1. Ein Sünder, der umkehrt, ist besser als ein Heiliger ohne Versuchung.
Die Russen: Ein bussfertiger Sünder gilt vor zehn Heilige, die nie in Versuchung fielen.
2. Ein Sünder ohne Reu', ein Musketier ohne Blei, eine Karte ohne Säu, ein Pferdestall ohne Heu, ein Metzger ohne Gei, ein schwäbisch Frühstück ohne Brei, ein Soldat ohne Treu', sind gar lautere Fretterei. – Parömiakon, 877.
3. En âlde Säinjder erkänd em ous der Fert. (Siebenbürg.-sächs.) – Schuster, 562.
4. Es gibt mehr Sünder als Heilige.
Die Russen: Wer alle Sünder besuchen wollte, würde während seines ganzen Lebens nicht fertig werden; wer alle Heiligen sehen wollte, würde davon keine müden Beine bekommen.
5. Fromme Sünder muss ein frommer Teufel holen.
»Herr Satan, einst ein böser Christ, ist nun geworden ein Pietist. Für fromme Sünder schickt sich's wol, dass sie ein frommer Teufel hol'.« (W. Müller.)
6. Fromme Sünder wollen einen frommen Teufel ha'n.
7. Grosse sünder, grosse büsser. – Henisch, 571, 28.
8. Grosse Sünder, grosse Heiligen.
9. Jeder sünder ist sein eigener Henker. – Graf, 314, 215.
Isl.: Hvör ein syndari er sinneigiun hegnari. (Jonssyni, 158.)
10. Kein Sünder war nie so gross, thet er buss, er genass. – Henisch, 572, 19.
Nur wer aus Bosheit, aus Vorsatz sündigt, verdient keine Verzeihung.
Böhm.: Hřích dobrovolný, pokuty hodny. – Hřích mimovolný prominutí hodný. (Čelakovsky, 26.)
Poln.: Grzech dobrowolny karania godny. – Grzech nad wolą odpuszczenia godny. (Čelakovsky, 26.)
11. Ohne Sünder gäbe es keine Heiligen.
12. Weren nit sünder, so weren keine Heiligen. – Lehmann, 98, 16; Eiselein, 584; Simrock, 10033; Braun, I, 4357.
13. Wir sind alle arme Sünder. – Simrock, 10032; Erklärung, 27; Schulze, 18; Zehner, 247; Meisner, 94; Sprichwörterschatz, 202; Braun, I, 4359.
Engl.: All men commit sins. – We are al of us poor sinners.
14. Wir sind alle arme Sünder, sagte der Pfaffe, als ihm die Frau, die er wegen Fastenbruch schalt, den Braten aus seiner eigenen Küche zeigte.
Als der Priester bei seinen Beichtkindern nachsah, ob sie auch die Fasten hielten, fand er bei einer Frau Fleisch in einer Schüssel und schalt sie deshalb. Sie schickte hinter seinem Rücken in seine Küche und liess in seinem Auftrage sein Mittagsessen holen. Es war ein gespickter welscher Hahn. Als die Frau ihn dem Pfarrer brachte, rief er die obigen Worte aus. (Vgl. Braun, Bibliothek des Frohsinns, Bd. 3, Hft. 3, Nr. 73.)
15. Wir sind alle arme Sünder, sagte die Aebtissin, da hatte sie des Propstes Niedernatt statt dem Weihel auf dem Kopfe. – Hoefer, 8.
Dän.: Vi ere alle syndere, sagde abedissen, der hunt og brogen af hoveder. (Prov. dan., 458.)
[969] 16. Wir sind allzumal Sünder.
Lat.: Nemo nostrum non peccat. (Petronius.) (Binder II, 2049.)
*17. Der Sünder in der Hölle hat doch wenigstens am Sabbat Ruhe.
*18. Es ist ein hartgesottener Sünder.
*19. Hier ist's, wo der arme Sünder den letzten Trunk kriegt. (Angerburg.) – Frischbier2, 3680.
*20. Vor dem hat der Sünder in der Hölle am Sabbat keine Ruhe. – Tendlau, 1022.
Jüd.-deutsch: Bei dem hot der Roosche in Ohenem am Schabbes kaan Ruh. Von einem Subject, das eine Freude daran findet, die Menschen zu ärgern und zu quälen. Es besteht nämlich der schöne Glaube, dass die Höllenqualen für die Verdammten den Sabbat über aufgehoben sind.
21. Ein Sünder, der in seinen Sünden verzagt, und ein Priester, der aus der Beicht sagt, und ein Müller, der da falschlich mitzt, und einer, der an der Uneh sitzt, und einer, der frevelich in dem Bann leit um rechte Sach, und nichts darum geit, und ein Richter, der dem Armen sein Recht kürzt, und ihm ein Hütlein darüber stürzt, und ein Herr, der neue Zolle stift, damit man Land und Leut vergift; – führen die Sieben gen Himmel in der Engel Schar, so fährt je ein frommer Karthäuser auch dar.
Nach einer wolfenbüttler Handschrift in Eschenburg's Denkmälern (vgl. Schaltjahr, IV, 441.)
Buchempfehlung
Erst 1987 belegte eine in Amsterdam gefundene Handschrift Klingemann als Autor dieses vielbeachteten und hochgeschätzten Textes. In sechzehn Nachtwachen erlebt »Kreuzgang«, der als Findelkind in einem solchen gefunden und seither so genannt wird, die »absolute Verworrenheit« der Menschen und erkennt: »Eins ist nur möglich: entweder stehen die Menschen verkehrt, oder ich. Wenn die Stimmenmehrheit hier entscheiden soll, so bin ich rein verloren.«
94 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro