Niederländische Sprache u. Literatur

[340] Niederländische Sprache, Niederländische Literatur. Die niederl. Sprache ist ein Zweig der niederdeutschen und zerfällt in das Holländische und Flämische. Das erste ist in den nördl. Niederlanden zur Schriftsprache ausgebildet u. die Sprache der höheren u. mittleren, Geldern, Friesland u. Gröningen ausgenommen, auch der niederen Stände; es ist indessen nicht ganz rein deutsch, da sowohl der Einfluß der franz. Bildung und besonders die Einwanderung so vieler Hugenotten, sowie auch der starke Verkehr mit der Fremde ausländisches, namentlich franz. Element in dasselbe gebracht hat. Das Flämische ist (neben dem Wallonischen) Volkssprache in Belgien, Schriftsprache aber ist das Französische, sowie auch die höheren u. mittleren Klassen nur franz. sprechen; in neuester Zeit hat zwar einige Reaction zu Gunsten des Flämischen stattgefunden, die aber zu seiner Rettung zu spät kommt (s. Belgien). Die niederländ. Nationalliteratur beginnt erst mit der Unabhängigkeit der 7 Provinzen; was vor dieser Zeit geleistet wurde, gehört Deutschland an. Die geringe Verbreitung der Sprache hemmte übrigens eine großartige Entwicklung der Nationalliteratur, indem alle Schriftsteller, welche ein größeres Publikum haben wollten als das holländ. ist, sich der lat. Sprache, als einer verbreiteteren, bedienten. Der Ruhm der Niederländer gründet sich auch viel mehr auf ihre [340] Verdienste um die Fortbildung der Wissenschaften, als auf ihre eigentliche Nationalliteratur. Dieselbe beginnt in der Poesie zur Zeit des Unabhängigkeitskrieges mit Philipp von Marnix u. Coornhert; ihnen folgte Hooft, Corneliszoon, Konstant. Huyghens u. besonders Joost van den Vondel (gest. 1679), Lyriker, Satiriker und Dramatiker. In der leichten Erzählung zeichnete sich Cats aus; nennenswerth sind aus dieser älteren Periode noch de Decker, Broeckhuisen, Kamphuizen, Samuel Coster, Bredero, Weesterbaan, Heemskerk; als lat. Dichter sind Barläus, de Bosch und Franke zu erwähnen. Das 18. Jahrh. ist ziemlich unfruchtbar; nennenswerth sind etwa: Rotgans, Hoogvliet, Winter, Langendyk. In neuerer Zeit, wo besonders die engl. und deutsche Literatur einwirkten, glänzt vor allen Bilderdijk als lyrischer, didaktischer u. dramatischer Dichter, der ein europ. Publikum hätte, wenn die holländ. Sprache auf kein so beschränktes Gebiet angewiesen wäre. Als Lyriker besitzen einen Namen: Hendrik Tollens, Helmers, Kirker, Loots, Loosjes, Simons, Spandow, Lulofs, da Costa; als Romanenschreiber: van den Hage, Elisabeth Wolff u. Agatha Deken, Fräulein Toussaint, Schaik als Dorfnovellist. – In der Geschichtschreibung, die sich fast durchgängig auf die Niederlande beschränkt, erscheinen Hoost und Hugo Grotius, Barläus, Brandt, Leclerc, der breite, aber genaue Wagenaar etc. Um die Staatswissenschaften machten sich Althufen u. Hugo Grotius verdient, um die Staatswirthschaftslehre: Luzac, um die Rechtswissenschaft: Hugo Grotius; dagegen steht in der Philosophie der Jude B. Spinoza, der Gründer eines pantheistischen Systems, einsam da. Der weitausgedehnte Seehandel der Niederländer mußte der Geographie sehr förderlich sein; bedeutende Reisebeschreibungen sind die von Niewhof über China, Baldäus über Ceylon, Kämpfer (geborner Deutscher) über Japan. Ein Hauptverdienst erwarben sich die Holländer um die Mathematik u. Physik; es genügt, Namen zu nennen wie van Ceulen, Snell, Huyghens, Drebbel; die Optik: die Hydraulik u. Hydrostatik fanden ihre theoretische und praktische Ausbildung vorzugsweise in Holland. Ebenso verhält es sich mit der Anatomie und Physiologie, die von Swammerdam, Leuwenhoek, Ruysch, Albinus und Camper bereichert wurde, während Boerhave als Arzt u. Lehrer Epoche machte. Ebenso anerkannt sind die Verdienste der Niederländer um die classische Philologie und unvergeßlich die Namen: Lipsius, Scaliger, Hugo Grotius, Gronov, Grävius, Daniel und Nikolaus Heinsius, Spanheim, Drakenborch, Perizonius, Oudendorp, Ducker, Wesseling, Valkenaer, die beiden Burmann, Hemsterhuys, Ruhnken. Wyttenbach, durch welche die Universitäten Leyden u. Löwen den Verehrern der classischen Bildung gleichsam zu heiligen Orten wurden. (Vgl. »Geschichte der Literatur und Wissenschaften in den Niederlanden« von Kampen, 3 Bde., Haag 1821–26.)

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 340-341.
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