[262] Dänemark, Königreich im nördl. Europa mit einigen Besitzungen außerhalb Europa, im Ganzen 2646 □M. groß mit 2420000 E. D. besteht aus den continentalen Herzogthümern Lauenburg, Holstein, Schleswig (338 □M. mit 890000 E.), der Halbinsel Jütland, den Inseln: Seeland, Fünen, Langeland, Laaland, Falster, Bornholm, Möen, Samsöe u. vielen kleinern Inseln (683 □M. mit 1408000 E.); den Faröern, Island, der Westküste von Grönland (1615 □M. mit 77000 E.); den westindischen Inseln St. Croix, St. Thomas und St. Jean (5 □M. mit 49000 E.) und den unbewohnten Nikobaren zwischen Sumatra u. den Andamanen. Als ein aus Halbinseln und Inseln bestehender Staat hat das eigentliche D. eine sehr beträchtliche Küstenentwickelung, viele Meerengen (Sund, großer und kleiner Belt sind die bekanntesten) und von Osten her tief eindringende Meerbusen oder Fiorde; der Lymfiord hat am 15. Febr. 1825 die Landenge zwischen der Ost- u. Nordsee durchbrochen und beide Meere mit einander verbunden. Der Boden ist flach, meistens fruchtbar; den westl. Theil der Halbinsel durchzieht eine Sandfläche, das Geestland, auch mangelt es nicht an Torflagern. Da in ganz D. kein Punkt ist, der über 10 M. vom Meere entfernt läge, so gibt es außer der Elbe an der südl. Gränze keine bedeutenden Flüsse; die beträchtlichsten sind: Eider, durch einen Kanal mit der Ostsee verbunden, Trave, Schlei etc.; an kleinen Seen und Teichen mangelt es nirgends. Das Klima ist gemäßigt und gesund, die Luft feucht. Getreide aller Art, Hanf, Reps, Hopfen etc. gedeihen noch vortrefflich, Laubwälder sind vorherrschend. Die Viehzucht ist blühend, besonders werden die dän. Pferde geschätzt. Die Industrie beschränkt sich mit geringer Ausnahme auf die Handwerke. Die Ausfuhr betrug (1851) 18605724, die Einfuhr 55204097 Rigsbankdaler (1 Rgbdlr. = 22 Sgr. 8 Pf. = 1 fl. 6 kr. C.-M.); die Handelsflotte bestand aus 3422 [262] Segelschiffen mit 72476 Tonnenlast u. 25 Dampfschiffen von 1727 Pferdekraft. Das Budget für das Finanzjahr vom 1. Apr. 1853 bis 1. Apr. 1854 berechnete die Ausgaben auf 13169756 Rgbdlr., die Einnahmen auf 13795498 Rgbdlr. Die Staatsschulden belaufen sich auf 125300000 Rgbdlr., das Papiergeld auf 15 Mill. Thlr. Die Civilliste beträgt 800000 Rgbdlr., die Apanagirung des königl. Hauses 321182. Die Verfassung ist eine constitutionell-monarchische, in den Herzogthümern bestehen Provinzialstände, doch ist der ganze verfassungsmäßige Zustand noch sehr kritisch. Die herrschende Landeskirche ist die protestantische mit 9 Bischöfen, 62 Pröpsten, 1677 Pastoren mit 907 Kirchspielen. Die Landmacht zählt 30000 Mann aller Waffengattungen, die Seemacht 113 Schiffe u. Kanonenboote mit 1120 Kanonen. König ist Friedrich VII., geb. 1808, kinderlos. Die Geschichte des dän. Staates beginnt erst im 8. Jahrh., als sich aus den vielen kleinen normannischen Staaten ein Königreich D. herausbildete. Um 920 hatte Gorm der Alte das eigentliche D. vereinigt u. bei der Zersplitterung Schwedens u. Norwegens wurde dasselbe der mächtigste Staat im Norden; die dän. Könige behaupteten Schleswig u. Jütland gegen die deutschen Ottonen; doch gewann das Christenthum durch die Berührung mit Deutschland Eingang (s. Ansgar) u. nach einigen inneren Kämpfen einen vollständigen Sieg. Kanut der Große (gest. 1036) vollendete die Eroberung Norwegens und Englands und nannte sich Kaiser, doch machten sich die Angelsachsen (s. d. Art.) bald wieder unabhängig. Eine neue Zeit des Glanzes führte Waldemar der Große (115782) für D. herbei und die dän. Herrschaft erstreckte sich auf der Ostseeküste von Holstein bis Esthland. Diese kriegerische Thätigkeit der Nation hatte aber die fast gänzliche Vernichtung des freien Bauernstandes zur Folge, hob den Lehenadel u. diesem gegenüber wurde selbst die Krone machtlos, besonders als unter Waldemar II. (gest. 1241) die Eroberungen verloren gingen und die Kriege gegen Schweden, Deutsche, Lifländer etc. meistens unglücklich ausfielen. Noch einmal erhielt D. das Uebergewicht im Norden, als die Königin Margaretha 1397 durch die Kalmarer Union die 3 scandinavischen Kronen vereinigte. Die Ohnmacht der Krone vermochte es aber nicht ein vereinigtes dauerndes Reich zu gründen; 1448 wurde bei dem Aussterben des königl. Hauses der Ulfinger das von Oldenburg auf den Thron berufen. Dieses machte unter Christian I. und Christian II. vergebliche Versuche Schweden zu behaupten, und der Versuch des letztern, mit Hilfe des Bauern- u. Bürgerstandes die Uebermacht des Adels zu brechen, kostete ihn Krone und Freiheit. Sein Gegner, Oheim und Nachfolger, der Herzog Friedrich von Schleswig, wurde König u. führte 1527 die lutherische Reformation ein, zu welchem Unternehmen er den Adel durch die Anweisung eines Theils der Kirchengüter bewog. Christian IV. mischte sich in den 30jährigen Krieg in Deutschland ein, was aber statt der gehofften Oberherrlichkeit über Norddeutschland nur Schmach und Verlust brachte. Die darauf folgenden schwed. Kriege endigten nicht besser und die Erbitterung des Volkes gegen den Adel, der das Reich so elend vertheidigte, machte es dem Könige Friedrich III. möglich, 1660 die unbeschränkte Regierung der Krone gegen den Adel aufzustellen. Im folgenden Jahrh. erhielt diese Regierungsform noch mehr Ausbildung, als statt des Geburtsadels allmälig ein Beamtenadel die Verwaltung des ganzen Staates in seine Hände bekam. Dennoch blieb D. ein unmächtiger Staat; die Theilnahme an dem Kriege gegen Karl XII. von Schweden brachte weder Ehre noch Gewinn und die darauf folgenden ruhigen Jahre, die nur durch die Neuerungen u. den Sturz Struensees (s. d. Art.) unterbrochen wurden, bewirkten wohl einige Erholung, ohne deßwegen einen kleinen Staat zu einem großen Staate machen zu können, weil die Periode der überseeischen Colonisirung längst vorbei war. Mit den großen Kriegen begann D.s Unglück; durch seine Lage beherrscht es die Verbindung der Nord- und Ostsee und ist demnach bei einem europ. Kriege von [263] größter Bedeutung. Seine naturgemäße Stellung wäre demnach die neutrale, diese wurde aber D. so wenig freigelassen als irgendwann einem kleinen Staate. Als England durch seine Gewaltmaßregeln gegen die Flagge der Neutralen allen Seehandel außer dem seinigen zu vernichten drohte, trat D. der von Paul I. von Rußland gestifteten Neutralität bei, wurde aber von Rußland und Schweden im Stiche gelassen und erfocht 1801 durch den glorreichen Widerstand seiner Flotte im Hafen von Kopenhagen gegen Nelson nur eine ehrenvolle Capitulation. Als es die darauf folgenden Jahre dem napoleonischen Uebergewichte folgen mußte, holten die Engländer 1807 durch einen völkerrechtswidrigen aber sehr klugen Streich die dän. Flotte aus Kopenhagen und entzogen sie damit der von Napoleon projectirten Anwendung. Dadurch wurde D. vollends dem französ. Kaiser zugeführt und noch 1813 in diesem Verhältnisse bestärkt, als Rußland dem Kronprinzen von Schweden Norwegen zugesichert hatte. Das Waffenunglück Napoleons zwang D. im Kieler Frieden 1814 zur Abtretung Norwegens, für welches das Herzogthum Lauenburg, das aus den Bruchstücken des ehemaligen deutschen Reichs D. zugeschieden wurde, bei weitem kein zureichender Ersatz war. Seit 1834 erwachte in den Herzogthümern ein entschiedenes u. planmäßiges Widerstreben gegen die von oben herab betriebene Begünstigung des dän. Wesens; als 1839 die Möglichkeit des Erlöschens des regierenden Hauses in seinem Mannsstamme fast zur Gewißheit wurde und die Verschiedenheit des Erbfolgegesetzes für das eigentliche D. und die Herzogthümer eine Trennung derselben von D. in Aussicht zu stellen schien, arbeitete eine Partei mit Benutzung der deutschen Antipathie gegen das fratzenhaft eitle Dänenthum auf eine Lostrennung von D. und die Vereinigung mit (einem noch zu schaffenden) Deutschland hin; denn daß die Gründung eines neuen deutschen Duodezstaates unter den Herzogen von Augustenburg nur eine politische Maske bedeutete, konnte für Weitersehende kein Zweifel sein. Der Umsturz von 1848 beschleunigte die Unternehmung; die Herzogthümer erhoben sich gegen die Dänen und mit preuß. Hilfe wurden letztere über die Fiorde und Meerengen getrieben. Aber nun zeigte es sich, daß die europäischen Großmächte eine Zertrümmerung des dän. Staates nicht zugeben und die Herzogthümer niemals an Preußen (dem sie früher oder später hätten zufallen müssen) überlassen würden. Durch die europäischen Großmächte, nicht durch eigene Kraft kamen die Herzogthümer wieder in die Gewalt D.s, dessen jetzige Regierung den Sieg auf eine verhängnißvolle Weise mißbraucht. (Scriptores rerum Danicarum, 8 Bde., Kopenhagen 17721834; Regesta diplomatica historiae Danicae, Kopenhagen 1843 ff.; Dahlmann, Geschichte von Dänemark, Hamburg 184044.) Dän. Sprachen. Literatur. Unter den scandinavischen Zweigen der germanischen Sprache ist der dän. der der deutschen am nächsten stehende. Die dän. Literatur ist arm, wie es bei einem kleinen, abgesonderten, ackerbauenden Volke nicht anders sein kann. Ihr berühmtester Dichter ist der Lustspieldichter Holberg; der Tragiker Ewald etc. werden von den Dänen sehr geschätzt; Oelenschläger, Baggesen u.a. gehören ebenso gut Deutschland an, deßgleichen der große Naturforscher Oersted, so sehr er auch seit 1848 gegen alles Deutsche ungebärdig ausschlägt. Die dän. Geschichte wird fleißig bearbeitet; um die nordische Alterthumskunde und Mythologie haben sich Finn Magnussen, N. M. Petersen, C. Rafn etc. anerkannte Verdienste erworben. (Dänische Grammatiken von: Bloch, Petersen, Jacobsen, Oppermann etc.; dän.-deutsches Lexikon: G. H. Müller, neu bearbeitet von Guldberg, Kiel 1807; Geschichte der dän. Sprache von Petersen, Kopenhagen 182930).
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