[216] Festung, ein durch die beständige Befestigungskunst so befestigter Punkt, daß er selbständig durch seine Vertheidiger auch gegen eine feindliche Übermacht auf längere Dauer behauptet werden kann, I. Eintheilung der Festungen. Je nach ihrer Vertheilung in einem Lande theilt man die F-en in: Grenzplätze, nahe den Grenzen, u. innere Plätze, im Innern des Landes; nach dem speciellen Zweck der F-en für die Kriegsführung kann man unterscheiden: Sperrp ätze, welche dem Feinde eine Operationslinie verlegen sollen; sie sind stets[216] an großen Terrainhindernissen angelegt, an Gebirgen od. bedeutenden Flüssen, die nuran wenigen Punkten überschritten werden können. Depotplätze, in denen eine Armee ihre Magazine aller Art anlegt u. sichert; sie legen auf den vorausersichtlichen Operationslinien der Armeen. Centralplätze, denen hauptsächlich die Bestimmung zugewiesen ist, einer Feldarmee als Stütz- u. Angelpunkt zu dienen, sobald dieselbe auf die Vertheidigung angewiesen ist; sie müssen auf den entscheidenden strategischen Punkten angelegt sein u. durch ihre Größe u. Bedeutung eine entschiedene Anziehung auf den Feind ausüben; gewöhnlich schließen sie zugleich große Städte ein u. liegen an bedeutenden Flüssen. Je nach ihrer Größe unterscheidet man F-en ersten Ranges, F-en zweiten Ranges etc. Obwohl bei Feststellung dieser Bezeichnungen keine bestimmte Grenze gezogen werden kann, so ist es doch üblich, anzunehmen, daß eine F. ersten Ranges wenigstens 12 Fronten u. einen Umfang des Hauptwalls von 6000 Schritt, eine F. zweiten Ranges 8 Fronten od. 4000 Schritt Umfang etc. hat. In Bezug auf die örtliche Lage unterscheidet man: Ber-g-F-en, Hase-F-en etc. Die gesammten F-en eines Landes bilden sein Festungsnetz.
II. Theile derselben. Die Vertheidigung einer F. geschieht mit Festungswerken, diese bestehen wesentlich in: a) dem Wall, der, nach dem Bastionär-, Tenaillen- od. Caponniersystem angelegt, den Kern jedes Platzes bildet u. das Innere gegen das feindliche Feuer sichert; u. b) in dem Graben, der als wichtiges Annäherungshinderniß dient u. das Material zur Anschüttung des Walles liefert. Unterstützt wird die Vertheidigung durch Außenwerke (s.d.), die auch zugleich das feindliche Feuer von dem Wall abhalten, u. durch isolirte Werke od. Forts, welche außerhalb des Geschützbereichs des Walles einzelne wichtige Punkte festhalten. Die wichtigsten Außenwerke sind: Grabenscheren, Contregarden, Ravelins, Lünetten, Redouten, Reduits, Detachirte Werke, Horn- u. Kronenwerke etc. Außerdem gibt es noch c) Verstärkerungen der F-en, nämlich Abschnitte, crencitirte Gallerien, Cavaliere, Kasematten (Defensivkasematten), welche letztere eine bedeckte Vertheidigung, die einer F. erst ihre wahre Stärke gibt, bilden, auch wohl kasemattirte (Montalembertsche) Thürme, die eine etagenförmige Vertheidigung geben u. auch wohl zu Außenwerken benutzt werden. Hat die F. ferner ein gutes System, Contreminen u. Wassermanoeuvres, so trägt dieses viel dazu bei, ihr eine desto längere Vertheidigung möglich zu machen. Die Verbindung mit Außen unterhalten Thore, Poternen u. Zugbrücken, Rampen u. Treppen. Um im Nothfall nach der Einnahme der Stadt sich noch halten zu können, wird oft bei F-en eine Citadelle angelegt; die Brücken deckt man durch Brückenköpfe u., wo das möglich, bewirkt man Überschwemmungen des Vorterrains der F. als Mittel gegen die Annäherung des Feindes. Eine wesentliche Bedingung für die Haltbarkeit eines Platzes sind zahlreiche bombensichere Räume zur Unterbringung der Vertheidiger u. Verwundeten sowohl, als der Vorräthe u. Werkstätten aller Art.
III. Für die Anlage der Festungswerke sind maßgebende Grundsätze: a) alle Werke müssen möglichst sturmfrei sein: b) die einzelnen Werke müssen Selbständigkeit besitzen, damit nicht der Verlust des einen auch den Verlust des anderen zur Folge hat, u. sie müssen sich gegenseitig kräftig unterstützen; c) die Werke müssen den Feind nöthigen, schon in großer Entfernung vor dem Hauptwall den langsamen, regelmäßigen Angriff zu wählen; d) die Werke müssen bei der geringsten Ausdehnung den größten inneren Raum gewähren u. ihre Erbauung darf nur möglichst geringe Kosten verursachen; e) sie müssen eine möglichst kräftige Offensive gestatten u. durch Abschnitte u. Reduits die Vertheidigung od. Wiedereroberung selbst dann noch ermöglichen, wenn der Feind schon in sie eingedrungen ist; f) die Werke dürfen nicht von Punkten außerhalb der F. überhöht werden u. müssen stark genug sein, um dem feindlichen Geschützfeuer möglichst lange widerstehen zu können; g) die Mauerbauten dürfen dem directen Feuer des Feindes nicht ausgesetzt sein; h) nicht Regelmäßigkeit der Linien, sondern Benutzung der Vortheile des Terrains entscheidet über die Anordnung der Werke; i) durch Annäherungshindernisse u. durch Entziehung des zur Deckung unentbehrlichen Erdbodens mußdem Feinde die Festsetzung im Vorterrain erschwert sein; k) zahlreiche, zur Vertheidigung eingerichtete Hohlbauten verleihen zwar große Stärke, sind aber kostspielig; l) möglichst kräftige Vertheidigung des Grabens ist eine Hauptsache. Die Ausbeutung dieser Grundsätze hat im Laufe der Zeiten bei Anlage der F-en zu verschiedenen Formen geführt: dem Bastionärsystem, nach welchem der Wall aus- u. eingehende Winkel bildet, die in ihrem Wechsel eine bestimmte Ordnung zu gegenseitiger Bestreichung befolgen; dem Tenaillensystem, in welchem ebenfalls aus- u. eingehende Winkel regelmäßig mit einander abwechseln; u. dem Caponniersystem, nach welchem der Grundriß nur ausspringende Winkel hat u. die langen Linien ihre Bestreichung hauptsächlich von Caponnieren erhalten.
IV. Zweck u. strategische Verhältnisse der Festungen. F-en haben, strategisch betrachtet, einen offensiven od. defensiven Zweck. Erster ist, daß mehrere derselben (mindestens 3 zusammen) eine Basis bilden, auf die sich eine offensive Operation gegen den Feind gründen läßt; letzter, daß sie ein Land gegen feindliche Einfälle decken, den diesseitigen Heeren Anlehnungspunkte geben, feste Stellungen noch mehr verstärken u. geschlagenen Armeen Sammelpunkte u. Zeit gewähren, sich wieder in kampffähigen Stand zu setzen. Um Beides zu können, müssen sie so viel wie möglich an der Grenze u. an passenden Punkten, an Landstraßen, Gebirgspässen, Debouchés aus dem Gebirge in das platte Land u. vornehmlich an schiffbaren Flüssen od. wichtigen Straßenknotenpunkten liegen u. hierdurch der diesseitigen Armee die Communication auf diesen sichern, während sie dieselben dem Feinde wehren. Die gegenseitige Entfernung der F. in einem wohl angelegten Festungssystem darf in ebenem, leicht practicabiem Terrain nicht über 23 Tagemärsche betragen. Hinter der ersten Linie von F-en muß noch eine zweite u. dritte folgen, u. diese müssen so angelegt sein, daß die Plätze zweiter Linie hinter den Zwischenräumen der ersteren liegen. Dadurch entsteht zugleich der Vortheil, daß zwei hintere Plätze mit einem vorderen ein Dreieck bilden, zwischen dem sich eine Armee gedeckt aufstellen kann. Der Feind wagt, wenn die F-en gehörig besetzt sind, viel, wenn er zwischen zwei F-en durchgeht, ohne jede mit einem überlegenen Corps beobachten zu lassen, obgleich[217] dies in den neueren Kriegen weit häufiger vorgekommen ist, als in den früheren. Kleine F-en, mit einigen 100 Mann Besatzung, können dagegen, so fest sie oft sind, wohl als Verwahrungsorte von Schätzen, Archiven etc., od. als einen Paß etc. schließend, angesehen, aber nicht als strategische Punkte betrachtet werden. Nur große F-en mit starken Besatzungen besitzen bei der gegenwärtigen Kriegführung mit so großen Armeen, wie sie durch Annahme des Conscriptions- u. Reservesystems den Staaten zur Verfügung stehen, noch Bedeutung, indem sie, wenn es der Feind wagt, zwischen ihnen durchzugehen u. sie nicht mit stärkeren Corps, als die Besatzung ist, blockirt sind, Ausfälle machen, sich mit den nächsten Besatzungen verbinden, wenn der Krieg im eigenen Lande spielt, die Bewohner des platten Landes insurgiren u. den Feind im Rücken bedrohen können. Wenn die Nichtberücksichtigung dieser großen Plätze dem Feinde mithin unmöglich ist, so ist gleichwohl ihre Wegnahme nicht nur schwierig, weil die Ausdehnung eine vollständige Umschließung nicht zuläßt, sondern erheischt auch ungemein zahlreiche Streitkräfte. Wenn man daher, auf die Erfolge in den Napoleonischen Kriegen gestützt, zu der Ansicht gelangt war, F-en seien überhaupt nicht nothwendig, da ihre Bedeutsamkeit in der heutigen Kriegführung geschwunden sei, so war das nur in so weit richtig, als man unter F-en die große Menge der damals bestehenden kleinen Plätze verstand, nicht aber so große F-en, wie sie die Neuzeit geschaffen hat. Deren Wichtigkeit, bisweilen dadurch noch erhöht, daß sogenannte befestigte Lager unter ihrem Schutze angelegt sind, wird stets anerkannt werden müssen.
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