Horn [1]

[538] Horn (Cornu), 1) (Thierhorn), das H. wurde mehreren Säugethieren, meist als ein Paar Hörner, zur Waffe verliehen, jedoch nur den Wiederkäuern, von denen aber Lama, Kameel u. Moschusthier, sowie die Weibchen vieler Arten ausgenommen sind. Diese Organe beginnen stets damit, daß sie sich als ein Wärzchen an der Stelle erheben, wo ein H. sich erheben soll. Diese Wärzchen kommen zwar auch bei den Weibchen hervor, u. zwar mit einem Haarwirbel besetzt, bilden sich aber bei diesen nicht immer als wirkliches Gehörn aus. Man unterscheidet eigentliche Hörner (hohle Hörner) u. Geweihe (nicht hohle Hörner). Bei beiden zeigen sich kegelförmige Knochenverlängerungen auf dem Stirnbeine (Stirnzapfen, Rosenstöcke). Bei der Bildung der hohlen Hörner überziehen sich nun diese Stirnzapfen mit einer haarlosen, hornigen Haut, unter welcher sich jährlich immer wieder eine neue Schicht bildet, wodurch die alte etwas gehoben wird u. das H. also emporwächst. Manche Wiederkäuer bekommen auch mehr als zwei Hörner; mehrere Antilopen haben z.B. normal vier Hörner, manche Schafe bekommen drei bis sogar zwölf Hörner auf der Stirn. Die Hörner der Weibchen sind immer kleiner, als die der Männchen u. fehlen oft ganz. Die Geweihe erheben sich auch auf den Stirnzapfen (Rosenstöcke) u. überziehen sich mit einer weichen Haut, welche jener Hornscheide der Hörner entspricht; sie ist dicht behaart, auch stirbt u. fällt diese Haut (Bast) ab, od. sie wird von dem Thiere an Baumstämmen u. dergl. abgerieben (abgefegt, abgeschlagen). Selbst der nunmehr nackte Knochen, das Geweihe, stirbt nach einem Jahre ebenfalls ab u. fällt ab. Auf dem Rosenstocke wächst dann das Geweihe aufs Neue, u. so erneuert es sich jedes Jahr. Es wächst nämlich beim Hirschkalbe, wenn es 6–8 Monate alt ist, allmälig ein Höcker hervor, welcher eben den Rosenstock, von dem aus das Geweih emporwächst, ausmacht. Nach einiger Verzögerung im Wachsen entwickelt sich nun dieses sehr schnell zu einem einfachen, kegelförmigen H., welches schon im Mai od. kurz zuvor, ehe der Hirsch ein Jahr alt ist, ausgewachsen erscheint. Dieses wird nun von dem Baste im Herbste befreit u. bleibt bis zum folgenden Frühlinge, wo es abfällt u. ein neues mit dem sogenannten Augenende (Augensprosse) versehenes sich bildet. Das Geweihe, welches der Jäger im vorigen Jahre Spieße nannte, nennt er nun Gabel, daher der Hirsch in jenen Zeiten auch Spießer u. Gabelthier genannt wird. Dieser Wechsel wiederholt sich jährlich, jedoch so, daß die Zahl der Äste (Enden) des Geweihes mit jedem Jahre zunimmt, daher auch das Alter des Hirsches nach der Zahl dieser Enden bestimmt wird u. man z.B. einen dreijährigen Hirsch Sechsender, einen vierjährigen Achtender etc. nennt. Nur bei dem Rennthiere hat auch das Weibchen ein Geweih, bei allen anderen Arten ist es ohne dasselbe. Die Hörner der Giraffen sind Geweihe, welche immer in ihrer ersten Bildungsstufe, also immer mit Bast überzogen bleiben, u. welche abgeworfen werden. Das H. des Rhinoceros (Nashorns) steht nicht auf der Stirn, sondern auf der Schnauze über der Nase u. ist ein bloßes Hautgebilde. Gehörnte Hafen gibt es nicht; das dem des Rehbocks ähnliche sogenannte Hafengeweih ist ein Betrug der Naturalienhändler, eben so wie die Hörner der Pferde, Katzen, Wölfe etc., wenn diese nicht krankhafte Auswüchse sind, wie sie zuweilen auch bei den Menschen an verschiedenen Stellen entstehen u. die als eine ungewöhnliche Wucherung der Oberhaut an dieser Stelle zu betrachten sind. Sowohl in histologischer als chemischer Beziehung stimmt die Zusammensetzung der Hornmasse mit der der Epidermis überein; sie besteht ebenfalls aus nebeneinander gelagerten kernhaltigen Zellen od. Bläschen, welche, ohne sich wie Zellen anderer Organe weiter auszubilden, vertrocknet u. durch eine Intercellularsubstanz verbunden sind. Eine eigenthümliche Hornsubstanz (Keratin), wie man sie früher annahm, gibt es demnach nicht. Die Hörner der Thiere dienten den ältesten Völkern vornehmlich als Trinkgefäße, auch zur Aufbewahrung von Öl, Wein etc. (wie noch jetzt im Orient). Da das H. ein Zeichen der Kraft, Macht u. Würde war, so wurden Götter, Heroen u. Personificationen der Flüsse mit Hörnern dargestellt; so auf alten Münzen die Köpfe des Serapis, des Amun, Bakchos, der Isis, auf persischen Münzen die Alexanders des Großen u. seiner Nachfolger. Auch setzte Astarte die Kopfhaut eines Stieres auf ihr Haupt. Über Mosis gehörntes Haupt s.u. Moses, u. das H. des Überflusses (Cornu copiae), s.u. Amalthea u. Acheloos. In der Heraldik kommen Hörner seltner im Schilde, öfter auf dem Helm vor, u. zwar Büffelshorn (s.d.) u. Hirschgeweihe, wo sie bald allein, bald als Träger mehrerer Figuren erscheinen; sie gehören zu dem ältesten Helmschmuck, ihr Ursprung wird von der Jagd hergeleitet. 2) Die Hornmasse von Thierhörnern, so fern sie zu Hornarbeiten dient; diese, wie Dosen, Knöpfe, Stöcke, Platten (s. Hornglas) etc., werden gedrechselt od. gepreßt (gepreßtes H.) u. von Hornarbeitern gefertigt, welche Drechsler, Kammmacher od. auch unzünftige Arbeiter sind. Die Hornspäne, Abfälle bei Hornarbeiten, sind ein sehr gutes Düngemittel, werden bei windstillem Wetter auf die rauhe Saatfurche gestreut u. eingeeggt; die Anfeuchtung mit Jauche u. das Gährenlassen damit in Haufen befördert ihre schnelle Wirkung; die Wirkung der Hornspäne dauert mehrere Jahre. 3) Hornförmig gekrümmte Körpertheile od. auch Körperräume, bes. Hörner des Gehirns, in den seitlichen Gehirnhöhlen (s.u. Gehirn), der Knorpel des Kniegelenks (s.u. Knie), des Steißbeins, der Schilddrüse, des Zungenbeins, der Brustdrüse (s.d. a.) u.a. [538] 4) Hornartige Verhärtung der Haut; s. Callus 1); 5) der aus hornartiger Substanz bestehende Huf der Pferde, Esel etc.; der Schnabel u. die Klauen der Vögel; 6) krankhafter hornartiger Auswuchs bei Menschen, namentlich bei Frauen vorkommend, aus Fettbälgen der Haut, der Oberhaut, Warzen, Hautgeschwülsten, Narben etc. sich bildend, vorzüglich am behaarten Theile des Kopfes u. an der Stirn, bräunlich od. schwärzlich, bisweilen von ansehnlicher Länge, einzeln od. mehrfach; wird bisweilen abgestoßen u. erzeugt sich wieder; muß ausgeschnitten werden; 7) hornartige Gebilde bei anderen Klassen von Thieren, so: Auswüchse, die krankhafter Weise sich am Kopfe von Gänsen, Enten, Hühnern etc. finden. Hieher gehört die Künstelei bei Kapaunen, denen man die von den Füßen abgeschnittenen Sporen (od. auch nur einen) durch eine Wunde am Kopfe einpfropft, wo diese dann, wenn dabei vorsichtig verfahren wird, nicht nur einwachsen, sondern auch noch größer werden, als sie an den Füßen geworden wären; ferner Bildungen bei Fischen (wie beim Narwall) u. Insecten von hornähnlicher Substanz, wodurch diese Thiere häufig Bezeichnung bekommen (s. Hornfische, Hornträger u.a.); vgl. Einhorn. 8) Fühlfaden der Schnecken od. anderer Weichthiere; 9) eben so (als Fühlhorn) bei Insecten; 10) H., als Blasinstrument, s. Signalhorn, Waldhorn, Klappenhorn. Das H. war schon bei den Alten ein ganz in die Runde gekrümmtes Instrument. Bei den. Hebräern kommen in der Bibel auch häufig Hörner vor, so H. des Halljahrs, ein Blasinstrument, welches im Kriege u. bei Festmusiken gebraucht wurde. 11) Ein jeder sehr hervorragende Theil eines Dinges; vgl. Haspel, Pflug, Segel, Orgel, Altar; 12) ein spitziger Berg od. auch eine Bergspitze, bes. in der Schweiz; 13) eine weit in das Meer od. in einen Fluß ragende Land- od. Inselspitze.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 538-539.
Lizenz:
Faksimiles:
538 | 539
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Reigen

Reigen

Die 1897 entstandene Komödie ließ Arthur Schnitzler 1900 in einer auf 200 Exemplare begrenzten Privatauflage drucken, das öffentliche Erscheinen hielt er für vorläufig ausgeschlossen. Und in der Tat verursachte die Uraufführung, die 1920 auf Drängen von Max Reinhardt im Berliner Kleinen Schauspielhaus stattfand, den größten Theaterskandal des 20. Jahrhunderts. Es kam zu öffentlichen Krawallen und zum Prozess gegen die Schauspieler. Schnitzler untersagte weitere Aufführungen und erst nach dem Tode seines Sohnes und Erben Heinrich kam das Stück 1982 wieder auf die Bühne. Der Reigen besteht aus zehn aneinander gereihten Dialogen zwischen einer Frau und einem Mann, die jeweils mit ihrer sexuellen Vereinigung schließen. Für den nächsten Dialog wird ein Partner ausgetauscht indem die verbleibende Figur der neuen die Hand reicht. So entsteht ein Reigen durch die gesamte Gesellschaft, der sich schließt als die letzte Figur mit der ersten in Kontakt tritt.

62 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon