Dublin [2]

[239] Dublin, Hauptstadt von Irland, municipal borough und besondere Grafschaft, liegt unter 53°23´13´´ nördl. Br. und 6°20´25´´ westl. L. v. Gr. (Sternwarte) an der Mündung des Liffey in die Bai von D. (s. das Lagekärtchen, S. 240) und am Endpunkte des Grand Canal und des Royal Canal, die beide zum Shannon führen.

Wappen von Dublin.
Wappen von Dublin.

Sie ist teils in einer Ebene, teils auf sanft ansteigenden Höhen erbaut, wird von dem Liffey durchschnitten und von der Circular Road, einem mit Bäumen besetzten, etwa 14 km langen Boulevard, umspannt. Jenseit dieser Circular Road liegen die zahlreichen Vorstädte (unter denen Ringsend an der Mündung des Liffey, Donnybrook, Rathmines mit Rathgar im S., Kilmainham im W., Glasnevin und Clontarf im N. am bemerkenswertesten sind) und der 710 Hektar große Phönixpark mit der Residenz des Lord-Lieutenants, der Hibernian School für Soldatenkinder, einem Militärlazarett, zwei Kasernen, einer 63 m hohen Wellingtonsäule, einem Denkmal Chesterfields, zoologischem Garten und schönen Anlagen. Die beiden Stadthälften stehen durch zehn Brücken in Verbindung, von denen die O'Connell- (bis 1880 Carlisle-) Brücke, mit Denkmälern von O'Connell und Smith O'Brien an ihren Enden, 64 m lang ist. Großartige Docks (an der Mündung des Grand Canal und östlich vom Zollhaus), von Warenhäusern umgeben und für Schiffe von 7 m Tiefgang zugänglich, stehen mit dem untern Liffey in Verbindung. Der Außenhafen wird durch zwei ins Meer hinausgebaute Dämme geschützt, von denen der nördliche 2700 m, der südliche 4300 m Länge hat. Die enge Einfahrt in den Hafen ist durch das Poolbeg-Leuchthaus kenntlich gemacht und wird durch das auf dem südlichen Damm errichtete Fort Pigeon House verteidigt. Die östlich vom Schloß gelegenen Stadtteile sind die neuesten und schönsten und haben breite, gerade Straßen, schöne Plätze und Squares. Unter den Straßen zeichnet sich aus die 32 m breite, 640 m lange Sackville Street, die sich von der O'Connell-Brücke aus nach N. erstreckt und neben glänzenden Läden und großartigen Gasthöfen das Hauptpostamt (mit ionischem Portal) und eine 40 m hohe Säule mit dem Standbild Nelsons enthält. Unter den öffentlichen Plätzen des östlichen Stadtteils ist St. Stephans Green der größte, Merrion Square der schönste. Auf ersterm (8 Hektar groß) steht eine Reiterstatue Georgs II., auf letzterm (5 Hektar groß) Denkmäler des Prinzen Albert und W. Dargans, des Urhebers der Ausstellung von 1853. Außerdem sind zu erwähnen: das College Green mit Trinity College und der Bank, wo die Hauptverkehrsstraßen der Stadt zusammenlaufen, mit den Standbildern Wilhelms III., Oliver Goldsmiths, Grattons und Edmund Burkes; die schönen College Gardens (bei Trinity College) und die Castle Gardens (Schloßgärten); Fitzwilliam Square, Rutland- und Mountjoy Square, letzterer im höher gelegenen nordöstlichen Stadtteil. Einen schreienden Kontrast mit diesem wohlhabenden und schönen Ostteil der Stadt bildet das meist von Arbeitern bewohnte Westend mit seinen abschreckend engen und schmutzigen Gassen. Unter den gottesdienstlichen Gebäuden der Stadt gebührt der erste Platz der seit 1190 im frühenglischen Stil erbauten protestantischen Kathedrale St. Patrick, mit 91 m hohem Spitzturm, dem Grabmal Swifts und dem im Chor aufgehängten Banner der Ritter von St. Patrick. Alter als diese Kirche ist Christ Church, die im 12. Jahrh. im frühenglischen und normännischen Übergangsstil erbaut wurde. Beide Kirchen sind 1860, bez. 1871 auf Kosten zweier Bürger von D., eines Brauers und eines Whiskybrenners, restauriert worden. Unter den übrigen Kirchen sind die 1816 erbaute katholische Kathedrale mit dorischem Portikus, die neugotische Andreaskirche und die im griechischen Stil erbaute Georgskirche hervorzuheben. Mitten in der Stadt, auf einer Anhöhe, liegt das Schloß, ursprünglich Festung und seit 1560 Residenz des Statthalters. Das Archiv befindet sich in dem 1411 erbauten Bermingham-Turm, dem ältesten Teil des Schlosses. Das 1791 erbaute, unterhalb der O'Connell-Brücke am (North Wall genannten) Kai gelegene Zollhaus ist ein imposantes Gebäude mit 115 m langer Fassade, dorischem Portikus und einer 38 m hohen, von einem Standbild der Hoffnung gekrönten Kuppel. Die Bank von Irland, Trinity College gegenüber, war früher Versammlungsort des irischen Parlaments; das Gebäude wurde 1739 vollendet und ist von einer kreisförmigen, ionischen Säulenhalle umgeben. Westlich von der Bank, in Dame Street, stehen die Commercial Buildings, in denen die Fondsbörse, Handelskammer etc. ihren Sitz haben, und noch weiter westlich, in der Nähe des Schlosses, befindet sich die ehemalige Börse (jetzt als Rathaus benutzt), ein mit korinthischen Säulen geschmückter Rundbau mit Kuppel, 1779 errichtet. Die Kornbörse liegt am rechten Ufer des Liffey, dem Zollamt schräg gegenüber.

Die eigentliche Stadt innerhalb der Munizipalgrenzen[239] nimmt eine Oberfläche von 1542 Hektar ein und zählte 1901: 289,108 Einw. (1861: 254,808). Der Polizeibezirk, der indes neben den Vorstädten auch Blackrock und Kingstown (s. d.) umfaßt, erstreckt sich über 8280 Hektar und hatte 1901: 373,179 Einw. (1861: 313,437).

Lageplan von Dublin
Lageplan von Dublin

Als Fabrikstadt ist D. bedeutend durch Maschinenbauwerkstätten, Eisengießereien, Fabrikation von Möbeln, Wagen, Hüten, Glas und Chemikalien, Weberei halbseidener Stoffe (Poplins), eine Reede für den Bau eiserner Schiffe, Buchdruckereien, Tabakfabriken, Brauereien und Whiskybrennereien. Weltbekannt sind Dubliner Stout (Guinneß) und Whisky (Kinahans »L.-L.«, d.h. Lord-Lieutenants). Von großer Bedeutung ist der Handel. Zum Hafengebiet (einschließlich des 9 km entfernten Kingstown) gehörten 1901: 292 Seeschiffe von 57,886 Ton. Gehalt und 397 Fischerboote. 1901 liefen 8670 Schiffe (darunter 8424 Küstenfahrer) von 2,422,125 T. ein. Eingeführt wurden 1900 vom Ausland Produkte im Werte von 2,646,522 Pfd. Sterl., namentlich Getreide, Zucker und Petroleum. Die Ausfuhr britischer Produkte (bes. Wolle) betrug nur 31,771 Pfd. Sterl. Sehr lebhaft ist der Verkehr mit Großbritannien.

Von den ungemein zahlreichen Wohltätigkeitsanstalten sind zu erwähnen: 2 Armenhäuser, 27 Krankenhäuser, 2 Irrenanstalten, 3 Taubstummenanstalten, 3 Blindenanstalten, 4 Waisenanstalten und ein großes Invalidenhaus (Kilmainham Hospital) für alte Soldaten und Matrosen. Unter den Unterrichtsanstalten nimmt den ersten Rang das 1591 von Elisabeth aufs neue gegründete Trinity College ein, eine der am reichsten dotierten Universitäten Europas. Das prachtvolle, 1759 von Sir William Chambers im griechischen Stil erbaute Universitätsgebäude umfaßt drei Höfe, an die ein 8 Hektar großer Garten stößt. Im ersten Hof befinden sich die Hörsäle und Wohnungen der Stiftsherren, ein naturwissenschaftliches Museum und die Kirche, im zweiten Hof die aus 220,000 Bänden bestehende Bibliothek. Ein anatomisches Theater, ein botanischer Garten und eine Sternwarte (bei Dunsink) gehören zur Anstalt. Neben ihr besteht eine 1854 gegründete katholische Universität, mit vorläufig drei Fakultäten. Die 1880 gegründete Royal University ist nur Prüfungsanstalt. Für Bildung von Ärzten sind außer obigen Anstalten noch vier Schulen tätig. Diesen schließen sich an ein Priesterseminar und eine Anstalt für Ausbildung katholischer Missionare (All Hallows College). Auch Alexandra College (für Damen) verdient Erwähnung. Staatsinstitute sind das 1868 eröffnete Royal College of Science, eine polytechnische Schule und die landwirtschaftliche Akademie von Glasnevin (Albert Institution). An der Spitze der Anstalten für Förderung der Kunst steht die R. Hibernian Academy (mit Kunstschule). Neben ihr sind zu nennen die Metropolitan School of Art (im Nationalmuseum) und die Akademie der Musik. Das erwähnte Nationalmuseum umfaßt eine Bibliothek, naturgeschichtliche und landwirtschaftliche Sammlungen, eine Gemäldesammlung und einen botanischen Garten (bei Glasnevin). Unter den gelehrten Gesellschaften gebührt der erste Rang der 1786 gegründeten Royal Irish Academy für Förderung der Wissenschaften und Altertumskunde, mit wertvoller Bibliothek und Museum. Die 1731 gegründete Royal Dublin Society bezweckt Förderung des Ackerbaues und der Gewerbe. Außerdem bestehen eine Zoologische, eine Geologische, eine Chemische und eine Naturhistorische Gesellschaft, ein Verein für keltische Altertümer und ein Landwirtschaftlicher Verein. An öffentlichen Vergnügungsorten hat die Stadt 4 Theater, mehrere Konzertsäle und Musikhallen und einen aus dem Ausstellungsgebäude vom Jahr 1872 hergestellten Wintergarten mit Park. D. ist Sitz des Statthalters (Lord-Lieutenants) von Irland, eines[240] katholischen und eines protestantischen Erzbischofs, mehrerer Konsulate (darunter eines deutschen) und der höchsten Gerichtshöfe des Landes, die ihre Sitzungen in den sogen. Four Courts, einem imposanten, 1766–1800 errichteten Gebäude, halten. Außerdem gibt es einen Assisengerichtshof (Session House), ein Stadtgericht, 4 Gefängnisse, 2 Anstalten für jugendliche Verbrecher und 8 Kasernen. Die städtische Verwaltung ruht in den Händen von 15 Aldermen und 45 Councillors (Stadtverordneten), an deren Spitze der jährlich aus den Aldermen hervorgehende Lord-Mayor steht.

D. wird von einigen für das Eblana des Ptolemäos gehalten; der keltische Name Dubhlinn soll »schwarzer Pfuhl« bedeuten. Im 9. Jahrh. ließen sich hier die Dänen nieder, und von 832 an war D., von den Dänen Dyslin genannt, Hauptstadt eines zeitweise mächtigen dänischen Königreichs. Das dänische Bistum von D. stand unter dem Erzbischof von Canterbury, bis es 1152 zum Erzbistum erhoben ward. 1170 eroberte der englische Graf Richard Strongbow die Stadt, die darauf 12. Nov. 1171 dem König Heinrich II. huldigte und bis ins 15. Jahrh. die Hauptstadt einer besondern Grafschaft war. 1205 bis 1220 wurde das Schloß gebaut und die Stadt erweitert. 1409 erhielt der Ort einen Mayor, seit 1665 mit dem Lordstitel, und 1541 ward er Sitz des Vizekönigs. Vgl. Gilbert, History of the city of D. (Dubl. 1854–59, 3 Bde.); Haliday, The Scandinavian kingdom of D. (das. 1881); Stubbs, History of the university of D. to end of 18th century (das. 1890); W. M. Dixon, Trinity college, D. (Lond. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 239-241.
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