Jeanne d'Arc

Jeanne d'Arc

[490] Jeanne d'Arc, bekannt unter dem Namen der Jungfrau von Orleans, war das schlichte Landmädchen, welches im Anfange des 15. Jahrh. ihr Vaterland, Frankreich, aus der Hand der Engländer errettete, welche durch die Macht ihrer Waffen und begünstigt von einer Partei in Frankreich, bereits solche Fortschritte gemacht hatten, daß die Selbständigkeit Frankreichs für immer verloren schien.

Der noch unmündige Heinrich VI., König von England, wurde König von Frankreich genannt, und vergebens kämpfte der rechtmäßige Beherrscher Frankreichs, der Dauphin Karl, für sein Recht und die Freiheit seines Reichs. Seine eigne unnatürliche Mutter Isabella hielt es mit England, sowie der mächtige Herzog von Burgund. Seit dem Herbste 1428 wurde die Stadt Orleans von Suffolk, einem der gewaltigsten engl. Heerführer, belagert und man sah mit Angst dem Falle dieser Stadt entgegen, von welcher, so weit war es bereits gekommen, das Schicksal Frankreichs abhing. Johanna war die Tochter eines armen Landmanns zu Domremy (s.d.) und zeichnete sich früh durch ein zur religiösen Schwärmerei hinneigendes Gemüth aus. Unweit einer Quelle bei Domremy, der man Heilkräfte zuschrieb, stand eine schöne Buche, die schöne Maie oder der Feenbaum genannt, an welche sich wunderbare Sagen knüpften von überirdischen Mächten und Geistererscheinungen. Hier und in der Kapelle der heiligen Jungfrau von Bellemont hing die Jungfrau häufig ihren schwärmerischen Gefühlen nach, welche sich wol auch mit der Noth des Vaterlandes beschäftigten, von der zuweilen Nachrichten in ihre stille Heimat gelangten. I. besorgte die Hauswirthschaft ihrer Ältern und war 18 Jahre alt, als ihr, wie sie selbst erzählte, zwei Heilige erschienen und sie auffoderten, das hart bedrängte Orleans zu entsetzen und den Dauphin Karl mitten durch seine Feinde nach Rheims zur Krönung zu führen. Schon früher glaubte sie Erscheinungen von Engeln und Heiligen gehabt zu haben, denen sie das Gelübde ewiger Jungfräulichkeit ablegte, und eine alte Sage, welche der Jungfrau aber erst später zu Ohren kam, sagte, von dem grauen Walde, der in der Nähe von Domremy lag, werde ein Mädchen kommen, die Wunderdinge verrichten werde. Auch soll ihr Vater, kurz ehe I. ihre Heimat verließ, einen Traum gehabt haben, als ob seine Tochter mit bewaffneten Männern fortginge, und soll sie in Folge dieses Traums streng bewacht haben. Nachdem sie jene Weisung der Heiligen erhalten hatte, theilte sie sich einem Oheim mit, der sie ohne Vorwissen ihres Vaters nach Vaucouleurs führte, denn sie glaubte Gott mehr Gehorsam schuldig zu sein, als ihren Ältern, denen sie aber bis dahin Gehorsam und Ehrerbietung geleistet hatte. Der Capitain Baudricourt, dem I. zu Voucouleurs ihre Sendung mittheilte, schickte sie zwei Mal wieder fort, indem er sie für eine Wahnsinnige hielt; endlich aber bewog sie ihn, daß er ihr männliche Kleider und Waffen gab und sie unter männlicher Bedeckung zum Dauphin schickte. Die männliche Kleidung legte I. nachher niemals freiwillig und nur, als sie von den Engländern in der Gefangenschaft dazu gezwungen wurde, ab, doch war sie sehr um Beobachtung der Sittsamkeit besorgt und schlief stets in Gesellschaft einer ehrbaren Frau. Als sie zum Dauphin kam, soll sie denselben alsbald erkannt haben, obgleich er, um sie zu prüfen, sich zu verbergen suchte; auch sagte die Jungfrau, daß ihr die Heiligen eine Stelle zu St.-Katharina von Fierbois angezeigt hätten, wo ein Schwert unter der Erde verborgen wäre. Hier soll man auch das Schwert ganz mit Rost überzogen gefunden haben, aber durch ein Wunder soll der Rost alsbald verschwunden sein. Dieses Schwert führte I. lange Zeit. Ehe man von Seiten des Hofs I. als die Gottgesandte, für welche sie sich ausgab, anerkannte, wurde sie zu Chinon und Poitiers von geistlichen und weltlichen Räthen drei Wochen lang geprüft. Endlich gab man ihr einen ehrenwerthen Ritter zum Wächter und Schützer und erlaubte ihr mit Dunois zum Entsatze von Orleans auszuziehen. Die wunderbare Erscheinung dieser begeisterten Jungfrau entflammte das franz. Heer zu neuem Muthe; mit Fahnen, welche ihnen I. gegeben und auf denen Gott mit der Weltkugel und zwei Engel mit den Worten Jesus Maria abgebildet waren, eilte es zum Siege. I. trug selbst eine solche Standarte und that dieses, um selbst nie in den Fall zu kommen, Blut zu vergießen. Sie selbst wurde mehre Male verwundet, aber sie versicherte vor ihrem Tode, daß sie nie einen Menschen getödtet habe. Nachdem I. Orleans 1429 entsetzt, mehre Orte den Feinden entrissen und eine Hauptschlacht gewonnen hatte, in der Englands größter Feldherr Talbot gefangen wurde, zog Karl zu Rheims ein und wurde zum Könige gekrönt und mit dem heiligen Öle gesalbt. Dabei erschien I. an der Seite des Königs in voller Rüstung und mit ihrer Fahne in der einen Hand, hielt sie als Connetable von Frankreich das Schwert über den König. Nun wurde Karl VII. in ganz Frankreich als König anerkannt. I. hatte ihre Sendung erfüllt und wollte in ihre Heimat und in die Verborgenheit zurückkehren, aber noch waren die Engländer im Besitz von Paris; das franz. Volk verehrte die Jungfrau wie eine Heilige, und so baten die franz. Großen I. so lange, bis sie zu bleiben versprach. Paris wurde vergeblich angegriffen, I. aber, die im Treffen verwundet worden war, wurde vom Könige mit ihrer ganzen Familie in den Adelstand erhoben. Ihr Wappen, wie solches noch auf ihrem Geburtshause zu Domremy zu sehen ist, zeigt ein Schwert, auf dessen Spitze eine Krone steht, und zwei Lilien, sie selbst aber erhielt den Namen Delis (Dulis, dy Lys, d.h. von der Lilie). Die Engländer hatten indeß zu Paris Heinrich VI. als König von Frankreich gekrönt und belagerten Compiègne. I. zog hinein, um es zu retten; beim Rückzuge von einem Ausfalle wurde das Fallgitter zu zeitig niedergelassen, die Jungfrau sah sich in der Gewalt ihrer Feinde und ergab sich an einen Ritter von der Partei des Herzogs von Burgund. Man verwahrte sie anfangs zu Crotoy, dann in einem Thurme zu Beaurevoir. Hier erfuhr sie, daß sie den Engländern ausgeliefert werden sollte und stürzte sich in Verzweiflung, wie sie selbst sagte, gegen das Verbot der Heiligen, von der Höhe des Thurmes herab. Schwer verwundet kam sie nun in die Gewalt der Engländer. Ein Franzose aber, der Bischof von Beauvais, Pierre Cauchon, leitete den Hexenproceß gegen sie und nach viermonatlichem Gefängniß wurde sie »wegen ihres Umganges mit höllischen Geistern und wegen Zauberei« zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurtheilt. Als sie zum Tode gehen sollte, verzagte das arme Weib und war so schwach, ihre Offenbarungen selbst für ein Werk der Hölle anzuerkennen. Sie wurde nun zu ewigem Gefängnisse verdammt, aber bald nachher doch als eine Rückfällige zu Rouen am 30. Mai 1431 verbrannt. Nun war sie heitern Muthes voll. Als sie zum [490] Scheiterhaufen ging, sagte sie zu ihrem Begleiter: »Herr, bei der Gnade Gottes, ich werde diesen Abend im Paradiese sein.« Bei langsamem Feuer wurde sie verbrannt, aber in den Flammen stehend betete sie ohne Unterlaß, und endlich verschied sie, indem sie den Namen Jesus aussprach. Nun mußte der Henkersknecht das Feuer zurückschüren, damit sich das Volk überzeuge, daß sie wirklich todt sei, und nachher wurde der Körper in verstärktem Feuer verbrannt. Eine fromme Sage erzählt, als I. verschieden sei, habe sich eine weiße Taube aus den Flammen erhoben und sei gen Himmel geflogen. Karl VII. ordnete nachmals einen Revisionsproceß an, in Folge dessen die Unschuld I.'s anerkannt wurde. Derselbe ließ zu ihrem Andenken zu Rouen eine große schöne Fontaine errichten, welche die Abbildung zeigt und welche das Wappen der Jungfrau und diese Inschrift trägt:


Vom jungfräulichen Schwert wird die Königskrone vertheidigt,

Unter der Jungfrau Schwert sicher die Lilien blühn.


Auch die Stadt Orleans errichtete ihr 1458 ein Denkmal auf der Loirebrücke, welches 1571 erneuert wurde. Aber auch dieses Denkmal wurde der Zeit zum Raube, und in Folge einer Nationalsubscription wurde ihr daher 1804 ein neues schönes Denkmal von Bronze auf dem Platze de Martroy zu Orleans errichtet. Jeanne d'Arc ist vielfach in Liedern gefeiert worden; die verdienteste Anerkennung hat Schiller's »Jungfrau von Orleans« gefunden, obgleich man dem Dichter den Vorwurf machen muß, daß er die Jungfrau nicht in der weiblichen Zartheit geschildert hat, welche ihr schönster Schmuck war. Ein schamloses, obschon witziges Machwerk ist Voltaire's »Pucelle d'Orleans«, eine Parodie auf zwölfmal zwölfhundert schlechte Verse, in denen Chapelain die Jungfrau besungen. hatte.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 490-491.
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