Harrach

[830] Harrach, altes österreich. Adelsgeschlecht, in Österreich und Böhmen begütert, ward 1559 mit dem dem jedesmaligen Senior der Familie zustehenden Oberst-Erblandstallmeisteramt in Österreich ob der Enns beliehen, 1616 in den Grafen-, 1627 in den Reichsgrafenstand erhoben. Es teilt sich, abgesehen von den 1732 erloschenen »böhmischen« Harrachs, in eine ältere Linie zu Rohrau (1886 erloschen) und eine jüngere zu Bruck. Die namhaftesten Sprößlinge des Geschlechts sind:

1) Karl, Graf von, einer der hervorragendsten kaiserlichen Räte bei dem Erzherzog und nachherigen Kaiser Ferdinand II., geb. 1570, gest. 16. Mai 1628 in Prag, k. k. Geheimrat, Kämmerer und Hofmarschall, wurde nach diplomatischen Sendungen 1614–1620, insbes. 1618–20 an den bayrischen Hof, 1627 Reichsgraf. Von seinen Töchtern heiratete Elisabeth den berühmten Wallenstein, Maximiliana den Grafen Adam Terzky. Vgl. »Briefe Albrecht von Wallensteins an Karl v. H. 1625–1627« (in den »Fontes rerum austriacarum II«, Bd. 41, Wien 1879).

2) Ferdinand Bonaventura, Graf von, geb. 14. Juli 1637, gest. 15. Juni 1706 in Karlsbad, von der Brucker Linie, Sohn Otto Friedrichs, Bruders des vorigen, ward öfters zu Gesandtschaften gebraucht, unter denen die wichtigste 1697–98 an den Madrider Hof wegen Sicherung der spanischen Erbfolge. K. Leopold I. rechnete ihn zu seinen vertrautesten Lieblingen. Seine »Mémoires et négociations secrètes« gab de la Torre heraus (Haag 1720). Vgl. Gaedeke, Das Tagebuch des Grafen F. B. H. während seines Aufenthaltes am spanischen Hofe 1697 und 1698 (im »Archiv für österreichische Geschichte«, Bd. 48, 1872) und Die Politik Österreichs in der spanischen Erbfolgefrage, mit Harrachs Depeschen (Leipz. 1877, 2 Bde.).

3) Aloys Ludwig Thomas Raimund, Graf von, geb. 7. März 1669, gest. 7. Nov. 1742, Sohn des vorigen, ging als dessen Nachfolger 1698 als Gesandter nach Spanien, war seit 1715 Landmarschall und Generaloberst in Österreich unter der Enns, wurde 1728 Vizekönig von Neapel, 1734 Konferenzminister im Departement der Finanzen.

4) Ferdinand Bonaventura, Graf von, geb. 11. April 1708, gest. 28. Jan. 1778, Sohn des vorigen, trat in den Staatsdienst, ward 1745 Landmarschall von Niederösterreich, vertrat die Regierung 1746 beim Bredaer Kongreß, war 1747–50 Generalstatthalter der Lombardei, später Staatskonferenzminister und Reichshofratspräsident.

5) Johann Nepomuk, Graf von, gegenwärtig Haupt des in Niederösterreich, Böhmen und Ungarn begüterten Geschlechts, geb. 2. Nov. 1828 in Wien, ist seiner Gesinnung nach Tscheche, war auch früher politisch als Reichsrats- und Landtagsabgeordneter tätig. Er ist erbliches Mitglied des Herrenhauses und Magnat in Ungarn.

6) Ferdinand, Graf von, Maler, geb. 27. Febr. 1832 zu Rosnochau in Oberschlesien, studierte seit 1851 in Berlin Rechte und Philosophie, trieb sodann landwirtschaftliche Studien und ging nach ihrer Vollendung 1854 nach Italien, wo sich seine Liebe zur Malerei befestigte. Er wendete sich nach Düsseldorf, ward Schüler des Grafen Kalckreuth und folgte diesem dann nach Weimar, wo er sich zehn Jahre lang unter Kalkreuth, Ramberg und Pauwels der Kunst widmete. Im Kriege 1870/71 befand er sich im Hauptquartier des Kronprinzen, Ende 1871 und 1872 verweilte er in Italien; seitdem lebte er abwechselnd in Berlin und auf seinem Gut Hartmannsdorf in Oberschlesien. 1873 ward er ordentliches Mitglied der königlichen Akademie der Künste zu Berlin. H. hat anfangs geschichtliche Genrebilder und Landschaften, später auch Geschichtsbilder großen Stils, z. T. in romantischer Auffassung und Beleuchtung, und namentlich Bildnisse gemalt. Zu seinen Erstlingswerken gehören: Gemsenjagd, Heinrich der Vogelsteller, Kaiser Max auf der Martinswand, nächtlicher Überfall. 1874 fanden seine Darstellungen aus dem deutsch-französischen Kriege (in den Weinbergen von Wörth, vorgeschobener Posten am Mont Valérien) auf der Berliner Ausstellung großen Beifall. Es folgten: Seekönigs Tod, Übergabe des Briefes Napoleons III. an König Wilhelm (1876), das Opfer Isaaks, die Verleugnung Petri, die Versuchung Christi, Szenen aus dem Hochgebirge (1886, Auffindung eines Abgestürzten, in der Berliner Nationalgalerie), Karfreitagsfrage (Christus am Kreuz), Christus klagend über Jerusalem (1900), der gute Hirt (1902) und Am See Tiberias (1904). Seine männlichen und weiblichen Bildnisse zeichnen sich durch geistvolle Auffassung und seine, geschmackvolle Färbung aus. In der koloristischen Durchführung erinnern sie an Holbein. Durch gleiche Sorgsamkeit der Behandlung und Feinheit des Tones sind auch seine Landschaften (Abend am Thuner See, Wintersende in der Lausitz, Abend in den Dolomiten, hereinbrechender Gewittersturm) ausgezeichnet. 1892 wurde er zum königlichen Professor, 1896 zum Wirklichen Geheimen Rat mit dem Prädikat Exzellenz ernannt.

7) Auguste, Gräfin von, s. Liegnitz, Fürstin von.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 830.
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