Arabien

[104] Arabĭen, das durch seine natürliche Beschaffenheit, seine Bewohner und seine Geschichte merkwürdigste Land Asiens, welches den Europäern lange ein verschlossenes Wunderland blieb, bis ausgezeichnete Reisende, wie Niebuhr, Burckhardt u. A., genauere Kunde davon verbreiteten, ist eine große, von dem rothen Meere, dem indischen Ocean und dem pers. Meerbusen umschlossene Halbinsel, welche die Form eines unregelmäßigen Dreiecks hat und nördl. durch die Landenge Suez mit Afrika zusammenhängt. A.'s Flächengehalt wird auf 45,000–50,000 ! M. geschätzt, womit freilich seine Bevölkerung, höchstens 12 Mill, in keinem Verhältnisse steht. Beiweitem der größere Theil des Landes besteht aus einer sandigen Ebene, die von nackten Felsen durchschnitten wird und großen Mangel an Wasser und Waldungen leidet. Nur hier und da findet sich eine ärmliche Vegetation, welche durch den nächtlichen Thau genährt wird, und die Karavanen müssen oft mehre Tage lang wandern, ehe sie wieder eine Quelle antreffen. Fruchtbarer dagegen ist das Hochland, welches nach drei Seiten zur Küste abfällt und von Gebirgen, welche die Schneelinie nicht erreichen, durchzogen wird, und insbesondere derjenige Theil, welcher sich an der Küste des indischen Oceans erhebt. Hier grünen schattige Wälder und kleine Flüsse bewässern den Boden; prächtige Palmen streben Himmel an und wild wuchern üppige Weinreben. Hier liefern der Kaffeebaum, der Ölbaum, die Aloe, der Balsambaum und eine Menge Specereipflanzen reichliche Früchte, welche zum Theil der Gegenstand eines bedeutenden Handels sind. Auch das Zuckerrohr, Taback, Indigo, Manna und verschiedene Südfrüchte sind Erzeugnisse dieser fruchtbaren Gegenden. Die gewöhnlichen Nahrungsmittel der Einwohner sind eine Art Hirse, Durra genannt, Reis und vor Allem die Datteln, welche dem Araber die Kartoffeln ersetzen. Während der zwei oder drei Monate der Dattelernte, vom Jul. bis Sept., essen die ärmern Volksklassen fast nichts Anderes, und in dem übrigen Theile des Jahres bleiben die getrockneten Datteln, welche man auf die mannichfachste Weise zuzubereiten versteht, ihre Hauptnahrung. In den Gebirgen und Wüsten A.'s hausen Löwen, Schakals und Hyänen; häufig sind auch Gazellen, viele andere Arten Wild und Strauße. Unter den Hausthieren nimmt das Pferd die erste Stelle ein; sein kleiner und seiner Kopf, sein schlanker Leib, sein feuriges Auge, seine Kraft, seine Lebhaftigkeit und seine Ausdauer machen es zum ausgezeichnetsten seines Geschlechts. Mit Stolz sprechen deshalb auch die Araber von der Abstammung ihrer Pferde und behaupten, daß ihre fünf berühmtesten Pferdefamilien, die unter eignen Namen bekannt sind, von den fünf Lieblingspferden des Propheten abstammen; auch führen sie für alle ihre bessern Pferde sorgfältige Stammbäume. Die von den edelsten Stämmen werden unter den Arabern selbst mit mehr als 1000 Thalern bezahlt und nur insgeheim um ungeheure Summen nach Europa verkauft, wo sie, besonders in England und den fürstlichen Gestüten Deutschlands, zur Veredlung der einheimischen Racen dienen. Nach dem Pferde bildet das Kameel den vorzüglichsten Reichthum der herumwandernden Araber und ihr Wohlstand wird nach der Zahl ihrer Kameele geschätzt; auch nährt das Land zahlreiche Schaf- und Ziegenheerden. Unter dem Geflügel sind die Tauben in großer Menge vorhanden und selbst in der großen Moschee der heiligen Stadt Mekka geduldet, wo sie von den Wallfahrern mit vieler Sorgfalt gefüttert werden. Das Klima des Landes ist im Allgemeinen warm bis zur unerträglichen Hitze, im Hochlande dagegen ist Schnee und Eis nicht unbekannt; die Nächte aber sind kälter als man im Verhältniß zur Tageshitze erwarten sollte. Während der trocknen Zeit fällt manches Jahr sechs bis acht Monate kein [104] Regen und der Thau ist dann die einzige Erquickung des Bodens; die Regenzeit ist verschieden, im W. findet sie während unsers Sommers, im O. zur Zeit unsers Winters statt. Nur die nördl. Hälfte A.'s kennt den tödtlichen Samum.

Den jetzigen Bewohnern ist die Eintheilung ihres Landes in ein steiniges, wüstes und glückliches A, wie man sie bei den Geographen, vorzüglich des Alterthums, findet, unbekannt. Ihr Land ist in Provinzen getheilt, unter denen die vorzüglichsten Hedshas, Jemen und Nedsched sind. Hedshas oder das steinige A. erstreckt sich längs der ganzen Ostküste des rothen Meeres bis an die Grenze von Jemen. Die vorzüglichsten Städte darinnen sind: Mekka, Medina, die Hafenstädte Dschidda, Jamba und Taif Jemen oder das glückliche A., der fruchtbarste Theil ganz A.'s, begreift den ganzen südwestl. Theil der Halbinsel und wird wieder in das eigentliche Jemen und in Hadramaut eingetheilt; auch gehört dazu der Küstenstrich am rothen Meere, welcher Tehama heißt. Der Hauptreichthum dieser Provinz sind Pferde und Kaffee, die vorzüglichsten Orte aber: Sanaa, der Sitz des mächtigsten Fürsten der Gegend; Beit el Fakih; Mokka, eine schlechtgebaute Stadt mit 5000 Einw., der Hauptstapelplatz des Kaffees, mit einem, besonders für den Verkehr mit den Europäern wichtigen Hafen; Loheia nebst Hafen am rothen Meere; Aden an der südl. Küste, mit einem ehemals sehr besuchten, jetzt aber sehr versandeten Seehafen, und Damas im Innern, mit einer hohen Schule. Die Provinz Nedsched umfaßt das innere A, das wüste genannt; die weiten Wüsten aber, welche sich zwischen dem Euphrat, Syrien und den nördl. Grenzen von Nedsched ausdehnen, führen den Namen Barr-arad, d.h. Wüsten des Innern. Nedsched ist meist von herumziehenden Arabern bewohnt, auch der Hauptsitz der Wechabiten, einer mohammedan. Religionssecte und vorzüglich seiner herrlichen Weiden wegen berühmt. Durch sie hauptsächlich ist die Zucht der Kameele vervollkommnet worden, die hier zahlreicher sind als in einer andern arab. Provinz, weshalb auch die Araber dieses Land Om el Bel, d.h. Mutter der Kameele, nennen. Nicht minder ausgezeichnet ist die Pferdezucht. Oft aber ist diese Provinz dem Mangel ausgesetzt, der dann eintritt, wenn der Regen ausbleibt. Die bedeutendsten Orte derselben sind: Derayeh, die Hauptstadt der Wechabiten, in einem engen Thale, an den Abhängen der Berge gebaut; sie hatte früher 28 Moscheen und über 15,000 Einw., ward aber nach einer siebenmonatlichen Belagerung, 1818, von Ibrahim Pascha, dem Sohne des Vicekönigs von Ägypten, der die Wechabiten bekämpfte, fast ganz zerstört; Munsuhah, deren Mauern 1818 ebenfalls von den Ägyptern zerstört wurden; El Hassa, eine wohlbevölkerte, mit Mauern und Thürmen versehene Stadt, und Akyr, eine Hafenstadt am pers. Meerbusen.

Die Einwohner sind durchgehends Araber und nur in den Handels- und Wallfahrtsstädten haben sich Abkömmlinge anderer Nationen niedergelassen; so bestehen die Bewohner Mekkas, Medinas, Dschiddas und Iambos aus Abkömmlingen der Indier, Ägypter, Syrier, Berbern, Türken, Tataren, Kurden, Afghanen u.s.w., die auf ihren Wallfahrten oder Handelszügen in dem heiligen Lande der Muselmänner geblieben sind und arab. Sitte angenommen haben. Auch die abyssin. Sklaven und Sklavinnen sind seit den ältesten Zeiten hier sehr zahlreich. Die Araber sind entweder Beduinen oder wirkliche Nomaden, welche das ganze Jahr mit ihren Heerden herumziehen und in Lagern leben. oder Maédi, d.h. Halbnomaden, die nur während eines Theils des Jahres umherwandern, oder Hadesi, d.h. Stadt- und Dorfbewohner, die von der Landwirthschaft, den Gewerben und dem Handel leben. In den Städten herrscht viel oriental. Bildung, aber auch große Verdorbenheit der Sitten. Seit den frühesten Zeiten erscheinen die Araber als Männer mit offenem Sinne, heftigen Leidenschaften, lebendiger Phantasie, geneigt für große Unternehmungen und ausdauernd in der Ausführung des Unternommenen. Sie sind in zahlreiche Stämme getheilt, die bald freundlich, bald feindselig nebeneinander leben. Ihr Sinn aber für Freiheit, ihre Liebe zur Nationalunabhängigkeit und ihre hohen kriegerischen Tugenden haben von jeher ihre Unterdrückung unmöglich gemacht. Ihre frühere Geschichte beruht größtentheils auf Überlieferungen der Dichter; erst mit Mohammed beginnt für sie eine neue, große Zeit, nachdem er als Prophet und Gesetzgeber sich an die Spitze seines Volkes gestellt und der Gründer einer neuen Lehre geworden war, die den Sitten und Gebräuchen, den Ansichten und Leidenschaften der zur Sinnlichkeit geneigten Morgenländer mehr entsprach, als die christliche. Dieselbe mit Feuer und Schwert über den Erdboden zu verbreiten, fühlten sich die Araber berufen und sie haben in ihrer Begeisterung Großes geleistet; in Asien, in Afrika und selbst in Europa stifteten sie große Reiche; Spanien, Unteritalien und die Inseln des Mittelmeers unterlagen ihnen und Frankreich und Deutschland rettete nur der Heldenmuth Karl Martell's vor ihrem Schwerte. Wo sie sich aber niederließen und den friedlichen Beschäftigungen des Lebens hingaben, da verbreitete sich schnell höhere Gesittung. Europa verdankt ihnen viel; durch sie gewann es tiefere Kenntnisse in der Medicin, von ihnen erhielt es seine Zahlen, und die wichtigsten Erfindungen, z.B. die des Papiers, des Compasses und des Pulvers, sollen durch sie nach Europa gekommen sein; sie waren mit einem Worte ein Kunst und Wissenschaft liebendes und pflegendes Volk, das eine der reichsten Literaturen besaß. Diese ruhmvolle Zeit aber ist längst verschwunden; die Industrie ist unter ihnen jetzt sehr unbedeutend und selbst die gewöhnlichsten Handwerke werden schlecht betrieben, nur in den Seestädten noch ist der Handel blühend. Mehr dem Namen nach als in der Wirklichkeit hat der Großsultan die Oberherrschaft über A. In Hedshas herrscht der Vicekönig von Ägypten, in Nedsched das Haupt der Wechabiten und in Jemen einzelne Häuptlinge.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 104-105.
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