Forstschulen

[782] Forstschulen. Nach Ziel und Einrichtung sind zu unterscheiden forstliche Hochschulen, forstliche Mittelschulen und niedere F. Die forstlichen Hochschulen erstreben die höchste forstwissenschaftliche Ausbildung und die Fortbildung der Forstwissenschaft, stützen die forstliche Lehre auf die ihr zugrunde liegenden Wissenschaften (Grundwissenschaften), die Mathematik, die Naturwissenschaften, die Volkswirtschaftslehre und die Staatslehre, sind bemüht, das forstliche Wissen auf seine letzten Gründe zurückzuführen, sind reich ausgestattet mit Lehrkräften und Lehrmitteln und erfordern eine abgeschlossene höhere Schulbildung. Sie sind teils selbständige Fachhochschulen (Forstakademien), die einerseits den Unterricht in den Grund wissenschaften auf die forstliche Anwendung beziehen und in dieser Richtung teils beschränken, teils erweitern und vertiefen, und die anderseits die forstliche Lehre in umfassender Weise an einen Unterrichtswald anlehnen, teils sind sie mit landwirtschaftlichen oder bergmännischen Fachschulen, teils mit Technischen Hochschulen oder Universitäten vereinigt. Forstakademien bestehen für Preußen in Eberswalde (seit 1830) und in Münden (seit 1868); für das Königreich Sachsen in Tharandt (seit 1816); für Sachsen-Weimar in Eisenach (seit 1830); für Ungarn in Schemnitz (seit 1807); für Frankreich in Nancy (seit 1824); für Rußland bei St. Petersburg (seit 1803); für Schweden in Stockholm; für Spanien in San Lorenzo del Escorial (seit 1869, vorher seit 1846 zu Villaviciosa bei Madrid); für Italien zu Vallombrosa bei Florenz (seit 1869). Eine Forst- und landwirtschaftliche Hochschule besteht für Österreich in Wien (Hochschule für Bodenkultur) seit 1872 nach Aufhebung der Forstakademie[782] in Mariabrunn (1813–71). Mit Technischen Hochschulen ist der forstliche Unterricht verbunden für Baden in Karlsruhe (seit 1832), für die Schweiz in Zürich (seit 1855), für England in Coopers Hill (seit 1888). Mit der Universität ist der Unterricht verbunden für das Großherzogtum Hessen in Gießen (seit 1825 und noch enger seit 1831), für Bayern in München (seit 1878), für Württemberg in Tübingen (seit 1881). Als Vorbereitungsschule für den forstlichen Universitätsunterricht in München dient seit 1878 die Forstlehranstalt in Aschaffenburg, die bis dahin den forstlichen Gesamtunterricht erteilte.

Forstliche Mittelschulen erstreben eine forsttechnische Ausbildung für den Wirkungskreis der örtlichen Betriebsverwaltung, ohne eine allseitige Ausbildung in den Grundwissenschaften zu gewähren und die Fortbildung der Wissenschaft als Ziel zu verfolgen. Sie verlangen keine abgeschlossene Schulbildung und wenden eine vorzugsweise auf praktische Schulung gerichtete Unterrichtsmethode an. Es gehören dahin in Österreich die F. zu Mährisch-Weißkirchen (1896 dorthin von Eulenberg verlegt), zu Weißwasser (Böhmen, seit 1855, wird 1904 nach Reichstadt verlegt), zu Lemberg (Galizien, seit 1874), für Finnland zu Evois (seit 1862).

Niedere F. (Försterschulen, Waldbauschulen) sind zur Ausbildung von Förstern bestimmt, die keine selbständige Verwaltung führen, sondern Forstschutzbeamte und Aufsichtsbeamte bei der Betriebsausführung sind. Sie erfordern die Vorbildung einer guten Volksschule und erteilen den Unterricht nach rein empirischer Methode. In Preußen bestehen Försterschulen zu Groß-Schönebeck im Regbez. Potsdam (seit 1878) und Proskau im Regbez. Oppeln (seit 1882), außerdem ist 1880 bei sämtlichen Jägerbataillonen forstlicher Fortbildungsunterricht für den Försterdienst eingerichtet. Bayern hat seit 1888 Waldbauschulen in Kelheim, Trippstadt, Wunsiedel, Lohr und Kaufbeuren. In Österreich bestehen niedere F. zu Aggsbach in Niederösterreich (seit 1876), Gußwerk (Steiermark, 1881), Hall (Tirol, 1881), Bolechow (Galizien, 1883), Pisek (Böhmen, 1884) und Mährisch-Weißkirchen (der höhern Forstlehranstalt angegliedert). In Bregenz (Vorarlberg) werden seit 1877 mehrmonatige Lehrkurse für Forstschutz- und Aufsichtsbeamte abgehalten. Ähnliche Einrichtungen bestehen in der Schweiz in den Bannwartkursen.

Für die Forsthochschulen in Deutschland beträgt die Studienzeit 2 (Preußen, Eisenach), 21/2 (Sachsen), 3 (Hessen, Württemberg), 31/2 (Baden), 4 Jahre (Bayern). Außerdem werden zur Anstellung in der Staatsforstverwaltung verlangt: in Preußen einjährige forstliche Lehrzeit vor dem Besuch der Forstakademie, ein Universitätsjahr und zweijährige praktische Vorbereitungszeit nach dem Bestehen der Referendarprüfung; in Sachsen eine halbjährige forstliche Lehrzeit, einjähriges Universitätsstudium, dreijähriges Praktikum nach der Studienzeit, in Württemberg zweijährige praktische Vorbereitungszeit nach dem Besuch der Universität. Die rasch steigenden Anforderungen, die an die Bildung des Forstmannes gestellt werden müssen, haben in neuerer Zeit den Gedanken angeregt, den forstakademischen Unterricht an die allgemeinen Hochschulen zu verlegen. Vgl. Danckelmann, Forstakademien oder allgemeine Hochschulen? (Berl. 1872); Lothar Meyer, Die Zukunft der deutschen Hochschulen etc. (Bresl. 1874); Baur, Forstschule oder allgemeine Hochschule? (Stuttgart 1875); Heß, Die forstliche Unterrichtsfrage (Berl. 1874); Weise, Tagesfragen über forstlichen Unterricht in Preußen (das. 1901).

Die ersten F. sind in Deutschland entstanden und zwar in Gestalt von praktischen Lehranstalten, die von Privatleuten errichtet und von einem einzigen Lehrer geleitet wurden, als sogen. Meisterschulen. So die von dem Oberforstmeister Zanthier in Ilsenburg um 1765 begründete, einst weit berühmte Meisterschule; die in Böhmen durch v. Ehrenwerth errichtete; die des Oberförsters v. Uslar in Harzburg (1790); die in Hungen (1789–97) unter G. L. Hartig, die noch 1797–1806 in Dillenburg fortbestand; die Meisterschule von H. Cotta in Zillbach (1785–1811). Die erste öffentliche Forstschule wurde zu Berlin 1770 durch den Minister v. Hagen ins Leben gerufen, deren einziger Lehrer der Botaniker Gleditsch bis zu seinem Tode (1786) war. Seit 1787 leitete der Oberforstmeister v. Burgsdorf den forstlichen Unterricht. Die Schule bestand bis 1802. Von da bis 1821 gab es in Preußen keine öffentliche Forstlehranstalt; nur an der Berliner Universität wurden von G. L. Hartig forstwissenschaftliche Vorträge gehalten, wie auch schon früher von Kameralisten an andern Universitäten. 1821 wurde im Anschluß an die Berliner Universität eine Forstakademie errichtet und Fr. W. F. Pfeil als Professor der Forstwissenschaften berufen. Die Anstalt wurde 1830 nach Neustadt-Eberswalde (jetzt Eberswalde) verlegt (vgl. Danckelmann, Die Forstakademie Eberswalde, Berl. 1880). Herzog Karl von Württemberg fügte 1772 der von ihm 1770 begründeten Militärakademie zu Solitüde eine Forstschule an. Als die Akademie 1775 nach Stuttgart verlegt und »hohe Karlsschule« genannt wurde, erhielt sie die Forstschule als eine besondere Fakultät; Stahl, nach ihm v. Hartmann lasen hier Forstwissenschaft. 1782 errichtete Herzog Karl auch eine Försterschule zu Hohenheim. Beide Anstalten verfielen mit seinem Tode (1793). Erst 1818 wurde für die württembergischen Feldjäger wieder ein geordneter Unterricht eingerichtet, 1826 aber die Forstakademie in Hohenheim errichtet, die Gwinner bald zu hoher Blüte hob. Seit 1881 ist der forstliche Unterricht mit der Universität Tübingen verbunden. In Bayern wurde 1786 der erste Versuch gemacht, eine Forstschule auf wissenschaftlicher Grundlage zu errichten, aber ohne Erfolg Die Schule wurde 1790 eröffnet, Däzel und Grünberger als Lehrer bestellt; aber den Schülern fehlte die rechte Vorbildung, und die Schule gelangte zu keiner Blüte. Als Aschaffenburg 1814 an Bayern kam, wurde die seit 1807 dort bestehende Forstschule beibehalten, 1819 und 1824 reorganisiert, dann aufgehoben und erst 1843 wieder errichtet. Seit 1878 ist der forstliche Unterricht in Bayern derartig geteilt, daß die dortigen Aspiranten auf den Staatsforstdienst die ersten beiden Jahre auf der Forstschule in Aschaffenburg und die beiden letzten Jahre an der Universität zu München studieren müssen. In Sachsen wurde die Cottasche Meisterschule in Zillbach, die mit ihrem Meister 1811 nach Tharandt gewandert war, 1816 zur landesherrlichen Forstakademie erhoben und nahm bald eine hervorragende Stelle unter den forstlichen Unterrichtsanstalten ein, die sie bis auf die Gegenwart behauptet hat. Auch aus andern Meisterschulen entwickelten sich forstliche Mittelschulen und öffentliche Forsthochschulen. Zu Mittelschulen erhoben sich die Meisterschulen in Dillenburg und Homburg. Andre forstliche Mittelschulen entstanden in Kiel (1785) für das dänische Jägerkorps, wo Aug. Niemann lehrte (der Verfasser des sogen. Landesvaters), in Schwarzenberg[783] unter Forstmeister Friedel (1800), in Eichstätt (1804), in Waldau (Kurhessen), später in Fulda (1798 errichtet, 1816 nach Fulda, 1825 nach Melsungen verlegt, wo die Schule bis 1868 bestand) unter E. Fr. Hartig. Zu einer Forsthochschule entwickelte sich die Königsche Meisterschule in Ruhla, die 1808 begründet und 1830 als Staatsanstalt nach Eisenach verlegt wurde (vgl. Grebe, Die großherzoglich sächsische Forstlehranstalt zu Eisenach, Eisen. 1880). Seit 1795 hatte Johann Matthäus Bechstein auf der Kemnate bei Waltershausen in Thüringen eine Privatforstschule errichtet, die 1800 als landesherrliche Forstakademie nach Dreißigacker bei Meiningen verlegt ward und unter Bechsteins Direktion bis 1822 blühte, von da an bis 1843 noch kümmerlich vegetierte und dann aufgehoben wurde. Die Forstschule des Polytechnikums in Karlsruhe wurde 1832, die in Braunschweig 1838 errichtet und Th. Hartig an letztere als Lehrer der Forstwissenschaften berufen. 1877 wurde die Forsthochschule in Braunschweig aufgehoben. In Hannover bestand 1821–49 eine forstliche Mittelschule in Verbindung mit dem Feldjägerkorps in Klausthal, später in Münden. Zur Geschichte des Forstunterrichtswesens in Deutschland vgl. Bernhardt, Geschichte des Waldeigentums, der Waldwirtschaft und Forstwissenschaft (Berl. 1872–75, 3 Bde.); Schwappach, Handbuch der Forst- und Jagdgeschichte Deutschlands (das. 1886–88, 2 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 782-784.
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