Knaus

[168] Knaus, Ludwig, Maler, geb. 5. Okt. 1829 in Wiesbaden, machte seine Studien 1845–52 in Düsseldorf bei Karl Sohn und Schadow, folgte aber nicht ihrer Richtung, sondern widmete sich frühzeitig der Schilderung des Volkslebens, weshalb schon seine ersten Bilder: der Bauerntanz (1850), die Spieler (1851, in der städtischen Galerie zu Düsseldorf, eine Wiederholung im Museum zu Leipzig), der Bienenvater (1851), Alter schützt vor Torheit nicht (1851), der Taschendieb auf dem Jahrmarkt (1851), das Leichenbegängnis im Walde, dem ein Verbrecher begegnet (1852), die Gräfin Helfenstein bittet um Schonung ihres Gatten (1852), großen Beifall fanden, wenngleich die Färbung nach der damaligen Düsseldorfer Manier etwas dunkel und schwer ist. 1852 ging er nach Paris, wo er, nur unterbrochen durch einen einjährigen Aufenthalt in Italien (1857–58), bis 1860 tätig war. Hier schuf er die Hauptbilder seiner ersten Periode: die goldene Hochzeit (1858), die Taufe (1859), den Auszug zum Tanz. Ein kleines Genrebild, die Promenade (1855), wurde für das Luxembourg-Museum angekauft. Nachdem er sich ein Jahr in seiner Vaterstadt aufgehalten, siedelte er 1861 nach Berlin über, wo er bis 1866 blieb. Dieser Zeit gehören die Bilder: kartenspielende Schusterjungen (1861), die Damenbrettspieler (1862), die Wochenstube, der Taschenspieler, die Passeirer Raufer vor dem Pfarrer (1864), die Brautschau (1864, im Museum zu Wiesbaden), Durchlaucht auf Reisen (1867) und der Leiermann an. Von 1866–74 lebte er in Düsseldorf, und in diese Periode fallen die Bilder, die seinen Ruf als Genremaler am sichersten begründet haben: das Kinderfest (Wie die Alten sungen, so zwitschern die Jungen, 1869, Berliner Nationalgalerie), das Leichenbegängnis in einem hessischen Dorf (1871), das Gänsemädchen (1872), in tausend Ängsten (1872), die Geschwister (1872), die Beratung Hauensteiner Bauern (1873), der Dorfprinz (1874). In diesen Gemälden spricht sich eine wahre, naive Empfindung, ein seiner Humor und eine große Mannigfaltigkeit der Charakteristik aus, die durch ein kräftiges, natürliches Kolorit und eine scharfe, geistvolle Zeichnung unterstützt werden. 1874 wurde K. zur Leitung eines Meisterateliers an die Kunstakademie nach Berlin berufen. Seine schöpferische Tätigkeit litt unter dem Lehramt, daß er bis 1883 versah, nicht. Auch entwickelte sich seine koloristische Virtuosität, namentlich unter dem Studium der Holländer, noch reicher. Doch verloren seine Bilder an Naivität und Unmittelbarkeit der Empfindung, und die Reflexion und das Streben nach witzigen Pointen trat mehr in den Vordergrund. Die bedeutendsten seiner Genrebilder aus der Berliner Zeit sind: die heilige Familie (1876, eine genreartig behandelte Ruhe auf der Flucht), die Wirtshausszene Auf schlechten Wegen (1876), das widerspenstige Modell (1877), Salomonische Weisheit (1878), hinter den Kulissen (1880, Dresdener Galerie), die Bacchantin, das gehetzte Wild, ein Försterheim (1886), der Kolporteur, der Sozialdemokrat, ein genügsamer Weltbürger (in der Kunsthalle zu Düsseldorf), ein Zweikampf (1892), Schulgeheimnisse (1892), rheinischer Mummenschanz (1893), Sommerabend in der Judengasse zu Frankfurt a. M. (1896), Birschgang und ein Gebirgsjäger (1899). K. hat auch männliche und weibliche Porträte in genrehafter Auffassung, aber mit feinster, geistreicher Charakteristik gemalt, unter denen das des Geheimrats Ravené (1857) und die von Helmholtz und Mommsen (1881) in der Berliner Nationalgalerie hervorzuheben sind, sowie einen Zyklus von Zimmerdekorationen im Watteauschen Stil und eine große Zahl von Bleistiftzeichnungen und Aquarellen ausgeführt. Eine besondere Gruppe bilden seine anmutigen Idyllen mit weiblichen und Kinderfiguren in antikisierender Tracht (Caritas, Kinderreigen, Frühlingsidylle [im Museum zu Wiesbaden], trunkener Silen). Die echt deutsche Richtung seiner Kunstanschauung gipfelt in der Schilderung des Kinderlebens, das er mit köstlichem Humor darzustellen weiß, und in der tiefen Wahrheit, mit der er das Empfindungsleben der Bauern veranschaulicht. Seine Bilder haben durch Stich und Photographie eine große Popularität erlangt. Er ist Professor, Mitglied der Akademie, Ritter des Ordens pour le mérite und seit 1861 im Besitz der großen Medaille der Berliner Kunstausstellung. Vgl. Pietsch, Knaus (in Knackfuß' »Künstler-Monographien«, Bielef. 1896) und als Separatheft der Zeitschrift »Die Kunst unsrer Zeit« (Münch. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 168.
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