[552] Prag, die befestigte Hauptstadt des Königreichs Böhmen, liegt beinahe in der Mitte des Landes an beiden Ufern der Moldau in einem ziemlich engen Thale und zum Theil auf den dasselbe begrenzenden Höhen und hat 120,000 Einw., darunter 7000 Juden, welche in der Judenstadt beisammen wohnen.
P. hat 4 St. im Umfange und seine zahlreichen Thürme und hochgelegenen Paläste kündigen dem Auge schon in der Ferne seine Wichtigkeit an. Es bildet eine Stadthauptmannschaft für sich und besteht aus der Altstadt, welche in Form eines stumpfen Dreiecks nördl. am rechten Moldauufer liegt und die engsten und unregelmäßigsten Gassen, sowie die enge Judenstadt enthält; aus der gegen S. und O. daran grenzenden Neustadt, aus der Kleinseite und [552] dem Hradschin am linken und zwei Vorstädten am rechten Moldauufer. Der gegen S. auf einem befestigten Berge gelegenen und durch den Botizbach von der Neustadt getrennte Wischehrad mit dem Zeughause wird als ein Städtchen für sich angesehen. Über die Moldau führt blos eine bedeutende, 1790 wiener Fuß lange und auf 16 Bogen ruhende, steinerne Brücke, welche mit 26 Bildsäulen und Gruppen von Heiligen und dem ehernen Standbilde des h. Johann von Nepomuk (s.d.) geziert ist, welches vom nürnberger Bildgießer Wolf Hieronymus Herold 1683 vollendet wurde und 20 Ctr. wiegt. Zu der Brücke selbst legte Kaiser Karl IV. 1358 den Grund, fertig wurde sie aber erst 1507 unter Wladislaw IV. und gilt sprüchwörtlich unter den ältern berühmten Brücken in Deutschland für die festeste. Der höchst gelegene kleinste aber prächtigste Theil von P. ist der Hradschin mit der alten königl. Burg auf dem Schloßberge, deren älteste Theile von Karl IV., die neusten von Maria Theresia herrühren. Sie bildet jetzt ein ungleichseitiges Viereck, mit drei Höfen, von denen sich der dritte durch seine Größe, die Reiterstatue des h. Georg und die anstoßende Metropolitan- oder Domkirche zu St.-Veit auszeichnet, von der vorstehend eine Ansicht gegeben ist. Sie hat eine Länge von 208, eine Höhe von 116, eine Breite von 144 F, und wurde mit ihrem unvollendet gebliebenen und unpassend erzänzten Thurme, dessen Spitze ein Löwe mit dem Kreuze bildet, von Johann von Luxemburg an der Stelle einer schon im 10. Jahrh. dort vorhanden gewesenen Kirche 1343 zu bauen angefangen, ist aber nur zum Theil vollendet worden. Von Merkwürdigkeiten enthält sie unter Andern die ehemalige königl. Gruft, wo mehre deutsche Kaiser ruhen; das 14 Ctr. schwere und aus Silber gegossene Grabmal des h. Nepomuk und die mit echten böhm. Steinen ausgelegte St.-Wenzelskapelle. Unter den mehr als 400 Gemächern und Sälen des königl. Schlosses zeichnen sich der span. Saal mit den anstoßenden Räumen der ehemaligen Gemäldegalerie aus. Dicht unter dem großen Saale befindet sich an der Südseite des Walles ein Denkmal für die am 23. Mai 1618 aus dem Fenster in den Schloßgraben gestürzten kais. Statthalter. (S. Dreißigjähriger Krieg.) Der prächtige Haupteingang zum Schlosse ist auf dem Hradschinplatze, welchen der erzbischöfliche und mehre andere Paläste umgeben; auch liegt in diesem Stadttheile die strahofer Stifts- und Pfarrkirche mit dem Grabe des h. Norbert, des Stifters der Prämonstratenser (s.d.) und mit einer ansehnlichen Prämonstratenserabtei. Der belebteste Stadttheil ist die Altstadt, wo die meisten Häuser im Erdgeschosse zu Verkaufsläden benutzt sind; in der Pfarrkirche am Tein befindet sich hier das Grabmal Tycho Brahe's (s.d.), auch liegen hier die Gebäude der kais. Bibliothek und der von Karl IV. 1348 gestifteten Universität, welche zu den wichtigsten deutschen katholischen Universitäten gehört; merkwürdig ist ferner am großen Ringe das alterthümliche Rathhaus mit einer kunstreichen Thurmuhr, welche 1490 vom Astronomen Hanusch verfertigt worden ist. In der weit umfänglichern Neustadt sind das große Mauthgebäude (vordem ein Franziskanerkloster) auf dem Josephsplatze, der Viehmarkt als größter öffentlicher Platz in P. mit dem Militairkrankenhause, sowie die deutsch-protestantische Kirche merkwürdig. Zu den vorzüglichen Gebäuden der Kleinseite gehören die prächtige Nikolauskirche, die gräfl. Ledebour'schen und Waldstein'schen Paläste, das Landhaus, das Gubernialhaus und Artilleriezeughaus. Spaziergänge und ländliche Vergnügungsorte, welche jedoch in P. weniger als in andern großen Städten besucht werden, sind die Färberinsel und die Schützeninsel oder Kleinvenedig (fast in der Mitte der Stadt), die Hetzinsel oder Großvenedig unterhalb der Stadt, die Wimmer'schen Anlagen vor den östl. Thoren und einige Privatgärten, welche aber blos an gewissen Tagen der Benutzung offenstehen. Die Hauptgelegenheit zu eigentlichen Volksbelustigungen sind. immer die Gedächtnißtage von Kirchenheiligen, welche mit Gottesdienst anheben, mit Tanz und Zechen beschlossen werden und von denen der des h. Nepomuk (16. Mai) und das Fest am Ostermontage im Kloster St.-Hieronymus, auch Emaus genannt, zur Erinnerung an den Ort, wo Jesus nach seiner Auferstehung zweien Jüngern erschien, sowie das Fronleichnamsfest die festlichsten sind. P. ist reich an mannichfaltigen Anstalten und Vereinen für wissenschaftliche Zwecke und zur Beförderung künstlerischer und gewerblicher Bildung. Mit der Universität, welche über 2000 Studirende zählt, sind eine Thierarznei- und eine Hebammenschule, sowie eine Sternwarte verbunden; es bestehen ferner eine königl. Gesellschaft der Wissenschaften, eine Akademie der bildenden Künste, ein böhm. Nationalmuseum mit wichtigen Sammlungen (gestiftet vom ehemaligen Oberstburggrafen Grafen von Kolowrat), eine Hauptmusterschule, eine ständisch-technische Lehranstalt, ein Conservatorium für Musik, eine Malerschule, eine patriotisch-ökonomische Gesellschaft u.s.w. In P. ist der Sitz des königl. Guberniums von Böhmen, des obersten Burggrafen, eines Erzbischofs und mehrer hoher Gerichtshöfe; es ist ferner der Mittelpunkt des böhm. Handels und hat sehr bedeutende Fabriken von Leinwand, wollenen, seidenen, baumwollenen, Gold- und Silberwaaren, Cichorien, Taback, Tapeten und chemischen Producten. Zahlreich sind die öffentlichen Wohlthätigkeitsanstalten, zu denen auch die Spitäler bei den Klöstern der barmherzigen Brüder und der Elisabethinernonnen gehören, und die Vereine zu wohlthätigen Zwecken. Die Gründung von P. wird in den Anfang des 8. Jahrh. verlegt und der Königin Libussa zugeschrieben; im 13. Jahrh. war es schon ein sehr fester Platz und unter Karl IV., von welchem 1348 die Neustadt angelegt wurde, scheint es beinahe zu seinem jetzigen Umfange gediehen zu sein. Während der Hussitenkriege im 15. Jahrh. litt das Innere der Stadt bedeutend und im dreißigjährigen Kriege, wo am 8. Nov. 1620 die Schlacht am nahen weißen Berge von Friedrich von der Pfalz verloren wurde, ward P. 1631 von den Sachsen, 1632 von den Kaiserlichen und 1648 die kleine Seite von den Schweden eingenommen. Baiern, Franzosen und Sachsen überrumpelten es im östr. Erbfolgekriege (1741), im J. 1757 aber wurde es jedoch von Friedrich II. vergebens belagert, wobei gegen 900 Häuser abbrannten, nachdem die, Preußen vorher am 6. Mai bei P. einen Sieg über die Östreicher unter dem Prinzen Karl von Lothringen erfochten hatten, bei welcher Gelegenheit der Feldmarschall Schwerin blieb.