Barden [2]

[374] Barden (irisch Bard, kymrisch Beirrd, »Dichter«), die schon den Römern bekannten Sänger der Gallier, Britannier, Kymren (Walliser), Iren und Gälen, die, wie die Skopen der Angelsachsen und die Skalden der Skandinavier, die Taten der Götter und Helden beiln Kultus und bei Festlichkeiten der Fürsten unter Begleitung der Harfe (Chrotta, irisch Cruit) befangen, das Heer zur Tapferkeit entflammten, im Kampf ihm voranschritten und als Herolde der Fürsten dienten. Nach ihren Funktionen zerfielen sie in Priveirdds (Erfinder), Posveirdds (Fortbildner der Kunst) und Arwyddveirdds (Kriegsherolde); nach dem Range unterschied man Arwennyddions (Lehrlinge), Bardd Faleithiawg (Bardenaufseher für besondere Distrikte) und den Bardd ynys Pryadain (Bardenpräsidenten), welch letzterer ein himmelblaues Kleid, aber nie ein Schwert trug. Der Ursprung der B. verliert sich, wieder der Druiden, mit denen sie in engster Verbindung standen, in die früheste Geschichte der Kelten; als ihr Stifter wird der mythische Merlin genannt. Ihr Hauptsitz war nach ihrer Vertreibung aus Gallien durch die Römer, Goten und Vandalen Wales, von wo aus sie sich in Irland und Schottland festsetzten. Sie bildeten eine erbliche Zunft, die nach Art eines Ordens geregelt war und bedeutenden Einfluß auf Volk und Fürsten übte. In Wales wurden ihre Privilegien und Freiheiten um 940 durch den König fest begrenzt und ausgezeichnet, der ganze Orden aber von Gryffyth ap Conan 1078 reformiert und neu geregelt. Zu Caerwys (s. d.), auch zu Aberfraw, Mathraval etc. fanden von Zeit zu Zeit große Wettkämpfe in Gesang und Poesie, die sogen. Eisteddfods, statt, wobei von der Krone ernannte Kampfrichter die Preise verteilten. Die Eroberung von Wales durch Eduard I. 1283 brachte dem Orden Verfolgung und drohte ihm den Untergang; doch wußte er bis auf Elisabeth noch seine politische und soziale Geltung zu bewahren. In der Folge jedoch wurde die Abhaltung der poetischen Wettkampfe verboten und unterblieb, bis sich in neuerer Zeit zur Wiederbelebung der altkeltischen Sprache Vereine bildeten, die auch die Eisteddfods erneuerten. Die dichterische Phantasie der alten B. hatte durch die frühzeitige Einführung des Christentums einen neuen Aufschwung gewonnen, indem sie altnationale Traditionen[374] mit Vorstellungen des neuen Glaubens vermischte. Die bedeutendste Schöpfung dieser keltisch-christlichen Dichtung ist der Sagenkreis von König Artur. Die Zahl der wallisischen B. bildet von Myrddin Wyllt (Melin der Wilde), Taliesin Aneurin und Cadwallon (6. Jahrh.) bis herab auf Dafydd ab Gwilym, der nach Unterjochung der Walliser dichtete, eine lange Reihe. Sammlungen ihrer durch glühenden Patriotismus ausgezeichneten Gesänge (bis zum 14. Jahrh. herab) finden sich in Evans' »Specimens of the ancient Welsh poetry« (Lond. 1764) und besonders in der von Jones, Williams und Owen herausgegebenen »Myvyrian archaiology of Wales« (das. 1801–1807, 3 Bde.; neue Ausg. 1862), Williams' »As barddoniath Cymraeg« (Solgelly 1828) und Skenes »Four ancient books of Wales« (Edinb. 1869, 2 Bde.). Alte wallisische Dichtungen in Prosa, und zwar meistens aus der Sage von Artur und seiner Tafelrunde geschöpfte, enthalten die Sammelwerke: »Hên Chwedlane« (»Alte Geschichten«) und »Mabinogion« (»Jugendunterhaltungen«), die Lady Charl. Guest herausgab (Lond. 1841–50, 3 Bde.).

In Irland zerfiel die Zunft der B. nach ihrem Beruf in drei Hauptklassen: die Filedha, die in Schlachten und beim Kultus, vom Harfner begleitet, fangen und sich in der Umgebung und im Rate der Fürsten als deren Sprecher und Herolde befanden; die Breitheamhaim, die in gewissen Fällen Recht sprachen, und die Seanachaidhe, die Geschichtskundigen und Genealogen der fürstlichen Geschlechter. Durch zahlreiche Privilegien geschützt, gewannen sie indessen mit der Zeit so viel Landbesitz und ein so lästiges Übergewicht, daß es wiederholt zur Auflehnung des Volkes gegen die Bardenorden, ja selbst zu teilweiser Vertreibung derselben kam. Die Fertigkeit der Iren im Harfenspiel zu jener Zeit war allgemein anerkannt. Nach der Eroberung Irlands durch Heinrich II. begann das Bardentum zu sinken. Indessen erhielten sich B. in größern irischen Familien, und ihre Lieder und geschichtlichen Erinnerungen dienten noch ferner zur Erhaltung der Vaterlandsliebe der Iren, welcher Umstand mehrfache Verordnungen der englischen Herrscher gegen die irischen B. und Sänger veranlaßte, bis durch die Schlacht am Boyne (10. Juli 1690) das Bardentum vollständig vernichtet wurde. Für den letzten irischen B. gilt Turlough O'Carolan (gest. 1738). Irische Bardenlieder übersetzte Miß Brooke in ihren »Reliques of Irish poetry« (Dubl. 1789; neue Aufl. von Seymour, 1816) und Hardiman in »Irish minstrelsy« (das. 1831, 2 Bde.). Das bedeutendste dieser Überbleibsel ist die Ballade von König Fines Jagd. Vgl. Walker, Memoirs of the Irish bards (Lond. 1780). – In ähnlicher Weise wie in Wales und Irland gestaltete sich das Bardentum in Schottland; auch hier waren die B. erbliche Diener der Fürsten und Edelleute. Der Orden hörte in Schottland 1748 mit Aufhebung der Erbgerichtsbarkeit auf; doch hat sich hier noch später ein gälischer Volksdichter, Robert Mackay (1714–78), berühmt gemacht. Vgl. Ellissen, Polyglotte der europäischen Poesie, Bd. 1 (Leipz. 1846); Stephens, Geschichte der welschen Literatur vom 12. bis 15. Jahrhundert (a. d. Engl. von San Marte, Halle 1864); Walter, Das alte Wales (Bonn 1859); La Villemarqué, Einleitung zu »Barzaz-Breiz« (Sammlung altbretonischer Bardengesänge, 2. Aufl., Par. 1846). – Den Germanen war der Name Barde völlig unbekannt; Grays Ode »The Bard«, die noch ganz richtig in Wales spielt, hat zu seiner Verallgemeinerung wesentlich beigetragen. Die Annahme altenglischer B. durch Percy und deutscher durch Klopstock, Kretschmann, Denis u. a. ist eine poetische Fiktion. Klopstock benannte ein vorzugsweise religiöses und kriegerisches Lied, gedichtet in dem fingierten Charakter eines Barden, oder einen Schlachtgesang in dem wildkräftigen Tone der germanischen Urzeit ein Bardiet, mit Rücksicht auf eine Stelle in der »Germania« des Tacitus, wo einige Handschriften unrichtig für baritus (»Schlachtgeschrei«) barditus lesen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 374-375.
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