraid of leaves, must not come into a wood.
Frz.: Qui a peur des feuilles, n'aille au bois. (Cahier, 4359; Leroux, I, 40.) – Qui craint les feuilles, n'aille pas au bois. (Lendroy, 170.)
Holl.: Die angst heeft van de bladeren, die ga (jage) niet in het bosch. (Harrebomée, I, 59.)
27. Wer vor einem Blatt erschrickt, darf nicht in den Busch gehen.
28. Wo keine Blätter sind, da sind auch keine Früchte.
Ein Sprichwort der Gärtner, womit sie sagen wollen, dass der Schnitt der Obststräucher, Spalierbäume u.s.w. stets so erfolgen müsse, dass sich nirgends kahle Stellen bilden, sondern überall frisches Holz als Nachwuchs erfolge.
*29. Das Blatt hat sich gewandt. – Körte, 640; Eiselein, 81; Mayer, II, 168; Sandvoss, 123.
Dän.: Bladet kand snart vende sig. (Prov. dan., 72.)
Lat.: Osculana pugna. (Erasm., 329.) – Testulae transmutatio. (Erasm., 324.)
*30. Das Blatt schiesst ihm.
Er geräth in Argwohn.
*31. Die Blätter von den Feigenbäumen essen.
Von einem Menschen, der sich mit seiner Kost auf das Aeusserste beschränkt, wie von jemand, der lebt wie ein Filz.
Lat.: Cradophagos. (Erasm., 874.)
*32. Do schuss mer's Bloat, wie ich's ihn soagte. – Gomolcke, 355.
*33. Ein dürr (rauschend) Blatt soll ihn jagen. – Henisch, 407.
*34. Ein kleines Blatt und ward überschwemmt. (Aegypt.)
Wenn der Arme, Kleine, Niedrige vom Misgeschick erdrückt wird.
*35. Er nimmt kein Blatt vors Maul. – Grimm, II, 74, 2; Kirchhofer, 149; Körte, 640; Simrock, 1126; Eiselein, 81; Mayer, II, 59; Sandvoss, 122.
Er sagt freimüthig und ungeschminkt seine Meinung. Unsere guten Alten nahmen kein Blatt vors Maul, selbst die Feigenblätter der ersten Aeltern kümmerten sie wenig, daher ist ihr Witz nicht selten etwas stark, wie man dies zur Genüge in dem uns vererbten Sprichwörterschatz erkennen kann. Man hat diese Redensart von den Gastmählern der Römer hergeleitet, bei denen die Gewohnheit herrschte, den Becher mit Blumen, zur Rosenzeit vorzüglich mit dieser der Venus geheiligten Blume zu bekränzen. Machte sie freundlich die Runde, so er schloss der Wein, der nichts erfindet, sondern nur ausplaudert, das Gemüth. Man sprach furchtlos und manches wurde da eröffnet, was sonst verschwiegen geblieben wäre, daher: Hoc tibi sub rosa dictum est. – In Francisci Sittenspiegel (S. 638b) wird bemerkt: »Ehe die Komödianten die Masken erfanden, haben sie das Gesicht mit Feigenblättern verstellet und also ihre Stichelreden vorgebracht.«
Frz.: Il parle de tout le monde librement et ne ménage personne.
Holl.: Hij neemt geen blad voor den mond. (Harrebomée, I, 60.)
Lat.: Byzeni libertas. (Erasm., 558.) (Byzenus, ein Sohn Neptun's, war durch seinen Freimuth berühmt.) – Ficus ficus, ligonem ligonem vocat. (Philippi, I, 156; Seybold, 182; Binder I, 550; II, 1139; Weber, 22.) – Scapham appellat scapham. (Philippi, II, 168.)
*36. Es darf sich kein Blatt (vor ihm) rühren.
Lat.: Ne move festucam. (Erasm., 94.)
*37. Es ist ein unbeschriebenes Blatt.
Holl.: Het is een onbeschreven boek. (Harrebomée, I, 66.)
*38. Ich habe schon mehr Blätter rauschen hören. – Simrock, 1129; Eiselein, 61.
Sprichwort Kaiser Friedrich's II.
*39. 'S Blot schuss mer balde. – Robinson, 570.
*40. Se hot noch ên Blad ûs dem Aasbôke1.
1) Asogabuch oder Ewabuoch = altes Landrecht.
zu30.
Die dort beigefügte erklärende Bemerkung wird als zutreffend bezeichnet; das Blatt schiesst Einem, wenn er Arges, Bedenkliches ahnt. Im Pierer'schen Lexikon findet sie unter »Blatt« folgende Herleitung. Blatt heisst am Kindeskopf die vordere Fontanelle. Hiervon sagte man ehemals: das Blatt ist geschossen, wenn in hitzigen Krankheiten von Kindern, bei denen besonders das Gehirn entzündlich afficirt war, dieser Theil sich gesenkt und eingedrückt zeigte als ein meist tödtliches Zeichen. Dieser Ausdruck hat sich nun erhalten für etwas Schlimmes, Bedenkliches ahnen. – In Iffland's Jäger wird die Redensart vom zornigen Aufbrausen gebraucht, was übrigens an hitzige Krankheit erinnert.
zu35.
Zu den Zeiten des freien Rom hiess es: Nur Handlungen, aber nicht Worte werden gestraft: Facta arguebantur, dicta impune erant (Tacitus). Die Römer fühlten erst dann den grössten Druck, da die Freiheit zu reden dahin war und der öffentlich Redende mit einem Visir versehen sein musste. Sie sprachen, das Gesicht mit einer Larve bedeckt – Larvate perorabant. Ebenso war's bei den Griechen, da sie genöthigt waren, ihr Angesicht mit Baumblättern zu bedecken. Der Deutsche vernahm es und sagte: »Ich nehme kein Blatt vor's Maul.« Doch auch unter dem deutschen Himmel hiess es in der Folgezeit: Rara temporum felicitas, ubi sentire, quae velis, et quae sentias, dicere liceat. (Kornmann, III, 24.) – In Luxemburg: Ke Blât fir de Mont huolen. (Dicks, II, 6.)
41. Besser a bitter Blatt von Gott, ass a süsses von den Menschen. (Jüd.-deutsch. Hechingen.)
42. Das Blatt kan sich bald wenden, dass aus Glück Unglück wird. – Petri, II, 58.
43. De bemaolten Blä(d)r un de vêreckigen Knaok'n hämen männigen ôk den Geldbüd'l braok'n. (Altmark.) – Danneil, 277.
Karten und Würfelspiel haben schon Manchen arm gemacht.
[1009] 44. Es geschieht offt, wenn die Blätter vom Baum vff einen fallen, dass der Baum auch hernach fällt. – Lehmann, 832, 87.
Also Vorsicht.
45. Es wechst kein Blatt aufm Baum, das nicht seinen sondern Nutz hab. – Petri, II, 303.
46. Fällt das Blatt auf die Dornen, die Dornen durchbohren es; fallen die Dornen auf das Blatt, die Dornen durchbohren es.
Der Einsender hat die Heimat dieses Sprichworts mit Tennessee bezeichnet; ich halte aber dafür, dass es eher aus Ostindien als aus Nordamerika stamme.
47. Gut Blatt, schlecht End.
Spottwort in Graz auf die von der Regierung unterstützten Zeitungen, die nicht gedeihen, und trotz aller Unterstützung ein baldiges Ende nehmen. (Vgl. Freiheit, Zeitschrift von L.R. Zimmermann, Graz 1868, Nr. 20, S. 147.)
48. Nimm erlige Bletter1, drück se-n-us und wäsch dy Lyb dermit. (Solothurn.) – Schild, 80, 261.
1) Wortspiel mit ehrlichen Blättern und Erlen- Blättern.
49. Sitzen die Blätter der Bäume fest, ein später Winter sich erwarten lässt. – Baier. Hauskalender.
50. So die Blätter abfallen bei Zeit, bringt's auf's Jahr viel Fruchtbarkeit. – Baier. Hauskalender.
51. Stellen die Blätter an den Eichen schon vor Mai sich ein, gedeiht im Lande Korn und Wein. – Baier. Hauskalender.
52. Unter einem hässlichen Blatte findet sich oft eine süsse Frucht.
It.: Spesso sotto rozza fronde, soave frutto si nascond e. (Cahier, 2931.)
53. Wenn die besten Blätter1 verworffen, so kann man nichts mehr stechen. – Lehmann, 725, 35.
1) Es sind beim Spiel die Trümpfe gemeint.
54. Wenn die Blätter abfallen, so vertrocknet der Baum.
Dän.: Naar lövene falde, visner traeet. (Prov. dan., 397.)
55. Wenn die Blätter im Herbst auf den Bäumen hangen, kommt ein strenger Winter gegangen. – Baier. Hauskalender.
56. Werden die Blätter bald welk und krumm, so sieh nach deinem Ofen dich um. – Baier. Hauskalender.
*57. A nemmst sich kö bloat fürsch Maul. (Oesterr.-Schles.) – Peter, 445.
*58. Er ist weder Blatt noch Frucht. – Bohemia, Prag 1875, Nr. 68, Beil.
*59. Er schlot keis Blatt vor's Mul. (Solothurn.) – Schild, 91, 384.
*60. 'S Bloat ful'm, wî a doas horte. – Peter, 445.
Der Muth sank ihm.
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