Streichgarnspinnerei

[368] Streichgarnspinnerei [1]. Die Herstellung des Streichgarnes, d.h. des Gespinstes aus Streichwolle (worunter man diejenige Schafwolle zu verstehen hätte, bei deren Verspinnen zum Ordnen der Fasern ausschließlich »Streichen« oder Krempeln benutzt wird), erfordert einige Vorbereitungsarbeiten, welche wesentlich in dem Waschen der Wolle (Fabrikwäsche), dem Färben (falls dieses schon in der Wolle geschehen soll), der Ausscheidung etwa anhängender Kletten, dem Auflockern durch den sogenannten Wolf und dem Einfetten bestehen; die unmittelbare Vorbereitung zum Spinnen wird aber durch das Krempeln, Kratzen oder Streichen gleich dergestalt bewirkt, daß die letzte Krempel auch das Vorgarn bildet, woran sich unmittelbar das Feinspinnen reiht. – Die Streichgarnspinnerei hat in neuerer Zeit für fast alle Faserstoffe Anwendung gefunden, so für alle Schafwollsorten, für Baumwolle, Tierhaare verschiedenster Art, für Abfälle der Kammgarn-, Baumwoll-, Hanf-, Flachs- und Seidenspinnerei, für durch Auflösen von Lumpen und Fäden wiedergewonnener Kunstwolle (nicht allein Schafwolle), für Asbest. u.s.w.

Vorbereitung. Der Unterschied des Streichgarnspinnverfahrens gegenüber den unter sich ziemlich gleichartigen Spinnverfahren der Kammgarn- und Baumwollspinnerei besteht darin, daß die besonderen Maschinengattungen für Strecken und Doppeln und für Vorspinnen in Wegfall kommen.

Waschen der Wolle. Das Befreien der Wolle von dem sogenannten Wollschweiß durch das Waschen der Wolle, welches in die zwei Verrichtungen des Entschweißens (désuintage, scouring) und des eigentlichen Waschens zerfällt, wird in neuerer Zeit vielfach von besonderen Wollwäschereien ausgeführt. Als Waschmittel werden schwache Pottasche- oder (Ammoniak-) Sodalösungen bezw. fauliger Urin verwendet; flüchtige Lösungsmittel wohl nur dann, wenn es sich um Gewinnung des Lanolins handelt (vgl. Fettschweiß). – Zur mechanischen Entfernung des Wassers ist das Ausschleudern in der Schleudermaschine (Zentrifuge) beliebt, an welches sich das Trocknen mittels erwärmter Luft in besonderen Räumen oder Wolltrockenmaschinen schließt [2].[368]

Zur Entfernung der namentlich den Kolonialwollen (aus Südamerika, Australien und dem Kap) bedeutend anhängenden Kletten und andrer pflanzlicher Bestandteile aus der Wolle sind zwei Verfahren, das mechanische und das chemische, das sogenannte Karbonisieren (s.d.), im Gebrauch. Bei der mechanischen Entklettung sind zwei Richtungen zu unterscheiden: entweder wird die Klette von den Wollfasern getrennt und ausgeschieden oder die Klette wird mechanisch zerstört (zerstückelt, zerdrückt), so daß die Zerstörungsteile bei der nachfolgenden Bearbeitung der Wolle sich leicht abscheiden und in den Abfall gelangen. Ein Beispiel einer Entklettungsmaschine nach der ersteren Richtung ist der Klettenwolf [3], dessen wesentlichster Teil aus einer mit feinzahnigen, tangential gestellten Stahlschienen besetzten Walze (Klettenwalze) besteht, auf deren Umfang die mit Kletten verunreinigte Wolle so aufgebürstet wird, daß eine schnell umlaufende Messerwalze alle in der Wolle enthaltenen Kletten abzuschlagen imstande ist, worauf eine Bürstwalze (Volant) die gereinigte Wolle wieder von dem Umfange der Messerwalze ablöst. – Auch wenn die Wolle nicht so stark mit Kletten behaftet ist, daß sie durch besondere Behandlung davon befreit wird, muß die gewaschene bezw. gewaschene und gefärbte Wolle zunächst aufgelockert und die noch vorhandenen weiteren mechanisch anhängenden Uneinigkeiten daraus entfernt werden. Hierzu dient eine Maschine, welche den Namen Wolf [4] (auch Teufel, willow, plucker) führt, wonach die Arbeit selbst das Wolfen oder Maschinieren heißt.

Durch das Wolfen wird auch gebotenenfalls das Mischen (Melieren) von Wolle mit Shoddy oder Mungo (Kunstwolle) oder verschiedenfarbiger Wollen besorgt. Die Maschinen führen je nach der damit verrichteten Arbeit verschiedene Bezeichnungen; der Schlag- oder Klopfwolf dient zur leichten Lockerung und zum Entstäuben (besonders nach dem Färben), der Reißwolf zur Auflösung der Flocken. Der Oel- oder Schmelzwolf besorgt das Schmelzen und die gleichmäßige Verteilung des Oeles. Der Klettenwolf ist schon weiter oben beschrieben worden. Der Hauptbestandteil des Reißwolfes ist eine wagerechte hölzerne Trommel (750–1000 mm Durchmesser, 0,5–1,5 m lang), welche an dem Umfange mit Reihen pfriemenförmiger, stählerner Spitzen oder Zähne (35–50 mm lang) besetzt ist. Ueber der Trommel ist der Raum durch eine Haube, unter der Trommel durch ein Sieb abgeschlossen. Auf der einen Seite befindet sich die Speisevorrichtung, bestehend aus dem Zuführtuch (Vorlegtuch) und den Speisewalzen, welche die Wolle den Zähnen darbieten. Die geöffnete oder gewolfte Wolle wird durch die auf der entgegengesetzten Seite liegende Auswurföffnung herausgeworfen. Statt der Walzenzuführung wird gebotenenfalls auch Muldenzuführung (vgl. Baumwollspinnerei, Bd. 1, S. 600) benutzt. – Die Bearbeitung der Wolle im Wolfe muß in vielen Fällen zwei- oder mehrmals vorgenommen werden, damit der erforderliche Grad von Lockerheit und Reinheit erreicht wird. Um das zu umgehen, wird wohl der Spiral- oder der Flügelwolf angewendet, welcher auf seiner Achse die Klopfstäbe schraubenförmig oder die Zähne auf dem Mantel von schraubenförmigen Flügeln angeordnet, enthält. Die Leistung des Reißwolfes als Oeffnungsmaschine ist verhältnismäßig gering, da die große Trommel nur eine Arbeitsstelle besitzt. Als bessere Mischung ergebende und das Spinngut mehr schonende Vorbereitungsmaschine hat sich in den letzten Jahren der sogenannte Krempelwolf [5] eingebürgert, bei welchem nach Art der Krempel über der Zahntrommel noch mehrere mit Zähnen besetzte Walzenpaare angeordnet sind, an welchen die von der Zahntrommel mitgeführte Wolle zu einer wiederholten Zerteilung gelangt (vgl. Fig. 1 nach einer Ausführung von O. Schimmel & Co. in Chemnitz). Die Wendewalzen W sind hier in der Bewegungsrichtung der Trommel hinter die Arbeitswalzen T verlegt worden, und zum Herausstreichen der aufgelösten Wollflocken von den Zähnen der Haupttrommel und zum Auswerfen der Wolle ist eine Läuferwalze A angeordnet. Diese Maschine eignet sich auch als Auflösungsmaschine in der Kammgarnspinnerei. Bei der Bearbeitung verschieden langer und verschieden gefärbter Wollen können sich die verschieden schweren Wollflocken leicht wieder sortieren. Um das zu vermeiden, ist die Siebtrommel S mit dem Lattentuche L angebracht. Zur Mischung des Fasermaterials zwischen Reiß- und Krempelwolf hat man besonders konstruierte Sammel- und Mischbehälter angeordnet [6].

Die Wolle unterliegt bei der nachfolgenden Verarbeitung auf der Krempel einer Behandlung, welche wegen der schuppigen Oberfläche der Wolle eine vielfach zu starke Inanspruchnahme der Wollhaare herbeiführen würde. Um der Wolle hierfür größere Geschmeidigkeit und Schlüpfrigkeit zu geben, wendet man das Einfetten (Fetten, Einschmalzen, Schmelzen, Oelen, Schmieren, Spicken) mit öligen Mitteln an [7]. Hierzu eignet sich am bellen dünnflüssiges, leicht in seinem Regen zerteilbares Oel, welches nicht oder nur langsam eintrocknet, keine harzigen oder andre, die Wolle und die Krempelbeschläge verschmierenden Beimengungen, keine Haar und Farbe angreifenden Säuren und Alkalien enthält und sich in der Walke leicht verseift (Olivenöl, Oelsäure [meist Olein oder Elain genannt], Wallseite oder Extraktöle [aus den Walkwässern wiedergewonnen], Mineralöle [Bakusine]). Die Schmelzmittel werden zwecks leichterer Verteilung mit der zwei- bis dreifachen Menge Wasser unter entsprechendem Zusatz von Seife oder Soda, besser Ammoniak, in Emulsionen übergeführt. Das Schmelzen[369] geschieht entweder durch Handarbeit oder auf den Oelwölfen. Fig. 2 läßt die Einrichtung eines Oelwolfes nach einer Ausführung der Sächsischen Maschinenfabrik in Chemnitz erkennen. Die Schmelzflüssigkeit wird als seiner Regen auf die auf dem Speisetuch ausgebreitete Wolle gesprengt, indem eine Bürstwalze sie einer schrägliegenden Tropfplatte entnimmt. Zum Zerstäuben werden auch Brausen und Dampfstrahlbläser (Injekteure) verwendet [8].

Das Krempeln (Streichen, Kratzen, Kardieren, Kardätschen), welches nun folgt, stimmt zwar hinsichtlich seines Zweckes und der Art, wie es verrichtet wird, wesentlich mit dem Krempeln der Baumwolle (s. Baumwollspinnerei, Bd. 1, S. 600) überein, doch spielt das Krempeln bei der Verarbeitung der Streichwolle eine weit wichtigere Rolle als bei der Verarbeitung der Baumwolle, Hede, Jute und der Kammwolle. In der Streichgarnspinnerei findet ein Strecken und Doppeln in dem Sinne wie bei den andern Spinnverfahren auf besonderen dazu ausgebildeten Maschinen nicht statt und ein eigentliches Vorspinnen nur selten, und durch das Krempeln allein muß die nötige Gleichförmigkeit des der Feinspinnmaschine vorzulegenden Garnes erreicht werden. Man kratzt deshalb die Wolle mehreremal nacheinander, meist auf einem Satze von drei, zuweilen auch von zwei oder vier Maschinen. – Daß aber auch das wiederholte Doppeln und Verstrecken in der Streichgarnspinnerei tatsächlich besteht, hat sehr klar Rohn in [9] nachgewiesen. Da bei der Streichgarnspinnerei die Grundlage die von der ersten Krempel gelieferte Faserschicht, der Flor, bildet, so findet die Dopplung mit dem Flor statt, und zwar durch die verschiedenen Apparate zur Uebertragung des Spinnmaterials von einer Krempel zur andern. Die Verstreckung des gedoppelten Flores besorgt dann wieder die Krempel. Die Feinheit des Vorgespinstes wird schließlich durch die Zahl der Teilungen des Endflores, des Flores der Vorspinnkrempel, in Verbindung mit seiner Dicke oder Dichte bestimmt. Zur Erläuterung des Krempelverfahrens ist in Fig. 35 nach Ausführungen der Sächsischen Maschinenfabrik in Chemnitz ein Krempelsatz (Assortiment, Sortiment) abgebildet, bei welchem das verbreitetste und einfachste Uebertragsverfahren, das Pelzübertragsverfahren, benutzt wird. Es folgen der Reihe nach aufeinander die Vor- oder Reißkrempel (Fig. 3), die Mittel-, Pelz- oder Vlieskrempel (Fig. 4) und die Fein- oder Vorspinnkrempel (Fig. 5). – Die von den Vorbereitungsmaschinen (Wölfen) kommende Wolle wird in möglichst gleichmäßiger Schicht der mit Kratzenbeschlag versehenen Haupttrommel oder dem Tambour t zugeführt. Die Zuführung geschieht unter Zuhilfenahme eines Speiselattentuches noch vielfach von Hand durch Arbeiterinnen (Droussiererinnen). – Das Bestreben, die Zuführung unabhängig von der Aufmerksamkeit[370] der Arbeiterin zu machen und die tunlichste Gleichmäßigkeit schon bei der ersten Krempel zu erzielen, hat zu der Ausbildung von selbsttätigen Speisevorrichtungen [10] (Selbstausleger, Droussierapparat) geführt, welche entweder eine Schicht von bestimmter, sich gleichbleibender Höhe und Dichte bilden oder ein bestimmtes Wollgewicht über eine bestimmte Fläche verteilen. Zur ersten Gruppe gehören die Selbstausleger von Bolette, Clissold, Geßner, Lemaire, Martin, Sampson, Hogg u.a. Die wirkenden Teile dieser Speisevorrichtungen sind mit Häkchen besetzte Walzen (vgl. Fig. 3, Walze z) oder ebenso ausgerüstete endlose Bänder, welche die Wolle einem Vorratskasten entnehmen (vgl. Fig. 2); andre Werkzeuge bilden die gleichmäßige Schicht und führen sie den Vorwalzen oder auch einer Vorkrempel (Avant-train) des Tambours t zu. – Zur zweiten Gruppe, bei der die Maschine eine bestimmte Wollmenge selbsttätig abwiegt und auf eine bestimmte Fläche des Zufuhrlattentuches ausbreitet, gehören die Aufleger von Bramwell, King, Tatham, Schwalbe u.a. Eine besondere Anordnung der Vorkrempel (von Schwalbe), bei der nicht das ganze Spinngut durch die Vorkrempel geht, ist in [11] beschrieben. – Das von den Vorwalzen (Vorreißern, Briseuren) der Haupttrommel t zugeführte Material wird unter Zuhilfenahme von den gleichfalls mit Kratzenbeschlag versehenen Arbeiter- und Wendewalzen a und w vergleichmäßigt (vgl. Baumwollspinnerei, Bd. 1, S. 602, und [12]). Die rasch umlaufende Läuferwalze oder Volant v hebt die Haare an die Oberfläche des Tambourbeschlages, so daß ein Flor auf die Abnehmwalze (Peigneur, Doffer) p übertragen wird. Um hier die Leistung zu erhöhen, wendet man in neuerer Zeit zwei Peigneure (p1 p2) hintereinander an (Patent Geßner [13]), wie es in den Fig. 35 dargestellt ist. Aus dem Peigneur wird der Flor durch den Hacker oder Kamm h abgelöst und auf die Abzugsleder geleitet, welche es der betreffenden Abzugsvorrichtung zuführen. Diese Abzugsvorrichtung besteht bei der in Fig. 3 dargestellten Ausführungsform in einer Pelz- oder Vliestrommel y, welche durch Aufeinanderwickeln der einzelnen Florschichten einen Pelz oder ein Vlies bildet. Hat das Vlies die gewünschte bestimmte Dicke erreicht, so wird das Vlies einer Mantellinie der Trommel nach durchrissen und abgenommen. – Um ohne Zuwiegen der Vorlage und ohne Rücksicht auf Verluste während des Krempeins Pelze von gleichem Gewichte zu erhalten, hat man die Pelztrommel mit einer Wägeeinrichtung [14] versehen, welche die Trommel ausrückt und ein Zeichen zur Abnahme gibt, sobald das gewünschte Gewicht aufgelaufen ist; oder man hat die Pelztrommel mit einer Vorrichtung zum selbsttätigen Durchreißen der fertigen Watte (Pelzreißer, Matelasbrecher [15]) ausgerüstet, welche in Tätigkeit tritt, wenn eine bestimmte Länge des Flores, also eine bestimmte Anzahl Lagen aufgewickelt sind, oder ein bestimmtes Gewicht erreicht ist. Eine mit einer derartigen Vorrichtung versehene Pelztrommel y ist in Fig. 3 dargestellt, die beiden beweglichen Klappen haben eben den Pelz durchrissen und übergeben ihn den Abzugswalzen r. – Bezüglich des Durcharbeitens auf der ersten Krempel ist folgendes zu beachten: Durch das Doppeln des Flors auf der Pelztrommel wird zwar eine Vergleichmäßigung in seiner Länge, nicht aber in der Breite erreicht. Die Wollflocken werden in der Krempel zwar nach der Arbeitsrichtung ausgezogen, nicht aber senkrecht dazu. Würde der Pelz der Reißkrempel also nach seiner Länge (seiner Arbeitsrichtung) in die Arbeitsrichtung der zweiten Krempel gelegt, so würden alle Ungleichheiten in der Breite des ersten Flores auch im zweiten Flor, auch wenn durch das Doppeln etwas vermindert, wieder erscheinen. Um das zu vermeiden und eine Vergleichmäßigung des Flores nach Länge und Breite zu erreichen, muß der Pelz der Reißkrempel quer um 90° gedreht auf den Zuführtisch der Pelzkrempel (Fig. 4) aufgelegt werden, so daß seine Trennungsränder an den Seitenleisten des Zufuhrtisches Z anliegen (es wird mit Kreuzung gearbeitet). – Diese Quereinführung der Fasern in die Krempel wirkt zwar stets auf ein Zerreißen der Fasern hin und das Garn wird rauh [16], und doch kann man bei der Uebertragung der Wolle in Form eines auf die beschriebene Art hergestellten Pelzes diese Kreuzung nicht entbehren, da man nur mit ihr den Flor in der Breite in erforderlicher Weise ausgleichen kann. Der von der zweiten Krempel, die im übrigen so arbeitet wie die erste, gleichmäßiger als von der ersten erhaltene Flor wird nun wieder gedoppelt, indem er gleichfalls in übereinander liegenden Schichten gewickelt wird. Hierzu kann entweder auch eine Pelztrommel benutzt werden oder, wie es in Fig. 4 dargestellt ist, ein Pelzapparat y [17], der zur Vermeidung sich häufig wiederholender Stoßstellen lange Pelze auf Tüchern erzeugt (Einrichtung für kurze Fasern vgl. [18]), welche als Watte abgewickelt werden. – Diese Wickel werden nun der dritten Krempel, der Vorspinnkrempel (Fig. 5), der Länge nach vorgelegt. Hierbei gebraucht man zur weiteren Ausgleichung der Dopplung bei der Vorlage den Kunstgriff, daß man den einen Wickel verkehrt ablaufen läßt; es findet dann eine Ausgleichung der Breite nach statt, indem die rechte Seite des einen Wickels auf die linke des andern kommt; vgl. die Speisung auf dem rechten Teil der Fig. 5. Der auf der dritten Krempel gewonnene Flor wird durch den Florteiler (Vliesteiler) f in einzelne Streifen[371] zertrennt, welche, durch die Nitschelzeuge n (Würgelwerk, Rotafrotteur) verdichtet und zusammengerundet, das Vorgarn geben, von dem je eine Anzahl Fäden zusammen nebeneinander auf Spulen gewickelt wird, um dann auf die Feinspinnmaschine zu gelangen. – Der Dreikrempelsatz mit der beschriebenen Wollübertragung (Kreuzung und einmal Pelzdopplung) muß als eine gute Einrichtung zur Gewinnung eines gleichmäßigen Vorgespinstes bezeichnet werden; deren Vorzüge bestehen in der großen Vergleichmäßigung des Flores, in der erst an der zweiten Krempel vorzunehmenden Gewichtsverteilung und in dem Umstande, daß jede Krempel getrennt für sich arbeitet. Diesen Vorzügen kann man als Nachteile gegenübersetzen: Die Kreuzung durch die Queranlage der Fasern bei der Pelzkrempel und die etwas umständliche Bedienung des Krempelsatzes durch das Hantieren mit Pelzstücken. Trotz dieser Nachteile hat sich aber das Pelzübertragungsverfahren mit Kreuzung beim Dreikrempelsatz bis in die neueste Zeit erhalten und wird von allen andern Uebertragungsverfahren auch bei den neuen Maschinen noch am meisten verlangt. – Der Dreikrempelsatz mit dem Pelzübertragungsverfahren ist auch kennzeichnend für die deutsche und kontinentale Streichgarnspinnerei gegenüber der englischen; denn letztere legt auf die Flordopplung keinen Wert und sucht nur durch Vereinigung der drei Krempeln in zwei Krempeln mit einmaliger Uebertragung ohne große Dopplung und Ausbildung der Krempeln mit zwei und mehr Haupttrommeln (Doppelkrempeln) mit kleineren Vortrommeln einen gleichmäßigen Flor zu erreichen. Der Schwerpunkt des Krempelprozesses wird in England allein auf die Arbeit in der Krempel gelegt, während die deutsche Spinnerei unter Beibehaltung einfacher Krempeln den Schwerpunkt gewissermaßen in dem Uebertragungsverfahren in der Flordopplung sucht. Diese Uebertragungsverfahren sind daher in neuerer Zeit besonders durchgebildet worden. Eine sehr gute Zusammenstellung, kritisch scharf beleuchtet, findet sich in [9]. Die Wolle wird entweder als Pelz (Vlies oder Watte) oder als Band übertragen, wobei wiederum die Faserlage längs, quer oder diagonal sein kann, Für die Beurteilung einer Uebertragungseinrichtung muß in erster Linie die Eigenschaft einer ausreichenden Vergleichmäßigung (Dopplung) in Betracht gezogen werden.

Die Lockenkrempel, auf welcher früher das Vorgespinst in Gestalt von aneinander zu stückelnden Locken hergestellt wurde, war im wesentlichen wie die Pelzkrempel konstruiert, nur zeigte der Peigneur streifenweisen Belag durch einzelne den Mantellinien nach aufgezogene Kratzenblätter. Die Lockenkrempel findet nur noch vereinzelt bei Angora- und ähnlichen Wollen, welche infolge ihrer Glätte der Nitschelung (Würgeln) auf der Vorspinnkrempel Widerstand leisten, sowie noch bei sehr grobem Spinngute Verwendung.

Bei den Vorspinnkrempeln, die heutzutage fast ausnahmslos Anwendung finden, ist der Peigneur vollständig mit Beschlag versehen, und es wird der Flor in zusammenhängender Breite durch den Hacker abgelöst, worauf er durch eine Reihe von kreisrunden umlaufenden Scheiben oder durch eine Reihe von Kreisscheren oder Bandscheren in Streifen geteilt wird (Continue). Ueber die Entwicklungsgeschichte der Florteiler vgl. [19]. Aus der überaus großen Anzahl dieser Florteiler seien nur folgende besonders kennzeichnende hervorgehoben, und zwar ein Stahlband- oder Federflorteiler, ein Riemchenflorteiler mit einem Riemen für jeden Vorgarnfaden und ein solcher mit nur einem Riemen für alle Vorgarnfäden. Das Verfahren ist bei allen drei im wesentlichen dasselbe: Der von der Kammwalze (Peigneur) kommende Flor wird zwischen zwei Walzen (Teilwalzen) geleitet und durch S-förmig gekrümmte, auf der Berührungslinie der Teilwalze sich scherenartig kreuzende parallelkantige Streifen derart geteilt, daß die entgehenden Florstreifen abwechselnd nach oben und unten gewiesen werden. In den Würgel-(Frottier- oder Nuschel-) Werken werden die Florstreifen dann zu rundlichen Vorgarnfäden zusammengewürgelt und endlich auf die Vorgarnspulen aufgewickelt. Benutzt man als teilende Streifen einen Rost aus feststehenden Stahlbändern (Klingen, Federn), so setzen sich an der Kreuzungsstelle Wollfasern, Oel und Schmutz an, welche die Vorgarnfäden zeitweise verunreinigen. Dieser Fehler wird dadurch vermieden, daß man den Stahlklingen eine langsam hin und her gehende Längsbewegung erteilt. Fig. 6 zeigt die Bauart dieses Florteilers (Bolette) [20]. Der von der Abnehmerwalze a kommende Flor c wird durch die Stahlklingen k l geteilt. Der eine Teil der Bändchen wird durch l gezwungen, nach oben zwischen die Nitschelhosen g' w w' zu[372] gehen, während die andre Hälfte durch k an die untere Hofe h' angelegt und dann zwischen h' w w' gewürgelt wird, o sind die gewürgelten Vorgarnfäden, welche auf die Vorgarnspulen q unter Zuhilfenahme der Wickelwalzen p aufgewickelt werden. Die Nitschelung der Vorgarnfäden wird dadurch erzielt, daß beide Höfen des Nitschelwerkes w w' in der Richtung ihrer Walzenachsen Hin- und Hergang erhalten. Der Stahlbandflorteiler, bei welchem eine Verschiebung des Florstreifens gegenüber den Stahlklingen eintritt, eignet sich mehr für kurze Wollen und Kunstwollen, während der Riemchenflorteiler sich in richtiger Ausführung für alle Wollen eignet. Die benutzten Riemchenzüge sind außerordentlich mannigfaltig. Fig. 7 veranschaulicht den von Martin in Verviers angegebenen Riemchenzug [21]. Der von der Kammwalze P durch den Hacker H abgekämmte Flor wird durch die Walze F zwischen die Teilwalzen T geleitet. Die an den Teilwalzen T anliegenden Riemchen R gehen senkrecht zu den Leitwalzen L, geben auf dem Wege zu den zweiten Leitwalzen M die Florbändchen an die Nitschelzeuge N N1 ab und sind in dem Rückgange zu den Teilwalzen zwischen den Walzen M und den in der angegebenen Pfeilrichtung zu verteilenden Spannwalzen S halb geschränkt, so daß die Mitte der Schränkung gerade in den senkrechten Lauf des andern kreuzenden Riemchens fällt und so die zurückgehenden Riemchen die frei auf dem Riemchen liegenden Florbändchen nicht mitnehmen können. Hier sind also so viel Riemchen vorhanden, als Florbänder erzeugt werden sollen (40–120). Die Zahl der Riemen läßt sich vermindern und sogar auf einen einzigen zurückführen [22]. Auch die Würgelwerke haben mannigfache Durchbildung erlitten bezüglich ihrer Anordnung und bezüglich der Stoffe und Oberflächenbeschaffenheit ihrer Würgelvorrichtungen; ebenso sind verschiedene Verbesserungen an den Aufwickelvorrichtungen des Vorgarnes zu verzeichnen [23]. Die Erzielung mehrfarbiger Gespinste kann auch auf der Vorspinnkrempel erfolgen. Entweder kann die Zuführung der zugemischten Wollen stetig (melierte, plattierte Garne) oder absetzend erfolgen (geflammte Garne) [24]. Sogenannte Blasengarne lassen sich auch dadurch erzeugen, daß der Abstand von Tambour und Peigneur in bestimmten Zwischenräumen selbsttätig geändert wird [25]. Eine Verfeinerung des von dem Florteiler gelieferten Vorgarnes unter Erteilung von bleibendem Draht vor dem Feinspinnen findet nur selten statt, und dienen dazu Maschinen, welche den zum Feinspinnen benutzten gleichen.

Feinspinnen [26]. Das grobe, wenig oder gar nicht gedrehte und daher sehr lockere Vorgespinst wird auf der Feinspinnmaschine durch abermaliges Ausziehen und stärkeres Drehen (Drahtgeben) in Garn verwandelt; es erfolgt dies hauptsächlich auf der sogenannten Mulemaschine (Zylinderjenny und Streichgarnselbstspinner), und in den letzten Jahrzehnten hat man auch gelernt, die Abarten der Watermaschine (Ringspinnmaschine u.s.w.) zum Spinnen von Streichgarn zu verwenden. Die Zylinderjenny und der Selbstspinner (Selfaktor) für Streichgarn unterscheiden sich von den in der Baumwollspinnerei verwendeten (vgl. Baumwollspinnerei, Bd. 1, S. 614) durch: 1. Fehlen des Streckwerkes (das durch Lieferwalzen ersetzt ist); 2. veränderliche Geschwindigkeit des Wagens während der Ausfahrt (statt der gleichmäßigen); 3. veränderliche Geschwindigkeit der Spindeln während der Drahtgebung. Das Spinnen vollzieht sich bei der Streichgarnjenny und dem Selbstspinner folgendermaßen:

1. Abschnitt eines Wagenspieles. Die Lieferwalzen (Abtreibtrommeln a, Zylinder b, Fig. 8) liefern Vorgarn, während der Wagen w um ein Viertel bis drei Viertel seines 1,64 bis 1,85 bis 2,1 m betragenden Weges herausfährt (z.B. Strecke 1–2 in Figur) Die Wagengeschwindigkeit ist hierbei gleichförmig und nur wenig größer als die Geschwindigkeit der Lieferwalzen, damit das Garn nicht schlaff wird. Die Spindeln laufen (bei den Selbstspinnern) mit nur 1350–1500 minutlichen Umdrehungen (erste Spindelgeschwindigkeit).

2. Abschnitt. Die Lieferwalzen stehen still (Zylinderausschluß); der Wagen durchläuft den Rest seines Weges während der Ausfahrt (Strecke 2–3 der Figur) mit abnehmender Geschwindigkeit und verzieht das Garn auf die erforderliche Feinheit (Wagenverzug); die Spindeln laufen mit etwa 3000–3500 minutlichen Umdrehungen nach gleicher Richtung. Bei dem Verspinnen der Streichwolle läßt sich der Verzug durch ein Streckwerk, wie es bei Baumwolle und Kammwolle angewendet wird, also durch mehrere Streckwalzenpaare hintereinander, nicht ausführen, da jede Länge des Vorgarnes, gleichviel ob dicker oder dünner, um gleichviel verzogen würde; man erhält damit ein unschönes spitzes und nicht volles Garn, weil das Vorgarn ungleichmäßig stark ist. Bei dem Verspinnen von Krempelvorgarn (Continuevorgarn), welches durch Teilen eines Flores in Längsstreifen entstanden ist, muß das Strecken bei gleichzeitiger Drahtgebung erfolgen, wodurch Ungleichheiten beseitigt oder wenigstens stark gemildert werden; deshalb geschieht das Strecken allein durch Wagenverzug. Damit hierbei die Haare aneinander gleiten, darf der Faden während der Vorgarnlieferung nur schwachen Draht erhalten; die Spindeln laufen mit geringer, der ersten Geschwindigkeit. Während des Wagenauszuges ist dagegen ein schärferes Zusammendrehen erforderlich, sollen die Fäden nicht reißen; anderseits darf aber auch der gegebene Draht das Verziehen nicht unmöglich machen; die Spindeln erhalten die zweite Geschwindigkeit. Da nun die Verzugsfähigkeit mit zunehmendem Drahte abnimmt, läßt man den Wagen mit abnehmender Geschwindigkeit ausfahren, was durch Abnahme des Halbmessers der Wagenauszugsschnecke erreicht wird. In diesem Abschnitte des Wagenspieles erhält der Faden höhere Gleichmäßigkeit dadurch, daß der Draht sich zunächst auf die schwächeren Stellen, die dem Zusammendrehen weniger Widerstand leisten, stürzt (Fig. 9) und deren[373] weiteres Verziehen so lange hindert, bis die benachbarten dickeren (dehnbareren) Stellen auf gleiche Feinheit gelangt sind. Außerdem befindet sich der Faden bei der Drahtgebung in lebhafter Erzitterung, hervorgerufen durch das Abspringen von der Spindelspitze bei jeder Umdrehung. Auch dadurch wird das Vergleichmäßigen begünstigt, denn jeder Ruck wirkt verziehend auf die dickeren, dehnbareren Stellen.

3. Abschnitt. Der Wagen steht, außen angekommen, still, die Spindeln laufen mit der zweiten Geschwindigkeit weiter oder erhalten 4500–6000 Umdrehungen (dritte Spindelgeschwindigkeit) und geben dem Faden den Nachdraht. Erhält das Garn scharfe Drehung, muß der Wagen am Ende dieses Spielabschnittes eine der Fadenverkürzung entsprechend kleine Strecke – bis 60 mm – einfahren (Wagenrückgang), um das Reißen der Fäden zu vermeiden.

4. Abschnitt. Rückdrehung der Spindeln und Abschlagen.

5. Abschnitt. Wageneinfahrt und Aufwinden der gesponnenen Garnlänge ist wie bei dem Baumwollselbstspinner (Bd. 1, S. 616). Die Kötzer werden auf Blechspulen (Pfeifen), Papierhülsen (Tütchen, Duteln), gezogenen Aluminiumhütten, Spindelhosen aus Gewebe oder auf nackter Spindel gebildet. Bei der Zylinderjenny besorgte der Spinner die Rückdrehung der Spindeln, das Abschlagen, die Führung des Aufwinders während der Einfahrt und diese selbst. Der Selbstspinner (Selfaktor) führt alle jene Bewegungen ohne Zutun des Arbeiters aus. Vorgarnlieferung und Spindeldrehungen sind während der verschiedenen Spielabschnitte regelbar, um verschiedene Nummern mit verschiedenem Draht spinnen, um immer das günstigste, von der Beschaffenheit der Wolle abhängige Verhältnis zwischen Verzug und Drehung herstellen zu können.

Ueber die Entwicklung des Streichgarnselbstspinners findet man Ausführliches in [27], gute Beschreibung und zeichnerische Darstellung in [28]. Die neuerdings angebrachten Verteuerungen beziehen sich hauptsächlich auf die dreifache Spindelgeschwindigkeit, welche entweder stufenweise sich ändert oder welche während des Streckens stetig zunimmt, ferner auf die abgestufte Bewegung der Ausfahrtsschnecke, auf gegliederte Aufwindeschienen. Um beliebig rechts oder links gedrehtes Garn erzeugen zu können, hat man für die Spindeltriebwelle besondere Wendegetriebe angeordnet. Man hat ferner die Bewegung der Lieferwalzen abhängig von der Wagenbewegung gemacht (kombinierte Zylinder- und Wagenbewegung), um die Ausfahrtsschnecke beliebig gestalten zu können; damit hierbei die Wagenseite nicht beansprucht werden, wendet man besondere Reibungskupplungen an. Die Leistung hat man dadurch zu erhöhen versucht, daß man Streckwalzenverzug und Wagenverzug vereinigt u.s.w. Die Leistung der Selbstspinner ist natürlich abhängig von der Drahtgebung, welche für die verschiedenen Garnnummern und Sorten verschieden ist. Bei 250 minutlichen Umdrehungen des Betriebsvorgeleges werden für mittlere Verhältnisse bis zu drei Auszügen in der Minute vollführt. Die Spindelteilung wird genommen zu 47 (2'' sächsisch) bis 59 mm (21/2''), die Spindelanzahl zu 240–540; die Länge des Selbstspinners kann aus der Spindelanzahl und Teilung berechnet werden, wobei aber als unveränderliche Länge für Mittelbock (Headstock) und Seitenböcke 1,57 m zu berücksichtigen ist. Die Antriebwelle kann entweder rechtwinklig oder gleichgerichtet mit der Wagenausfahrtrichtung liegen. Als Kraftbedarf kann man annehmen für einen Selfaktor mit 400 Spindeln etwa 2 PS., für eine Ringspinnmaschine (métier fixe) mit 200 Spindeln 1–1,5 PS., je nach den Spindelgeschwindigkeiten. Der Wagenverzug ist nach den früheren Angaben höchstens gleich 4; die Garnnummer erhöht sich also im günstigsten Falle um das Vierfache. Bei den Baumwollselbstspinnern beträgt der Streckwalzenverzug bis 10, bei dem Kammgarnfeifaktor bis zu 14. Man ersieht somit, daß in der Streichgarnspinnerei zur Erzielung höherer Nummern ein feineres Vorgarn erforderlich ist, andernfalls muß man zu dem Zweimalspinnen (Sürfilieren) seine Zuflucht nehmen. Dabei wird so verfahren, daß das Garn auf der ersten Maschine Rechtsdraht erhält, wenn es auf der zweiten links gesponnen wird und umgekehrt.

Die Watermaschine (Drosselmaschine, throstle) als Ringspinnmaschine (feststehende Feinspinnmaschine, métier fixe) weicht in ihrer Anwendung zur Streichwollspinnerei von der gleichnamigen Spinnmaschine für Baumwolle (Bd. 1, S. 613) ziemlich bedeutend ab, Uebereinstimmung ist vorhanden in Ansehung der Beschaffenheit, Aufteilung und Wirkungsweise der Spindeln; verschieden aber ist das Streckwerk, denn dieses hat einschließlich der Zugabe eines rasch umlaufenden Röhrchens für jeden Faden – nur zwei Paar Streckwalzen, deren Streckweite etwa 450–700 mm beträgt. Das Vorgespinst wird auf das Zwei- bis Zehnfache gestreckt (verzogen). Besonders verdient gemacht um die Ausbildung dieser Bauart hat sich C. Martin in Verviers [29]. Die Vorteile der Ringspinnmaschine gegenüber dem Selbstspinner bestehen in schnellerem Spinnen (da kein Einfahren des Wagens das Spinnen unterbricht) und geringerem Raumbedarf. Als Mangel ist dagegen anzuführen: größerer Kraftbetrieb, bedingt durch die Bewegung der Streck- und Einzugswalzen, der Röhrchen und der schwereren Spindeln [30]. Statt des Röhrchens hat man auch periodisches Abheben der Vorderdruckwalzen benutzt.

In neuester Zeit sind zum Spinnen namentlich stärkerer Garne (bis Nr. 4 englisch) aus Wolle, Kunstwolle, Baumwollabfall, Baumwolle, Asbest u.s.w. kontinuierliche, die Produktion des Selfaktors übertreffende Spinnmaschinen in Aufnahme gekommen, bei welchen das Vorgarn in Gestalt von Wickeln in rotierende Kapseln eingelegt ist. Der ganze Vorratsbehälter mit dem Vorgarn dreht sich, während dieses durch Abzugs- bezw. Streckwalzen herausgezogen und in Spulenform aufgewickelt wird (gewissermaßen umgekehrt wie bei der Banc Abegg). Für die Herstellung starker, lose gedrehter Garne ohne Verstreckung genügt also ein Abzugswerk, welches zur Erzeugung feinerer Garne durch ein Streckwerk ersetzt wird [31]. Die Aufwindung des Spinngutes geschieht entweder in sogenannten Schlauchkops, d.h. Kötzern, welche ohne Spindel in die Webschützen eingelegt und von innen heraus abgeschossen werden (Schlauchkopsspinnmaschine) oder in Form von Kreuzspulen.

Die Stärke der Drehung bei Streichwollgespinsten ist nach deren Bestimmung verschieden. Als Regel für Garn zu Tuch und Fries kann man aber annehmen, daß der Kette etwa doppelt[374] so viel Draht gegeben wird als dem Schuß (Schuß vielfach Linksdraht). Drückt N aus, wieviel Kilometer Garn auf 1 kg gehen (metrische Nummer), so ist die Anzahl der Drehungen auf 1'' oder 25 mm = 2,6 √ N für Kette und 1,3 √ N für Schuß oder für 1 m 100 √ N bezw. 50 √ N. Streichwollenen Gespinsten zu Stoffen, die nicht gewalkt und verfilzt werden, gibt man eine schärfere Drehung, namentlich den Einschußgarnen. Ebenso müssen Garne aus Lumpenwolle stärker gedreht werden als solche aus natürlicher (längerer) Wolle.

Das Zwirnen der Streichgarne erfolgt auf der Mule- oder Waterzwirnmaschine; im letzteren Falle findet sowohl die Flügel- als die Ringzwirnmaschine Verwendung (vielfach 120 Spindeln).

Gefilztes Garn (Filzgarn). Es ist der Versuch gemacht worden, Garn aus Streichwolle mit Ersparung des Feinspinnens dadurch herzustellen, daß man Vorgespinst auf einer Filzmaschine [32] – einem mehrfachen Würgelzeuge – strecken und unter gleichzeitiger Einwirkung von Nässe und Wärme mit starkem Drucke rollen ließ.

Das Abhaspeln der Garne geschieht auf einem Haspel, der zu 12, 20 oder mehr Gängen eingerichtet ist (s. Baumwollspinnerei, Bd. 1, S. 619). Die Länge und Einteilung der Strähne oder Stücke ist in verschiedenen Ländern und Fabriken nicht übereinstimmend, doch gewinnt die metrische oder internationale Numerierung immer mehr Anhänger. Bei dieser gibt die Nummer an, wieviel Strähne zu 1 km 1 kg wiegen. Haspelumfang 1,37 m oder 1,25 m, dementsprechend 1 Strähn = 10 Gebind = 730 Fäden = 1000 m oder 1 Strähn = 10 Gebind = 800 Fäden = 1000 m. Vergleichende Zusammenstellungen der verschiedenen noch gebräuchlichen Garnmaße finden sich in [33].

Vigogne- und Imitatgarne. Sehr oft wird Schafwolle mit Baumwolle vermischt, hauptsächlich zur Erreichung eines billigeren Erzeugnisses. Diese Garne bezeichnet man mit dem Namen Vigogne. Anfänglich fügte man der Schafwolle 5, dann 10, 15, später bis zu 50% Baumwolle bei, und heute kommen Garne vor, welche 70, 80, 90, ja 95% Baumwolle aufweisen. Die Menge der beigemischten Baumwolle läßt sich leicht bestimmen, indem man aus einer abgewogenen Menge Vigogne die Wolle mit Kochen von Kalilauge herauslöst; die zurückbleibende Baumwolle wird ausgewaschen, getrocknet und wieder gewogen [34]. Die in jüngster Zeit viel begehrten Imitatgarne bestehen nur aus Baumwolle. Die Herstellung dieser Garne erfolgt wie die des Streichgarnes; es wird das Spinngut ebenfalls gefärbt und vor dem Krempeln desselben findet das benötigte Mischen der Farben und Sorten statt. Von dem Vigognegarn wie von dem Imitatgarn verlangt man das gekräuselte und moosige Aussehen, das dem Streichgarn eigen ist; es weicht in dieser Beziehung also von dem gewöhnlichen Baumwollgarn ab. Die Vigognegarne spinnt man meist in den metrischen Nummern 17 bis 21 (20 bis 24 sächsischer Weise); doch kommt es in den Nummern 5 bis 27,5 (8 bis 32 sächsisch) vor. Ueber die Behandlung und zweckmäßige Verwertung der Abfälle in der Streich- und Kunstwollengarnspinnerei vgl. [35].

Kunstwolle (Lumpenwolle), das ist aus neuen oder getragenen Lumpen oder aus Spinnerei- und Webereiabgängen wiedergewonnene Wolle (vgl. Spinnfasern), wird wie Streichwolle, namentlich auf Einschußgarne verarbeitet. Für sich allein lassen sich nur die längsten Sorten der Lumpenwolle (zu grobem Einschußgarn) verspinnen; in den vielfältig verarbeiteten Gemengen aus neuer (natürlicher) Wolle und Lumpenwolle beträgt letztere oft 75–90% des Gesamtgewichtes. Meistens teilt man die Kunstwolle ein in Shoddy, Alpaca und Mungo. Shoddy wird aus reinen ungewalkten Schafwollwebstoffen, aus rein schafwollenen Wirkwaren (Trikotagen, Strümpfen) und aus nicht gescherten Stoffen (z.B. Lama) gewonnen. Alpaca (auch Extrakt genannt) gewinnt man aus denselben Geweben (Lumpen), wenn dieselben noch pflanzliche Fasern enthalten. Die letzteren können nur durch Karbonisierungsverfahren entfernt werden. Mungo wird aus tuchartigen gewalkten Geweben erzeugt, deshalb kurzfaserig. In neuester Zeit wird sogar aus den baumwollenen Strümpfen die Baumwolle wieder gewonnen und als Putzwolle verwendet. Kurze Shoddy und Mungo kann nur in Verbindung mit Naturwolle versponnen werden, und namentlich das innige Mischen mit Mungo verursacht einige Schwierigkeit, da letztere leicht verklumpt. Zum Mischen benutzt man besondere Reißkrempeln. Zusammenstellungen von Maschinen u.s.w. zur Kunstwollfabrikation finden sich in [36].

Maschinen für Streichgarnspinnereien bauen u.a. in Aue Ernst Geßner, in Bielitz (Oesterr.-Schlesien) G. Josephys Erben, in Chemnitz (Sachsen) Sächsische Maschinenfabrik, Oskar Schimmel & Co., Wiedes Maschinenfabrik, in Werdau J.C. Bohle, C.F. Schwalbe.


Literatur: [1] Hartig, E., Versuche über den Kraftbedarf der Maschinen in der Streichgarnspinnerei und Tuchfabrikation, Leipzig 1864; Grothe, H., Streichgarnspinnerei und Kunstwollindustrie, Berlin 1876; Löbner, Otto, Praktische Erfahrungen aus der Tuch- und Buckskinfabrikation, Bd. 1: Wolle. Wollwäscherei, Färberei; Bd. 2: Krempelei, Spinnerei, Weberei, Grünberg 1891; Müller, Ernst, Handbuch der Spinnerei, Leipzig 1892, S. 331 ff.; Hennig, E., Die Streichgarn- und Kunstwollspinnerei in ihrer gegenwärtigen Gestalt, Berlin 1894; Rohn, G., Beitrag zur Technologie der Streichgarnspinnerei, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1894, S. 250 ff.; Schaarschmidt, Der Vigogne- und Streichgarnspinner, Leipzig 1907; Priestman, Principles of woollen spinning, London 1908; Zipser, Die textilen Rohmaterialien und ihre Verarbeitung zu Gespinsten, Wien und Leipzig 1909. – [2] Grothe, Streichgarnspinnerei, Bd. 1, S. 139; Löbner, a.a.O., Bd. 1, S. 125; Leipziger Monatsschr. s. Textilindustrie 1897, S. 206; Oesterr. Wollen- u. Leinenindustrie 1909, S. 786. – [3] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1890, S. 653. – [4] Grothe, Streichgarnspinnerei, S. 167; Oesterr. Wollen- u. Leinenindustrie 1908, S. 1197. – [5] Prakt. Maschinenkonstrukteur 1884, S. 358; Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1890, S. 652; ebend. 1898, S. 1383; Leipziger Monatsschr. s. Textilindustrie 1894, S. 554; 1895, S. 644; 1899, S. 634. – [6] Ebend. 1896, S. 632. – [7] Uhlands technische Rundschau, Gr. III, 1898, Nr. 6, S. 44. – [8] Leipziger Monatsschr. s. Textilindustrie 1897, S. 198; Oesterr. Wollen- u. Leinenindustrie 1908, S. 1475. – [9] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing.[375] 1894, S. 250; Leipziger Monatsschr. s. Textilindustrie 1894, S. 100. – [10] D.R.P. Nr. 3230, 5946, 6378, 17319, 32546, 35521, 35650, 37030, 39543, 60911, 61828, 64211, 65992, 67235, 91045; Dingl. Polyt. Journ. 1873, Bd. 210, S. 169, 249; 1879, Bd. 234, S. 184; 1880, Bd. 238, S. 39; 1883, Bd. 247, S. 276; Bd. 249, S. 206; Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1886, S. 62; 1890, S. 1001; 1892, S. 323, 589; 1894, S. 674. – [11] D.R.P. Nr. 96447; Leipziger Monatsschr. s. Textilindustrie 1898, S. 224. – [12] Haußner, Theorie des Krempeins, in Dingl. Polyt. Journ. 1897, Bd. 305, S. 58; Leipziger Monatsschr. s. Textilindustrie 1898, S. 73. – [13] D.R.P. Nr. 64763; Leipziger Monatsschr. s. Textilindustrie 1895, S. 528. – [14] D.R.P. Nr. 8064. – [15] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1886, S. 63; D.R.P. Nr. 11868, 33280; Leipziger Monatsschr. s. Textilindustrie 1897, S. 198. – [16] Preisabhandlung von Rohn: »Der Krempelprozeß in bezug auf Verbesserungsfähigkeit«, Wollengewerbe 1883, S. 1453. – [17] Verhandl. d. Gewerbfleißvereins 1864, S. 99; Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1886, S. 63. – [18] Dingl. Polyt. Journ. 1884, Bd. 252, S. 315. – [19] Rohn, Entwicklungsgeschichte des Florteilers, Verhandl. d. Gewerbfleißvereins 1883, 1884; Hartig, in Civiling. 1886, Heft 7; ders., Studien in der Praxis des K. Patentamts, Leipzig 1890, S. 263; Leipziger Monatsschr. s. Textilindustrie 1895, S. 583; 1896, S. 65, 173; 1897, S. 328, 669; 1898, S. 153. – [20] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1886, S. 71. – [21] Ebend. 1890, S. 1000. – [22] D.R.P. Nr. 7664. – [23] Dingl. Polyt. Journ. 1894, Bd. 291, S. 10; Leipziger Monatsschr. s. Textilindustrie 1897, S. 394, 669. – [24] Dingl. Polyt. Journ. 1880, Bd. 238, S. 42; 1891, Bd. 282, S. 7; Löbner, a.a.O., Bd. 2, S. 190, 299, 308; D.R.P. Nr. 44558, 45653, 46909, 97565. – [25] Leipziger Monatsschr. s. Textilindustrie 1896, S. 127. – [26] Der Vor- und Feinspinnprozeß in der Streichgarnspinnerei, Preisarbeit, Das deutsche Wollengewerbe 1884, S. 161; danach Löbner, a.a.O., Bd. 2, S. 398. – [27] Grothe, Technologie der Gespinstfasern, Bd. 1, S. 601–727. – [28] Schimmels Patentstreichgarnselfaktor, Berlin 1894; Patentstreichgarnselfaktor von G. Josephys Erben in Bielitz, Oesterr.-Schlesien (Selbstverlag). – [29] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1874, S. 458; 1886, S. 108; Müller, E., Handbuch der Spinnerei, S. 378. – [30] Zeitschr. f. d. Textilindustrie 1908, S. 26; Leipziger Monatsschr. s. Textilindustrie 1909, S. 63. – [31] Oskar Schimmels D.R.P. Nr. 91635; Dingl. Polyt. Journ. 1898, Bd. 308, S. 214. – [32] Verhandl. d. Gewerbfleißvereins 1864, S. 147. – [33] Tabelle von C. Kempf, Berlin O.; Hennig, Streichgarnspinnerei, S. 149. – [34] v. Höhnel, Mikroskopie der technisch verwendeten Faserstoffe, Wien 1905; Leipziger Monatsschr. s. Textilindustrie 1897, S. 193. – [35] Ebend. 1898, S. 220. – [36] Grothe, Technologie der Gespinstfasern, Bd. 1, S. 209; Scheuerle, Die Fabrikation der Kunstwolle und der Karbonisationsprozeß, Preisarbeit, Das deutsche Wollengewerbe 1885, S. 157 ff.; Löbner, Die Karbonisation der Wolle, Gewebe, Lumpen u.s.w. und die Kunstwollfabrikation, Grünberg 1890; Uhlands praktischer Maschinenkonstrukteur 1892, Nr. 25, S. 217.

E. Müller.

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Fig. 9.
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Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 368-376.
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