Twer

[86] Twer, 1) Gouvernement im Europäischen Rußland, grenzt an die Statthalterschaften Nowgorod, Jaroslaw, Wladimir, Moskwa, Smolensk u. Pskow; nach den officiellen statistischen Tabellen: 1163,12, nach der Berechnung von Seiten der Moskauer Sternwarte (Schweizer) 1224,99 QM.; durch die Alaunischen Berge gebirgiges Land; Flüsse: Düna u. Wolga, welche hier entspringen u. denen hier die Shukopa, Twerza u. Medweditza zufallen, so wie ebenfalls die Mologa, welche in Jaroslaw der Wolga zufließt; Seen: Seliger-, Stershe-, Dolgoe-, Sosnizasee u.a.; Kanäle: der von Wyschnij-Wolotschok; Klima: gemäßigt u. gesund, Anfang April bis Anfang November sind die Flüsse frei von Eis; Einwohner: 1,491,509, meist Russen; außerdem Finnen (85,000), Zigeuner (200), Westeuropäer (bes. Deutsche); Beschäftigung: Ackerbau auf allerlei Getreide u. Hülsenfrüchte, Gartenbau (nur auf die gewöhnlichen Gemüse), Viehzucht, Holzcultur (doch sind die Waldungen wegen der häufigen Moräste nicht überall zugänglich), Fischerei (sehr ergiebig). Man findet hier noch viel Raubwild, Bären, Wölfe, Füchse; von nutzbaren Mineralien bes. Naseneisen. Industrie in Leder, Leinwand, Segeltuch, Farben u. v. a., man treibt Handel mit diesen u. mit den Erzeugnissen des Landes. Die Eisenbahn von Petersburg nach Moskau durchschneidet das Gouvernement. Wappen: im rochen Felde ein schwebender Sessel, worauf eine goldene Krone auf grünem Kissen liegt. Kreise: T., Kaschin, Bjeshezk, Wyschnij-Wolotschok, Ostaschkow, Rshew-Wladimirow, Subzow, Stariza, Torshok, Kaläsin, Kortschewa, Weßjegonsk; 2) Kreis hier, 116,000 Ew.; 3) Hauptstadt des Gouvernements u. des Kreises, am Einfluß der Twerza u. Tmaka in die Wolga u. an der Eisenbahn von Petersburg nach Moskau, hat Pallisadenumgebung, besteht aus einer Festung (nur schwach befestigt, mit kaiserlichem Palast u. Kirche, geistlichem Seminar u. Gouvernementshaus), der Stadt u. Vorstadt; hier Denkmal Katharinens II. von sibirischem Marmor. T. ist Sitz des Gouverneurs, der Gouvernementsbehörden u. eines griechischen Erzbischofs; hat 33 Kirchen, darunter eine Kathedrale; Priesterseminar, mehre Klöster, Gymnasium, Ritterakademie u. andere Schulen, Wohlthätigkeitsanstalten, Theater, Kaufhaus. Man beschäftigt sich bes. mit Schiffbau, Schifffahrt u. Landfracht, fertigt Leinwand, Öl, Terpentin, Glocken, Seilerwaaren, Lichter, Bier, bleicht Wachs, treibt Handel mit diesen Producten, Getreide, Eisen, Hanf, getrockneten Fischen. Der Handel ist bes. lebhaft durch die hier schiffbar werdende Wolga u. da T. der Zwischenpunkt des Handels zwischen Petersburg u. Moskau ist; 25,300 Ew.; 1/2 Stunde davon das Mönchskloster Nikolaj-Monastyr. – T. war sonst ein eigenes Großfürstenthum, s.u. Russisches Reich S. 521. Die Stadt T. wurde im 12. Jahrh. erbaut u. war einst Residenz eigener Großfürsten aus Ruriks Stamm. Einer davon, Michael Jaroslawitsch, wurde nach Sarai, der Hauptstadt des Tatarenkhans, welchem er tributpflichtig war, gefordert u. dort enthauptet. Zu Ende des 15. Jahrh. fiel das Großfürstenthum an das von Moskau; 1606 nahmen die Polen T. mit Sturm u. brannten es nieder. 1763 brannte die von Holz gebaute Stadt wieder ab, wurde aber durch Katharina II. aus Stein wieder aufgebaut.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 86.
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