1. In Wien gibt's so viel Gebäude über als unter der Erde. – Hesekiel, 17.
Die Gebäude sind meist unterkellert.
2. Nun hoben's in Wien kein Wasser, sagte Töffel, als er in die Donauquelle trat.
Die Russen: Die Quelle der Wolga in einem Topfe auffangen wollen. (Altmann VI, 516.)
3. Wer nach Wien hinein will, muss die Vorstadt hausen lassen.
Krain.: Kdor hoče iti na Dúnaj, mora pustiti trebuh zvunaj. (Čelakovsky, 487.)
[229] 4. Wien hat viel Thürme, aber nur Einen St. Stephan.
Die Russen: Es gibt viel Kreml, aber nur Ein Moskau. (Altmann V, 128 u. VI, 386.) Aber auch: Könnt' es auch ein zweites Moskau geben, es gibt doch nur Einen Kreml. (Altmann V, 96.)
5. Wien ist die Vormauer der Christenheit. – Deutsche Romanzeitung, III, 41, 393; Hesekiel, 17.
So heisst die Stadt seit der Belagerung von 1529 und 1683.
6. Wien ist ein grosses Quodlibet.
In einer alten Schrift wird das Wien der Vorzeit in folgender Weise geschildert: »Ein Haufen Häuser und Paläste, voll Ungeziefer und voll Gäste; ein Mischmasch aller Nationen, die in Ost und West, in Süd und Norden wohnen; Gestänk und Koth in allen Gassen, viel Weiber, die den Ehestand hassen; viel Männer, die mit andern theilen, sehr wen'ge Jungfraun, nichts als Fräulen; Betrug und List in allen Buden, getauft und unbeschnittne Juden; viel Kirchen und stets voller Sünder, viel Schenken und darin viel Schinder; viel Klöster voller Pharisäer, viel Händel und viel Rechtsverdreher; viel Richter die das Recht verkaufen, viel Feste, celebrirt durch Saufen; viel Stutzer, viel erborgte Kleider, viel Spieler, Säufer, Beutelschneider; Lakaien, Pagen, Pferd und Wagen, viel Reiten, Fahren, Geh'n und Tragen; viel Drängen Stossen, Zerr'n und Zieh'n, das ist das Quodlibet von Wien.« (Witzfunken, VIIIa, 161.)
7. Wien ist entweder windig oder giftig. – Simrock, 11598; Körte, 6824.
*8. Auch in Wien gibt's arme Leute.
Böhm.: I ve Vídni lidé bídní. (Čelakovsky, 487.)
*9. Einem die Stadt Wien (oder die Wienerstadt) sehen lassen.
So sagt man in Oesterreich zu einem Kinde, das man mit beiden Händen bei den Ohren etwas in die Höhe hebt.
*10. Es gibt nur Ein Wien.
In den Augen der Polen stehen Praga und Krakau höher.
Poln.: Jeden Wiedeń, Praga maga (valida est), Kraków miasto. (Čelakovsky, 481.)
*11. Es gibt nur Ein Wien und Ein Fügen in der Welt.
Mit nicht geringem Selbstgefühl behaupten dies die Zillerthaler von ihrem Dorfe Fügen, das sie bescheiden neben Wien stellen. Die Neugriechen sagen: Korinth ist die Krone von Morja. (Sanders, 233, 138.)
*12. I hab Wean vor lauter Häuser nit g'funden.
Sagte der Bauer, als man ihn fragte, wie ihm die Residenzstadt gefallen habe.
*13. Schick jn ghen Wien nach beuteltuch. – Franck, II, 80b; Simrock, 11599; Körte, 6824a.
*14. Sich um Wien streiten.
Wird in dem Sinne eines nutzlosen Streites gebraucht.
Poln.: Tó tyle warto co bić się za Wiedeń. (Čelakovsky, 487.)