Schmarotzer

1. Schmarotzer kommen nie zu spät.


2. Schmarotzer Lohn ist: geh' davon.

Das Wort Schmarotzer (Parasitos) hatte ursprünglich bei den alten Griechen eine bessere Bedeutung als heute bei den gebildeten Völkern. Der Parasitos war ein Priester beim Gottesdienst des Apollo und Herakles, der mit goldener Krone geschmückt erschien und die Aufsicht über die den genannten Göttern gewidmeten Erstlinge des Getreides führte. Für ihre Mühewaltung erhielten die Parasiten dann einen Theil der Opfer zu eigener Verwendung. In der Folge begriff man unter Parasiten alle diejenigen, welche auf Kosten anderer lebten und ihnen nach dem Munde redeten. Splendide Gastgeber hielten sich dergleichen Schmarotzer zur Unterhaltung ihrer Gäste, wie andere heutzutage wol Affen zu halten pflegen. Sokrates bezeichnete als seine Parasiten einst Mäuse, die sich in seiner Stube tummelten. (Vgl. [255] Deutsche Romanzeitung, 1865, Nr. 26.) Ueber das Wort Schmarotzer vgl. auch Wurzbach, II, 313.

Lat.: Nil dant mensipetae, nil portant praeter avete. (Chaos, 104.)

3. Schmarotzer, Mücken und die Hund' sich finden, wo man isst zur Stund'.

Vorzugsweise aber bei Reichen und Hochgestellten. Diogenes rief, als eine Maus von seinem Brote frass: »Ich bin reich, ich habe Schmarotzer.« Der Franzose sagt vom Schmarotzer, er mache es wie die Sau des heiligen Antonius, die sich überall hindurchschiebt. (Faire comme le pourceau de Saint-Antoine se fourrer partout.) In Aegypten sagt man spottweise von Leuten, die um einer guten Mahlzeit willen von einem Ende der Stadt zum andern rennen: Der Schmaus ist in Oberägypten, es ist nicht weit von hier. (Burckhardt, 402.)

Lat.: Musca, canes mimi sunt ad convivia primi; non invitati veniunt prandere parati. (Seybold, 323.)


4. Schmarotzer riechen guten Frass weiter als der Rabe Aas.

»Ein Schmarotzer, der dem Geruch nachgeht.«

Lat.: Fumum olfacit. (Seybold, 196.)

Schwed.: Snylte gjäst har altid skarpan knijf. (Grubb, 746.)


5. Schmarotzer schlagen sich zu, wo man isset vnd trincket; wo man aber die Riemen ziehen vnd zahlen sol; so wischen sie das Maul vnd ziehen vom Hag ab.Petri, II, 530.


6. Schmarotzer seind gemeynglich ohrnschlotzer.Franck, II, 183b; Lehmann, II, 566, 35; Wurzbach II, 314; Körte, 5358.

Sie sind wie Ratzen in der Speckkammer, sie fressen auf, laufen dann weg, und ihr Dank ist Stank. Schlotzen = am Schlotzer (Suckelglas, Zutschkännchen, Nätschel u.s.w.) saugen. Vgl. Campe, Wb., unter Schlotzen und Kinderdutte.

Holl.: Schuimers halen het vetje van den pot. (Harrebomée, II, 262b.)


7. Schmarotzer sind keine wahren Freunde.

»Schmarotzer sind des Privatlebens Hofcavaliere.« (Welt und Zeit, V, 242, 327.)

Lat.: Qui socius mensae est, verum ne reris amicum. (Binder I, 1490; II, 2810.)


8. Schmarotzer und Fliegen verlieren sich bei schlechtem Wetter.

»Bei schlechtem politischen Wetter verlieren sich auch die Schmarotzerfliegen von den herrschaftlichen Tafeln.« (Welt und Zeit, V, 330, 124.)


9. Schmarotzer und Hofschranzen sind Mücken, die nur bei schönem Wetter tanzen.Welt und Zeit, VI, 155, 57.


10. Schmarotzer versäumen die Uhr nie.

Frz.: Les écornifleurs cherchent midi où il n'est qu'onze heurs. (Kritzinger, 259a.)


11. Schmarotzer wissen von keinem bessern Wasser, als von dem Handwasser in anderer Leute Häuser.


*12. Er ist ein rechter schmarotzer.Eyering, I, 327 u. 450.

Auch Tellerlecker (s.d.), Schwenkdenrüssel, Leerdieschüssel. (Eyering, II, 331.)

Lat.: Muris in morem vivit. (Binder I, 1045; II, 1952; Erasm., 713; Tappius, 139b.)


*13. Schmarotzer vnd Tellerlecker.Franck, Zeytbuch, CLIXa.


[Zusätze und Ergänzungen]

14. Der Schmarotzer ist ein guter Esser, er kommt mit leerem Bauch und scharfem Messer.


15. Der Schmarotzer kommt nicht allein, ein scharfes Messer und ein gefrässiger Schlund seine Begleiter sein.


16. Schmarotzer nimmt eine Wurst vnnd hilfft eine gantze Saw fressen.Herberger, Ib, 809.


17. Schmarotzer sind Hunde, die den Herrn fressen, der sie füttert.Harssdörffer, 2551.


*18. Ein Schmarotzer und Polstermacher.Herberger, I, 714.


*19. Was thut ein Schmarotzer nicht für ein Maulvoll Abendessen.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876.
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