Brabánt

[295] Brabánt, Landschaft in der Mitte des niederländisch-belg. Tieflandes, war ehemals ein deutsches Herzogtum, bildete dann seit 1815 die erste Provinz des Königreichs der Niederlande und wurde bei Errichtung des Königreichs Belgien in zwei Teile getrennt.

Die niederländische Provinz Nordbrabant (s. Karte »Niederlande«), zwischen Limburg, Gelderland, Südholland, Zeeland und Belgien gelegen, enthält 5128,32 qkm (93,13 QM.) mit (1899) 553,842 meist kath. Einwohnern (108 auf 1 qkm). Hauptstadt ist Herzogenbusch ('s-Hertogenbosch).

Die belgische Provinz B. (s. Karte »Belgien«) grenzt im W. an Ostflandern, im S. an Hennegau und Namur, im O. an Lüttich und Limburg, im N. an Antwerpen und enthält 3283 qkm (59,6 QM.) mit (1900) 1,263,807 Einw. (385 auf 1 qkm), ist somit die am dichtesten bevölkerte Provinz Belgiens. Eingeteilt ist sie in die drei Arrondissements: Brüssel, Löwen und Nivelles. Hauptstadt ist Brüssel.

Geschichte. Ursprünglich von Menapiern bewohnt, später den Römern unterworfen, seit dem 5. Jahrh. zum Frankenreich gehörig, fiel B. bei der Teilung des Karolingerreichs an Deutschland und umfaßte seit 959 mehrere Grafschaften des Herzogtums Niederlothringen, die Lambert I., der Stammvater der Grafen von Löwen (s.d.), zu einem einzigen Territorium vereinigte. Unter diesem tatkräftigen Fürstenhaus, das sich Ende des 11. Jahrh. auch des Kempenlands bemächtigte, erlangte »Bracbatensis patria« bald eine leitende Stellung in Niederlothringen, dessen Herzogstitel die Grafen seit 1106 führten. Seit Mitte des 12. Jahrh. von dem lebhaften Durchgangsverkehr zwischen Köln und Brügge berührt, nahm B. schon im 13. Jahrh. einen merkbaren wirtschaftlichen Aufschwung, der durch die kluge internationale Politik seiner Herzöge und ihre erfolgreichen Kämpfe mit den benachbarten Fürstentümern Lüttich, Luxemburg, Köln und Limburg, besonders die Einverleibung des letztern (1288), kräftig gefördert ward. Im 14. Jahrh. wurden die Privilegien und Verfassungsgrundsätze des Landes gesetzlich festgelegt: 1312 durch den »Brief von Cortenberg«, der eine ständische Vertretung schuf, 1349 durch die Brabanter Goldene Bulle Kaiser Karls IV., die B. von jeder ausländischen Gerichtsbarkeit befreite, und nach dem Tode des letzten einheimischen Herzogs Johann III. durch die von seinem[295] Schwiegersohn Wenzeslaus von Luxemburg, Gemahl Johannas von B. und Bruder Karls IV., 1356 beschworne »Joyeuse entrée«, die nicht nur die Untenharken Brabants und die ausschließliche Ämterbesetzung mit Landeskindern verfügte, sondern auch die Entscheidung über Krieg und Frieden, Abschluß von Bündnissen etc. den drei Ständen (Städte, Adel, Geistlichkeit) vorbehielt. Die Regierung Wenzeslaus' (bis 1383) bezeichnete für das mit Luxemburg vereinigte B. eine Periode politischen wie wirtschaftlichen Niederganges, namentlich durch die erzwungene Abtretung Antwerpens (s.d.) und Mechelns (s.d.) an Flandern (1357). Erst als seine Witwe Johanna 1390 ihrem Neffen Philipp dem Kühnen von Burgund die Regentschaft übertrug, begann für B. wieder eine bessere Zeit. Unter dem Zepter der Häuser Burgund, bez. Habsburg (seit 1482) spielte B. als der industrielle, kommerzielle und kulturelle Mittelpunkt der Niederlande (s.d., Geschichte) lange eine glänzende Rolle. Die religiösen und politischen Wirren seit Mitte des 16. Jahrh. machten dieser Blütezeit ein Ende. Durch den Aufstand gegen Spanien ward der nördliche Teil losgerissen und 1648 als Generalitätslande (jetzt das holländ. Nordbrabant) endgültig der niederländischen Republik einverleibt. Der Rest von B. teilte fortan die Schicksale der spanischen, bez. österreichischen Niederlande, war während der letzten Regierungsjahre Josephs II. Hauptsitz der unter dem Namen Brabanter Revolution bekannten Aufruhrsbewegung und bildete seit der französischen Eroberung (1794) zwei Departements mit den Hauptstädten Antwerpen und Brüssel, seit der Zugehörigkeit zum Königreich der vereinigten Niederlande (1815) die beiden Provinzen Antwerpen und Südbrabant. Letzteres war 1830 der Herd des belgischen Aufstandes und ist jetzt als B. die Hauptprovinz des Königreichs Belgien (s.d., Geschichte). Zur Literatur vgl. Pirenne, Bibliographie de Belgique (2. Aufl., Brüssel 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 295-296.
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