[30] Moldau (rumän. Moldova, nach dem gleichnamigen Flusse benannt), seit 1859 mit der Walachai zu Einem Staat unter dem Namen Rumänien (s. d.) vereinigtes Fürstentum, grenzt im N. an Rußland und an Österreich (Bukowina), im W. an Siebenbürgen, im NO. und O. an Rußland (Bessarabien, Grenze der Pruth), im SO. an die Dobrudscha, im S. an die Walachei, von der sie der Milkowfluß trennt, und umfaßt ein Areal von 38,226 qkm (694 QM.). Die M. ist im W. Hochland, im NO. Berg- und Hochland, im SO. Flachland; im SW. umschließen die Karpathen die Kreise Putna, Bakau, Neamtz und Suceava und durchziehen das Land in zahlreichen Abzweigungen, die, von tiefen, dicht bewaldeten Tälern unterbrochen, sich bis zum Sereth und dem Pruth abdachen und dort in Rebenhügel auslaufen. Die Donau, welche die Südgrenze der M. berührt, empfängt die beiden Hauptströme des Landes, den Pruth und den Sereth, welch letzterer die M. der Länge nach durchfließt, die goldführende Bistritza und weiter die Flüsse Trotusch, Berlad und Putna aufnimmt und oberhalb Galatz in die Donau mündet. Von größern Seen ist der Bratysch, nahe der Mündung des Pruth, zu erwähnen. In den Kurorten Slanik, Strunga,Baltzatesti, Oglinzi, Borka und Pangescht sprudeln heilsame Mineralquellen. Infolge der Nähe des Meeres und des mangelnden Schutzes vor dem Nordwind ist das Klima der M. sehr unbeständig; Gewitter und häufige Regen bei großer Hitze charakterisieren den Sommer, während die Kälte im Winter bis -22° steigt. Die Bevölkerung betrug 1899: 1,832,106 Seelen (48 auf 1 qkm), darunter ca. 100,000 Juden, deren Hauptmasse in der nördlichen M. wohnt, wohin sie meist aus Galizien und Bessarabien eingewandert sind. Hauptbeschäftigung der Einwohner ist der Ackerbau, der seit der Aufhebung der Leibeigenschaft (1856) und dem Agrargesetz von 1862 mehr und mehr in Aufschwung kommt, zumal der Boden äußerst fruchtbar ist. Im allgemeinen leidet die Landwirtschaft unter dem Kapitalmangel, den ungünstigen Arbeiterverhältnissen und den niedrigen Getreidepreisen. Dem ausgedehnten Handel, dessen Mittelpunkte Jassy und Galatz (s. d.) sind, dienen als Verkehrsadern die Flüsse Sereth und Pruth und mehrere Eisenbahnen: Galatz-Roman mit Fortsetzung nach der Bukowina und Jassy; sowohl Galatz als Jassy sind mit Bender in Bessarabien durch Schienenwege verbunden. Die M. zerfällt in die Kreise: Bakau, Botoschani, Covurlui, Dorohoi, Falciu, Jassy, Neamtz, Putna, Roman, Suceava, Tecuci, Tutova, Vaslui. Hauptstadt ist Jassy. Weiteres s. Rumänien (mit Karte).
Geschichte. Über die älteste Geschichte der M. als Teil Daciens s. Rumänien. Die Gründung der M. als Staat fällt wahrscheinlich ins Jahr 1360, wo Bogdan, der Sohn des Micul, der Woiwode der Wlachen in der Marmaros, mit seinem zahlreichen Kriegsgefolge nach Baia in der M. zog und, die vorhandenen[30] slawischen, rumänischen und tatarischen Bewohner unterwerfend, von dem Gebiete der M., mit Einschluß der Bukowina und Bessarabiens, als Woiwode Besitz ergriff (um 1365). Aus dem Dunkel tritt die Geschichte der M. erst mit dem Regierungsantritt Alexanders I. (140132), der dem Land eine administrative Einteilung gab, Heer und Finanzen regelte, Schulen und Klöster stiftete, ein aus den Basiliken zusammengestelltes Gesetzbuch erließ und durch seine Weisheit und Milde sich den Namen des »Guten« erwarb. Auch als Feldherr bewährte sich Alexander gegen Polen, Ungarn und Tataren. Mit dem Polenkönig Wladislaw II. Jagiello schloß er, seit 1407 »Herr des moldauischen Landes«, 1411 ein Bündnis und nahm dessen Verwandte, Ryngalla, zur Frau; seine Hilfstruppen hatten gegen den Deutschorden 1410 bei Tannenberg mitgekämpft. Auch die Herrschaft seines Enkels Stephan d. Gr. (s. d.; 1457 bis 1504) war ruhmvoll; denkwürdig vor allem ist sein Sieg über die 120,000 Türken Suleiman Paschas 10. Jan. 1475 bei Racowa. 1484 hatte Stephan neue Kämpfe gegen Bajesid II., der am 14. Juli Kilia und 4. Aug. Akkerman eroberte, zu bestehen. Doch 1490 und 1502 gewann er Pokutien und erschien 1498 sogar vor Lemberg. Ihm folgte sein Sohn Bogdan III., der Blinde (150417). Dieser schloß mit dem Sultan 1504 die erste Kapitulation, in der sich die M. zu einem Tribut an die Hohe Pforte verpflichtete; nach spätern Nachrichten habe dafür die Türkei die M. als nicht eroberten Staat mit dem Rechte freier Wahl eigner Fürsten, selbständiger innerer Verwaltung und unabhängiger Gesetze anerkannt. Diese Grundlage der staatsrechtlichen Stellung der M. zur souveränen Macht wurde von Peter Raresch (15271546) unter den Mauern von Ofen (1529) erneuert. Nach Raresch folgt bis 1633 eine Reihe meist unbedeutender Herrscher, unter denen es der Pforte möglich war, den Tribut stark zu erhöhen und immer mehr Einfluß im Innern und bei der Wahl des Fürsten zu gewinnen. Johann II. (157174) widersetzte sich den immer steigenden Ansprüchen der Türken vergeblich. Allerlei Ränke und Verderbnis führten zu raschem Fürstenwechsel; zu der Willkür der Türkei gesellte sich polnischer Einfluß. Endlich gebot Basil Lupu (163453) dem Verfall Einhalt und schuf wohltätige Anstalten, gründete Schulen und begünstigte die Entstehung einer rumänischen Nationalliteratur. Unter Lupus Nachfolgern verschwand immer mehr der alte Unabhängigkeitsgeist, und mit Nikolaus Maurokordato (1712) nahm die verhängnisvolle Periode der Fanariotenherrschaft ihren Anfang, mit ihr der geistige und politische Verfall der M. und Walachei. Während dieser Periode griff Rußland immer entschiedener in die Schicksale der Fürstentümer ein. Die russische Protektionspolitik äußerte sich in zahlreichen Besetzungen des Landes durch große Heere und führte zur Zerstückelung der M. durch den Verlust der Bukowina an Österreich (1777; Gregor Ghika ermordet) und Bessarabiens an Rußland (1812). Als durch den Aufstandsversuch der Fanarioten unter Alexander Ypsilantis (1821) die Pforte mißtrauisch gegen die Griechen wurde, beschloß sie, dem Lande keine fremden Herrscher mehr aufzudrängen. Johann Sturdza, der gewählte einheimische Fürst, wurde von der Pforte 19. Juli 1822 bestätigt. Seine guten Absichten wurden jedoch durch die neue Schutzmacht, Rußland, vereitelt, deren Vertreter alle Reformen verhinderten und seit dem Frieden von Adrianopel (24. Sept. 1829) tatsächlich das Land regierten (»Ordnen« der M. durch den General P. v. Kisselew und sein organisches Reglement von 1832). 1834 ernannte die Pforte Michael Sturdza zum Fürsten der M.; Rußland ganz ergeben, suchte er durch einige Verbesserungen seine Habgier und die Erpressungen seiner russischen Günstlinge zu verhüllen. Diese schamlose Mißwirtschaft bewirkte im April 1848 den Ausbruch der Revolution. Aber um dieselbe Zeit rückten russische Truppen in die M. ein, während ein türkisches Heer die Walachei besetzte. Die Nationalbewegung erlag bald den fremden Bajonetten. Der Vertrag von Balta-Liman (1. Mai 1849) stellte das alte System wieder her. Der neue Fürst, Gregor Ghika, war von guten Absichten beseelt; die Durchführung heilsamer Maßregeln unterbrach aber 1853 der Krimkrieg. Der Wiederbesetzung des Landes durch russische Truppen folgte 185457 eine österreichische Okkupation. Der Pariser Vertrag von 1856 beendete schließlich die Leidensgeschichte der Fürstentümer, erkannte ihre Unabhängigkeit an und stellte sie als neutrales Gebiet unter den Schutz und die Bürgschaft der Großmächte. Die Rumänen verstanden es, diese Gunst der Lage vorsichtig auszunutzen und die Vereinigung mit der Walachei zustande zu bringen. Weiteres s. Rumänien; vgl. auch Iorga, Geschichte des rumänischen Volkes (Gotha 1905, 2 Bde.), und v. Wlislocki im 5. Bande von Helmolts »Weltgeschichte« (Leipz. 1905).