[447] Grundbücher, im Sinne der neuen Gesetzgebung öffentliche Bücher zur amtlichen Feststellung der Eigentums- und Belastungsverhältnisse der Grundstücke. Die Anfänge des Grundbuchwesens hängen mit der Entwickelung der gerichtlichen Auslassung (s. d.) im Mittelalter zusammen. Seitdem die Übertragung des Eigentums an Grundstücken sich vor Gericht vollzog, entstand in den Städten die Sitte, die Veränderungen in den Eigentums- und Belastungsverhältnissen in Bücher einzutragen. Es bestanden schon früher für Kirchen und Klöster Register (Polyptycha), die den Besitzstand, die Gutsleute, ihre Abgaben etc. feststellten. Die sogen. Stadtbücher oder Gerichtsbücher enthielten auch schon chronologische Aufführungen der erfolgten Liegenschaftsfertigungen, sei es vermischt mit andern Geschäften, sei es in besondern Abteilungen. Den ersten Keim des modernen Grundbuchwesens enthalten jedoch erst jene Bücher, die eine leichte Übersichtlichkeit der Anordnung, ein Verzeichnis der Liegenschaften enthalten, die Güter-, Flur-, Gewähr-, Stock-, Lager-, Saal-, Erbebücher, auch Landtafeln. Allmählich entwickelte sich der Grundsatz, daß alle Grundbesitzveränderungen eingetragen werden müßten, und es entstanden vielfach für einzelne Gruppen von Liegenschaften besondere G., z. B. für Bergwerke die G. für: Bergwerke mit ihren eignen Berggrundbuchämtern, die Bahngrundbücher u. a. m. Entgegen dem gemeinen Recht, wonach die allgemeine Form der Übereignung für Immobilien wie für Mobilien die Besitzübertragung ist, hat sich die moderne [447] Gesetzgebung in dem Bestreben nach möglichster Publizität des Grundeigentums zum Vorteil des Verkehrs und allgemeiner Interessen an das ältere deutsche Recht angeschlossen und ein vielgestaltiges Grundbuchrecht entwickelt, das in dem Bürgerlichen Gesetzbuch und der Grundbuchordnung (s. d.) für das Deutsche Reich eine einheitliche Regelung fand. Nach diesen ist Grundbuch ein bei bestimmten Behörden (Grundbuchämtern) zur amtlichen Feststellung der Rechtsverhältnisse der Grundstücke geführtes öffentliches Buch. Da das Grundbuch über die Rechtsverhältnisse eines jeden Grundstückes des betreffenden Grundbuchamtsbezirks deutlichen Aufschluß geben soll, erhält jedes Grundstück im Grundbuch ein bestimmtes Blatt (Grundbuchblatt), auf dem sämtliche Angaben über die Rechtsverhältnisse des betreffenden Grundstückes zu finden sind, zulässig ist jedoch auch die Eintragung mehrerer demselben Eigentümer gehöriger, in einem Grundbuchamtsbezirk gelegener Grundstücke auf einem Blatt, wenn darunter die Übersichtlichkeit nicht leidet (Gemeinschaftliches Grundbuchblatt). Auf Antrag kann jedoch auch ein Teil des betreffenden Grundstückes abgeschrieben und als selbständiges Grundstück eingetragen werden, falls dieser Grundstücksteil (nicht zu verwechseln mit Anteil an Grundstücken, d. h. der Anspruch, den ein Miteigentümer an ein im Besitz Mehrerer befindliches Grundstück hat) mit einem Recht belastet werden soll. Die G. werden für Bezirke eingerichtet (Grundbuchbezirk), die gewöhnlich räumlich mit den Amtsgerichtsbezirken zusammenfallen, die meist auch die Grundbuchämter für die in ihrem Bezirk gelegenen Grundstücke sind. Da jedoch die Grundbuchordnung die Einrichtung des Grundbuches, die Bildung der Grundbuchämter, die Regelung ihrer Zuständigkeit etc. mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden Verhältnisse der Landesgesetzgebung überlassen hat, so kann die Funktion des Grundbuchamtes auch einem Einzelbeamten oder einem Kollegium, einem richterlichen oder einem Verwaltungsbeamten, namentlich auch dem Magistrat einer Stadt oder einer Gemeindebehörde übertragen werden. Dieses Grundbuchamt hat das Grundbuch zu führen, d. h. die Eintragungen vorzunehmen, die Urkunden, die sich auf diese beziehen, aufzuheben, Leuten, die ein berechtigtes Interesse daran haben, Einsicht in das Grundbuch zu gestatten und beglaubigte Abschriften aus dem Grundbuch zu erteilen. Da selbstverständlich Übersichtlichkeit des augenblicklichen Standes des Grundbuches und der denselben begründenden Urkunden vom höchsten Wert ist, können die Landesjustizverwaltungen die Vereinigung aller auf ein Grundbuchblatt sich beziehenden Schriften in einen Akt, den sogen. Grundakt, anordnen. Die wichtigsten Grundsätze unsers Grundbuchsystems, das nicht nur der Leichtigkeit, sondern vor allem auch der Sicherheit des Grundstücksverkehrs zu dienen hat, haben wir bereits in dem größten Teile Deutschlands vor Geltung unsrer Reichsgrundbuchordnung, bez. unsers neuen Liegenschaftsrechts gehabt. Es sind dies 1) der Grundbuchzwang, d. h die Vorschrift, daß jedes Grundstück in dem Grundbuch seines Bezirkes eingetragen sein muß; 2) und das hiermit in engem Zusammenhang stehende Spezialitätsprinzip, d. h. die Vorschrift, daß jedes Grundstück sein eignes Blatt im Grundbuch haben muß, und daß dieses Blatt genauen Aufschluß über die Belastung des betreffenden Grundstückes geben muß; 3) das Prioritätsprinzip, d. h. der Grundsatz, daß das Rangverhältnis der einzelnen eingetragenen Rechte sich nach der Reihenfolge der Eintragungen (s. unten), bez. nach dem Datum derselben richtet; 4) das Eintragungsprinzip, d. h. der Grundsatz, daß jede Begründung, Änderung und Aufhebung dinglicher Rechte an dem betreffenden Grundstück im Grundbuch eingetragen werden muß; 5) das Konsensprinzip, d. h. das Grundbuchamt hat nicht bei der Eintragung die Rechtsbeständigkeit der von den Beteiligten vereinbarten Geschäfte zu prüfen, sondern nur die Rechtsgültigkeit der Form und des Inhalts der Eintragsbewilligung, d. h. der auf eine Eintragung in das Grundbuch gerichteten Erklärung des von derselben Betroffenen. Alle diese Grundsätze würden aber die absolut notwendige Sicherheit des Grundstücksverkehrs nicht gewährleisten, wenn nicht als 6) das Publizitätsprinzip hinzukäme, d. h., daß demjenigen, der im Vertrauen auf den Inhalt des Grundbuches ein auf die Erwerbung eines Rechts an einem Grundstück gerichtetes Rechtsgeschäft vornimmt, dieser Inhalt als richtig und vollständig gewährleistet wird (materielle Publizität), und daß jedermann, der ein berechtigtes Interesse hat, die Einsicht des Grundbuches gewährt werden muß (formelle Publizität). Alle die vorgenannten Bestimmungen bilden das Grundbuch- oder Liegenschaftsrecht, d. h. die gesetzlichen Vorschriften, die sich auf die Änderungen im dinglichen Rechtszustand eines Grundstückes beziehen, also den Erwerb und Verlust des Eigentums (vgl. Auslassung), sowie die Begründung, Übertragung, Belastung und Aufhebung eines andern Rechts an einem Grundstück oder eines Rechts an einem solchen Rechte betreffen (materielles Grundbuchrecht) oder die Bestimmungen Über die Einrichtung der G. und der Grundbuchämter, die Vorschriften über das Verfahren in Grundbuchsachen, wie Beschwerde etc. (formelles Grundbuchrecht). Das materielle Grundbuchrecht findet sich im Bürgerlichen Gesetzbuch, ergänzt durch einzelne Vorschriften der Zivilprozeßordnung, der Konkursordnung, des Reichsgesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung sowie durch einzelne Landesgesetze. Das formelle Grundbuchrecht findet sich in der Grundbuchordnung, die allerdings, wie bereits oben erwähnt, keine Kodifikation des formellen Grundbuchrechts ist, vielmehr nur die Grundzüge desselben regelt und den weitern Ausbau, so insonderheit alles, was die Einrichtung und Organisation der Grundbuchämter anlangt, den einzelnen Landesgesetzgebungen und -Verwaltungen überläßt. Über das Verfahren in Grundbuchsachen, insbes. über Beschwerde in Grundbuchsachen vgl. Grundbuchordnung. Da wir bis zum Erlaß des Bürgerlichen Gesetzbuches (18. Aug. 1896) und der Reichsgrundbuchordnung (24. März 1897) im Deutschen Reich ein sehr verschiedenes Liegenschaftsrecht hatten, dessen Anpassung an das neue Recht teilweise große Anforderungen an Zeit und Arbeit stellt, bestimmt Art. 189 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch, daß das materielle Grundbuchrecht erst mit dem Augenblick in Kraft tritt, in dem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, ebenso bestimmt § 82 der Grundbuchordnung, daß dasselbe, soweit es die Anlegung des Grundbuches betrifft, zwar gleichzeitig mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch, also 1. Jan. 1900, in Kraft tritt, im übrigen aber für jeden Grundbuchbezirk mit dem Zeitpunkt, in dem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist. Vgl. Achilles u. Strecker, Die Grundbuchordnung nebst den preußischen Ausführungsbestimmungen[448] (Berl. 190102, 2 Tle.); Fuchs, Grundbuchrecht (das. 1900 ff.); Böhm, Das materielle und formelle Reichsgrundbuchrecht (Hannov. 1898); Kretzschmar, Einführung in das Grundbuchrecht (Leipz. 190203, 2 Bde.); Männer, Das Recht der Grundstücke nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch und der Grundbuchordnung (Münch. 1897); Oberneck, Das Reichsgrundbuchrecht (3. Aufl., Berl. 1904); Predari, Die Grundbuchordnung (das. 190102); Turnau und Förster, Das Liegenschaftsrecht nach den deutschen Reichsgesetzen und den preußischen Ausführungsbestimmungen (2. Aufl., Paderb. 190203, 2 Bde.); E. Schröder, Grundbuchentscheidung (Leipz. 1902 ff., alljährlich 1 Bd.); Brand, Die Grundbuchsachen in der gerichtlichen Praxis (Berl. 1904); Bartsch, Das österreichische allgemeine Grundbuchgesetz (3. Aufl., Wien 18991902).
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