1. Dreimal selig ist der Mann, der Herrendienst entbehren (entrathen) kann.
Lat.: Dulce in expertis cultura potentis amici, expertus metuit. – Porro a Jove atque a fulmine. (Eiselein, 304.)
2. Es ist nicht jeder selig, der heilig scheint. – Parömiakon, 555.
3. Niemand kan sich selbst selig machen. – Lehmann, II, 427, 100.
4. Preis niemand selig vor seinem End', denn Unfall kann kommen behend.
5. Rhüm niemandt seelig vor seim endt, das glück im Augenblick sich wendt. – Lehmann, 173, 28.
6. Sälig ist der, der mit ander leüt scheden witzig wirdt. – Hauer, Miij2.
Lat.: Optimum est aliena frui insania. (Hauer, Miij2.)
7. Sälig ist, der Gott alle tag sihet, vnnd seinen Erbherren im jar ainmal. – Agricola II, 187; Egenolff, 21a; Petri, II, 519; Henisch, 907, 8; Lehmann, II, 568, 66; Eiselein, 251; Sailer, 100; Simrock, 4016; Körte, 2372.
»Der ist selig, sagt man, der seinen Herrn nicht kennet vnd welchen sein Herr auch nicht kennet.« (Mathesy, 53b.)
[536] Dän.: Salig er den som ser gud hver dag og sit herskab sielden. (Prov. dan., 487.)
Holl.: Zalig is hij, die zijnen god alle dagen ziet, en zijnen landheer eenmaal 's jaars. (Harrebomée, II, 491a.)
Lat.: Alterius non sit, qui suus esse potest. (Chaos, 668.)
8. Selig, der nicht schuldig ist. – Hauer, M2.
Lat.: Felix qui nihil debet. (Hauer, M2.)
9. Selig ist der Besitzer. – Pistor., II, 77; Eisenhart, 325; Hillebrand, 43; Graf, 93, 141.
Von den Vortheilen, die derjenige zum voraus hat, welcher die streitige Sache wirklich besitzt. Es ist aber hier nicht sowol der materielle Besitz gemeint, welcher darin besteht, dass man eine Sache in Händen habe, ihr Inhaber sei, sondern der bürgerliche, nach welchen man etwas auf eine, in den Rechten bestätigte Weise erhalten hat. Der Besitzer heisst selig, einmal, weil er nur durch ein förmliches Erkenntniss des Richters um den Besitz gebracht werden kann, dann aber auch weil ihm noch eine Menge Vortheile, von Eisenhart (2) aufgezählt, zugute kommen. Es bezieht sich dies wol auf den Besitzer, der sich in dem Glauben befindet, dass er die Sache rechtmässig besitze und der im römischen Recht Besitzer im guten Glauben: Bonae fidei possessor, genannt wird und dem der malae fidei possessor, der Besitzer im schlechten Glauben, entgegensteht. (Faselius, 33.) (S. ⇒ Zweifler.) Die Engländer behaupten sprichwörtlich: Der Besitz ist neun Zehntel vom Recht.
Engl.: Possession is eleven points of the law. (Gaal, 1044.)
Holl.: Een rustig bezit en brief van een derde deel van honderd jaren gaat vor alle zegel. (Harrebomée, I, 54.)
It.: Chi è in tenuta, Dio l'ajuta. (Gaal, 661.)
Lat.: Beati possidentes. (Binder II, 319; Büchmann, 117; Faselius, 29; Wiegand, 1044.)
Schwed.: Han är närmast som i handom (handen) om har. (Grubb, 290.)
10. Selig ist der Hausswirt, der sein eigen Töpfflein vnd Saltmesslin lecket. – Petri, II.
11. Selig ist der Mann, der eine Biene zum Weibe hat. – Oec. rur., 102.
12. Selig ist der Mann, der Herrendienst(-gunst) entrathen kann. – Lehmann, 128, 83; Petri, II, 519; Henisch, 1781, 47.
13. Selig ist der Mann, der vor Weiberlist sich hüten kann. – Henisch, 887, 41; Petri, II, 519.
14. Selig ist, den sein hand nehrt; noch seliger, der seins wol verzert; der seligst, des mund nit lestert vnd der all ding zum besten kert. – Franck, I, 88b; Gruter, III, 81; Lehmann, 362, 223; Lehmann, II, 577, 74; Chaos, 1054; Zinkgref, IV, 415.
15. Selig ist, der ohne Sorg lebet. – Petri, II, 519.
16. Selig ist die Mutter, die ein Priester tregt. – Petri, II, 519.
D.i. die einen Sohn geboren, der zum Priester ist erkoren.
17. Selig ist, wen fremder Schade witzig macht. – Simrock, 8783; Alsatia, 1862-67, 385.
Dän.: Salig er den der kand see ved anden mands skade. (Prov. dan., 487.)
Lat.: Casus dementis correctio fit sapientis. – Feliciter sapit, qui alius periculo sapit. (Plautus.) – Felix quem faciunt aliena pericula cautum. (Horaz.) (Eiselein, 542.)
18. Selig seyndt die Reichen, Recht vnnd Warheit muss jhnen weichen. – Lehmann, 682, 20.
19. Selig sind die Armen, denn sie haben das Himmelreich.
»Ein Herzog von Lothringen fragte einen Mönch, welches die seligsten Leute wären. Dieser sagte: Die Armen, denn das Himmelreich ist ihr. Da sprach der Fürst: So habe ich vielen in den Himmel geholfen, weil ich viel arme Leute gemacht.« (Wirth, I, 22.)
20. Selig sind die Armen, sagte Julian, und nahm seinen Unterthanen das Ihrige.
21. Selig sind die Friedfertigen.
Dän.: Salige ere de fredsommelige. (Prov. dan., 196.)
22. Selig sind die Reichen, dann das Fegfewr muss jhnen weichen. – Gruter, III, 81.
23. Selig vnd edel ist, der wol thut. – Henisch, 790, 6.
24. Selig, wer die Anfechtung erduldet. – Jak. 1, 12; Schulze, 284.
Lat.: Beatus qui suffert tentationem.
25. Selig wird genannt, der recht wenig ist gekannt.
»Selig wird der geacht allzeit, den auff erdt kennen wenig leut.« (Waldis, I, 30.)
Span.: Con lo mio me ayude Dios. (Don Quixote.)
26. Wer selig ist, der braucht's nicht erst zu werden.
Von einem Trinker heisst es: »Er trinkt und schafft mit Lust und List den Himmel sich auf Erden. Wer hier schon ewig selig ist, der braucht's nicht erst zu werden.« (Witzfunken, Ia, 14.)
[537] *27. Er ist selig. – Sutermeister, 65.
Hat einen Rausch. Um einen solchen Zustand in der Schweiz zu bezeichnen, finden sich a.a.O. noch folgende Ausdrücke: Er ist a'b lüemt, ag'stosse, b'stobe, nass, brämt, halbliinig, gäl, z'trumsi. Er ist düne. Er ist i der Fure. Es ist im Dölderli. Der tropfet, rünnt, heldet, wäpft, zwirblet, schwarbet. Er chert sie. (S. ⇒ Mass 94, ⇒ Molum und ⇒ Oel 45.)
*28. He is so selig, he kennt sinen Gott nig. (Holst.) – Schütze, IV, 90.
Von einem, der so betrunken ist, dass er nichts von sich weiss; vielleicht auch von einem, der sich in einen Rausch versetzt hat, welcher ihn so glücklich macht, dass er alles, sogar seinen Gott darüber vergisst.
Holl.: Hij is half zalig. (Harrebomée, II, 491a.)
29. Selig ist, wer die Freude der Welt gering achtet.
Bei Tunnicius (771): Selich is de, de de vrouwde der werldt klein achtet. (Felix in minimis terrarum gaudia ponens.)
30. Wie selig seyn die Leuth auf Erden, wann d' Frösch zu Predicanten werden.
Altes Pasquill. (Vgl. Birlinger, Alemannia, III, 290.)
*31. Das waren mir selige Tage.
Der Anfangsvers eines 1781 in Fritzchens Liedern zu Hamburg erschienenen, durch Hurka componirten Liedes von Ch. Ad. Overbeck.
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