Leibesübungen

[352] Leibesübungen, s. Gymnastik und Turnkunst. Vorragende Leistungen menschlicher Leibeskraft sind aus den verschiedensten Zeiten und Völkern berichtet, nicht selten freilich sagenhaft übertrieben. Besonders knüpfen sich solche Nachrichten an einzelne geschichtliche Persönlichkeiten, wie den albanesischen Helden Skanderbeg und den König August »den Starken«. Hier sollen nur Leistungen verzeichnet werden, die in neuerer Zeit zuverlässig als vorragend und vermutlich die besten ihrer Art gemessen worden sind, sogen. Höchstleistungen. Da für diesen Zweck kein Unterschied gemacht werden kann zwischen Leistungen berufsmäßiger Athleten und denen von Sportsleuten, Turnern u.a., so kommen hier ganz überwiegend Leistungen aus England und Amerika in Frage, weil dort viele solche Übungen berufsmäßig pflegen, um bei öffentlichen Wettkämpfen Siege mit meist wertvollen Preisen oder gar die sogen. Meisterschaft für ein Land oder »die Welt« zu erringen (einen sogen. Rekord oder Weltrekord zu schaffen). Auch pflegt jeder dieser Athleten meist nur eine einzelne Wettübung, die Wettläufer sogar meist nur den Lauf auf eine bestimmte Entfernung. Bei den Wetturnen unsrer deutschen Turnfeste, wo nach Punkten gewertet wird, werden einmal die höchsten Leistungen, sobald sie über die höchste erreichbare Punktzahl hinausgehen, nicht regelmäßig verzeichnet; es wird ferner eine gleichmäßige Ausbildung in der ganzen Turnkunst verlangt, die durch zwölf ganz verschiedene Übungen darzulegen ist. Siege in einzelnen meßbaren Übungen sind auf den deutschen Turnfesten seit 1880 nur in Hamburg 1898 möglich gewesen; vor allem haben berufsmäßige Athleten keinen Zutritt.

1) Laufen. 91,4 m (100 engl. Ellen) durchliefen 1844 in 9,25 Sek. Seward, in 9,6 Sek. 1902 Duffy, 100 m in 10,8 Sek. 1900 Jarvis; 128,8 m 1847 in[352] 19,5 Sek. Seward, 201,10 m in 21,2 Sek. Wefers, 402 m 1886 in 47,75 Sek. Baker, 804,50 m in 1 Min. 53,2 Sek. 1895 Kilpatrick. (Beste Leistungen deutscher Turner 200 m in 23 Sek., 150 m in 17 Sek., 100 m in 11 Sek.) 2) Im Dauerlauf haben durchmessen 1000 m in 2 Min. 46,6 Sek. 1897 Schultze, 1 engl. Meile (1609 m) in 4 Min. 12,75 Sek. 1886 George, 10 engl. Meilen in 51 Min. 5,2 Sek. 1899 Watkins, 16 engl. Meilen in 88 Min. 14 Sek. 1898 Hurst, 100 engl. Meilen in 13 St. 26 Min 30 Sek. 1882 Rowell, 40 km (sogen. Marathonlauf) in 2 St. 58 Min. 50 Sek. 1896 von Marathon nach Athen Luis, auf besserer Straße zwischen Paris und Conflans 1900 Hurst in 2 St. 26 Min. 47,4 Sek. 3) Stafettenlauf (Eilbotenlauf mit Verteilung auf mehrere in gleichen Abständen aufgestellte Läufer, die eine Fahne od. dgl. weiter zu geben haben), 500 m in 58 Sek. 1902 fünf Berliner, 1000 m in 2 Min. 45 Sek. 1902 zehn Frankfurter Turner. 4) Im Schnellgehen haben geleistet 1 engl. Meile in 6 Min. 23 Sek. 1874 Perkins, 10 engl. Meilen in 1 St. 14 Min. 45 Sek. 1883 Raby, 100 engl. Meilen in 18 St. 8 Min. 15 Sek. 1880 Howes. In 1 St. lief 18 km 878 m 1904 Shrubb. 5) Im Dauergehen dürften die englisch-amerikanischen go-as-you-please-races, die sich durch volle sechs Tage mit beliebiger Ruhezeit erstrecken, die größten Leistungen aufweisen. 1889 hat bei einem solchen der Engländer Littlewood mit zusammen 151/3 St. Ruhezeit, also in 1282/3 St., 1002,4 km zurückgelegt, in der Stunde also 7,78 km. (Bei dem sogen. Distanzmarsch von Berlin nach Wien hat 1893 der Sieger, der Turner Peitz, den auf 578 km berechneten Weg in 154 St. 26 Min. abzüglich 36 St. vorgeschriebene und 10 St. freiwillige Ruhezeit, also in 108 St. 26 Min. Gesamtlaufzeit, zurückgelegt, in der Stunde also 5,63 km.) 6) Im Schlittschuhlaufen hat Oestlund 1900: 500 m in 45,2 Sek., 1000 m in 94 Sek., 1500 m in 2 Min. 22,6 Sek., 5 km 1894 Jaap Eden in 8 Min 37,6 Sek., 10 km 1900 Oestlund in 17 Min. 50,6 Sek. durchmessen. 7) Im Weitsprung haben geleistet a) mit Anlauf 1899 Kränzlein 7,48 m, 1898 Newburn 7,89 m (mehrere Turner: 6,60 m); b) ohne Anlauf 1889 Darby 3,72 m; c) im Dreisprung mit Anlauf (hop, step and jump) 1888 Shanahan 15,25 m (beste Leistung von Turnern 1901: 12,91 m). 8) Im Hochsprung a) mit Anlauf (ohne Sprungbrett oder mit Abrechnung seiner Höhe) Sweeny 1895: 1,971 m (Turner 1,86 m); b) ohne Anlauf 1892 Darby 1,828 m. 9 a) Im Stangenhochsprung mit Zurückwerfen der Stange: Dickinson 1891: 3,58 m, Gonder 1904: 3,77 m; b) im Stangenweitsprung 1904 Welz 9,08 m. 10) Sprung eines Pferdes mit Reiter 2,26 m 1893 (?) der ungarische Fuchs Heatherbloom in Chicago. 11) Im Tiefweitsprung mit Schneeschuhen: Reidar Gjölme 1902 auf dem Holmenkollen bei Christiania 29,50 m weit, 12 m tief, Nils Gjestvang 1902: 41 m weit. 12) Im Stoßen und Werfen: eine 7,25 kg (16 engl. Pfd.) schwere Eisenkugel stieß mit kurzem Ansprung 1904 Coe 14,81 m, eine 19,05 kg schwere 1888 Daly 8,38 m weit. Der Schweizer Turner Lutz stieß 1888 einen Stein von 20 kg aus dem Stand 6,40 m, aus dem Anlauf 1893: 8,50 m weit. Von deutschen Turnern sind 15 kg 7,70m, 10 kg 10,60 m, 5 kg 18,40 m weit, ein 2 kg schwerer Schleuderball ist 1898 in Hamburg von Lahrmann 47,14 m, 1904 von Dörr bei längerer Schlaufe 52,50 m weit geworfen worden. Wurf mit 2 kg schwerer Wurfscheibe (Diskus) 1903 Eynard 43,21 m (bester deutscher Wurf 41 m Dörr). Weitester Wurf mit kleinem Handball 142,58 m, mit Kricketball 127,96 m. 13) Im Stemmen: Hackenschmidt drückte 1898 mit einem Arm eine Hantel von 122 kg und riß von der Erde hoch eine Hantel von 89,5 kg, beidarmig stemmte Türk 1897: 161,5, Steinbach 1905: 163 kg; 25 kg stemmte 1904 mit einer Hand 100mal Grabau, 37,5 kg 1900: 130mal mit beiden Händen Linke. 14) Im Heben: Der Amerikaner Curtis hob 1868 »im Geschirr«, d.h. mit einer die Last auf den Körper verteilenden Tragbändereinrichtung, und mit Aufstemmen der Arme 1469,18 kg 2 Zoll hoch, Cyr 1892 angeblich 1669,8 kg. Vgl Silberer, Handbuch der Athletik und des Trainings für alle Sportzweige (2. Aufl., Wien 1900); Depping, Die Körperkraft und Geschicklichkeit des Menschen. Historische Darstellung der L. bei den alten und neuern Völkern (a. d. Franz., 2. Aufl., Minden 1882); Siebert, Katechismus der Athletik (Weißenfels 1898); Flatow und Jahns, Handbuch für Wetturner (Berl. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 352-353.
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