[431] Paulus, der berühmteste und verdienteste unter den Aposteln, hieß eigentlich Saulus, d.h. der Erbetene, weshalb man ihn als einen Spätgeborenen gedacht hat, und war zu Tarsus, der Hauptstadt Ciliciens, aus dem Stamme Benjamin, als röm. Bürger geboren. Von seinem Vater, der selbst Pharisäer war, zum jüdischen Gesetzlehrer (Rabbi) bestimmt, genoß er frühzeitig zu Jerusalem den Unterricht der berühmtesten Lehrer und scheint auch der höhern griech. Bildung nicht fremd gewesen zu sein. Nebenbei hatte er nach damaliger Sitte ein Handwerk, nämlich das eines Zeltmachers, gelernt und hierdurch wollte P. auch später lieber seinen Unterhalt verdienen, als von den Geschenken der Gemeinden leben. Von Natur feurig und dem väterlichen Gesetz mit Begeisterung anhängend, hatte das Christenthum durch sein stärkeres Hervortreten in der Hauptstadt nicht sobald des jungen Pharisäers Aufmerksamkeit auf sich gezogen, als er auch als heftiger Gegner desselben auftrat, die Verfolgung der Christen sich zum frommen Geschäft machte und sich sogar Vollmachten vom hohen Rath (Sanhedrin) zur Verfolgung der Christen außerhalb Jerusalem geben ließ. Allein auf einem Verfolgungszuge wider die Christen zu Damascus um das I. 36 erfolgte in der Apostelgesch. Cap. 9. und 22 erzählten Weise seine plötzliche Bekehrung und er veränderte jetzt den Namen Saulus in Paulus, wie die Juden nach wichtigen Ereignissen zur bleibenden Erinnerung an dieselben die Namen zu wechseln pflegten. Die nun beginnende apostolische Wirksamkeit des P. ist hauptsächlich auf die Bekehrung der Heiden gerichtet, wodurch er das Christenthum von jüdischen Vorurtheilen befreien half und dessen unabhängige Bestimmung zur Weltreligion entschied. Nachdem er für dasselbe drei Jahre in Arabien gewirkt und in nächtlicher Flucht den Nachstellungen der Juden zu Damaskus entgangen war, wurde er zu Jerusalem von Petrus und Jakobus als Apostel des Herrn und zwar der Heiden freudig gegrüßt. Hierauf zu Tarsus, dann zu Antiochien lehrend, wohin ihn Barnabas zu seinem Beistande gerufen, brachte er mit diesem zugleich von der dasigen Gemeinde im I. 44 bei drohender Hungersnoth den Brüdern zu Jerusalem Vorräthe und trat dann unter dessen Begleitung seine erste große Bekehrungsreise nach Cypern und einigen Provinzen Kleinasiens an. Von den Juden, an die er sich gewöhnlich zuerst wandte, meist vertrieben, oft gemishandelt, mehr begünstigt von den Judengenossen, versammelte er diese und gläubige Griechen, die ihm zu Lystra sogar göttliche Ehre erweisen wollten, zu selbständigen Gemeinden und kehrte darauf nach Antiochien zurück. Aber unterdeß hatte das von ihm den Heidenchristen freigegebene Gesetz, da er am Christenthum nichts Jüdisches dulden wollte, ungeachtet er selbst aus Nachsicht gegen die Schwachen in christlicher Freiheit bei den Griechen ein Grieche, für die Juden ein Jude bis zum Scheine der Zweideutigkeit war, den Anstoß judenchristlicher Eiferer erregt, die das Gesetz zugleich mit der Beschneidung zur Seligkeit für nothwendig erachteten. Zur Beilegung dieses Streites berieth er sich um das I. 50 mit den übrigen Aposteln zu Jerusalem und brachte auch sie allmälig auf die Überzeugung der vom Judenthume unabhängigen Bestimmung des Christenthums zur Weltreligion. Von Antiochien trat er hierauf seine zweite große Bekehrungsreise an, die ihn durch Syrien und Kleinasien und nach Griechenland führte. So gründete er Gemeinden zu Philippi, Amphipolis, Apollonia, Thessalonich und Beröa, verkündigte in Athen den unbekannten Gott und den Auferstandenen, verweilte anderthalb [431] Jahre zu Korinth und kehrte dann um das I. 55 nach Antiochien zurück. Noch in demselben Jahre unternahm er seine dritte große Bekehrungsreise vorzüglich in Kleinasien, verweilte am längsten zu Ephesus, das er erst gezwungen nach einem Aufenthalt von zwei Jahren und drei Monaten verließ, als ein Silberarbeiter, wegen des durch die neue Lehre seinem einträglichen Gewerbe im Verkauf von Götterbildern entstandenen Schadens, einen Volksaufstand gegen ihn erregt hatte. Noch einmal besuchte er jetzt die Gemeinden in Macedonien und Achaja, zog dann gegen Pfingsten 58 nach Jerusalem, wo er von wüthenden Gegnern, die zahlreich zum Feste gekommen waren und in ihm den Feind des väterlichen Gesetzes haßten, gewaltsam im Tempel angefallen wurde, sodaß ihn kaum die herbeieilende röm. Wache P. ihren mörderischen Händen zu entreißen vermochte. P. wurde jetzt zwei Jahre vom Landpfleger Felix gefangen gehalten und von dessen Nachfolger Festus, kraft einer von ihm als röm. Bürger an den Kaiser eingelegten Appellation, im Spätjahre 60 nach Rom gesandt, wo er, dem Schiffbruche bei Malta glücklich entgangen, im Frühjahre des folgenden Jahres ankam und in leichter Hast für das Christenthum ununterbrochen thätig, entweder in der Neronischen Verfolgung 64, oder einer unverbürgten kirchlichen Sage gemäß, vor derselben wieder freigelassen, nach großen Reisen bis an die Grenzen des Abendlandes in einer zweiten Gefangenschaft 67 enthauptet worden ist.
Unter allen Aposteln hat P. das Christenthum am vollkommensten aufgefaßt und am wirksamsten verbreitet, wie er auch alle an reichen Naturanlagen und an gelehrter Bildung übertraf. Der treue Spiegel seines Geistes sind 13 ihm beigelegte und für echt gehaltene Briefe im N. T., außer denen mehre verloren gegangen sind und die er bei verschiedenen Gelegenheiten, vier von ihnen, den Brief an die Epheser, Kolosser, zweiten Timotheus und Philemon aus Rom in der Gefangenschaft, durch fremde Hand, der er dictirte und oft eilig, an ganze Gemeinden und einzelne Personen schrieb. Von Gestalt soll P. unansehnlich gewesen sein, klein und kahlköpfig mit einer Adlernase, und 2. Korinth. 12,7. macht es wahrscheinlich, daß er einem epileptischen Leiden unterworfen war. Die katholische Kirche feiert den 25. Jan. als den Tag seiner Bekehrung und zum Andenken an seinen mit Petrus zugleich erlittenen Märtyrertod den 29. Jun. als Peterpaulstag.